Bath. Antike Thermen und eine einmalige Architektur machen Bath zu einer der schönsten Städte Englands.

Die römischen Bäder sind in Bath nahezu vollständig erhalten.
Die römischen Bäder sind in Bath nahezu vollständig erhalten. © Jean-Jacques Milan, Wikipedia

Peter Dickinson erinnert sich noch sehr genau: Wie die Luftalarmsirenen plötzlich losheulten, als er gerade ins Bett wollte. Wie seine Heimatstadt Bath Sekunden später taghell wurde im Scheinwerferlicht der Flugzeuge. Und wie die Maschinen ihre Bomben abwarfen.

Der damals 17-Jährige rannte in den Luftschutzbunker, sah noch die Explosionen im Combe Park und beim Krankenhaus. Es war Samstag, der 25. April 1942, der erste Luftangriff deutscher Bomber auf die Stadt am Flüsschen Avon. Die Nazis wollten Vergeltung für britische Angriffe. Sie wählten mit Bath, Exeter oder York bewusst völlig ungeschützte und strategisch unbedeutende Ziele – aus einem Reiseführer. „Baedeker Blitz“ heißen diese Bombardements daher. Allein in Bath starben dabei an zwei Tagen mehr als 400 Menschen, 19 000 Häuser wurden zerstört.

Daran erinnert heute noch die „Bath Blitz“-Gedenkstätte, aber nichts mehr im Stadtbild. Die meisten Straßen sind gemütliche Berg- und Talfahrten entlang lindwurmartiger Reihenhauszeilen oder schmucker Villen.

Kaum ist eine der Avon-Brücken überquert, steht man schon am „Pump House“. Hier verkaufen die „Pumper“ in historischen Trachten frisch gezapftes Wasser im Glas. Es sprudelt aus der heißen Quelle unterhalb der Stadt und enthält angeblich 43 Mineralien, darunter Calcium, Chlorid und Eisen. Ärzte im 18. Jahrhundert verordneten es gegen Gicht, Krätze und Lethargie, heute räumen selbst glühende Quellen-Verehrer ein, die brackige Brühe seiwirkungslos. Der Schriftsteller Charles Dickens nippte daran und fällte sein Geschmacksurteil: „Schmeckt wie laues Bügeleisen.“

Dennoch: Das blubbernde 44 Grad heiße Wasser ist seit jeher Quelle der besonderen Bedeutung von Bath und wohl auch Namensgeber der 85 000-Einwohner-Stadt. Die Römer bauten hier ab dem Jahre 75 so etwas wie den ersten Wellness-Tempel Englands: Ein mehrstöckiges, ausladendes Bade- und Wohlfühlhaus mit Open-Air-Pool. Es ist nahezu vollständig erhalten, so dass sich Besucher mitten in einem Sandalen-Film mit Richard Burton und Liz Taylor wähnen. Erst recht, wenn Laien-Darsteller im Tunika-Gewand am Pool das süße Leben zu Zeiten der römischen Kaiser darstellen. Beim Rundgang durch die Thermen und Saunen wird nicht nur klar, dass die Römer architektonische „Bade-Meister“ waren, sondern auch, welche Funktionen die Quellen noch hatten: In den 1970er Jahren fanden Archäologen hier dünne, zusammengerollte Bleitäfelchen mit eingeritzten Inschriften: „Wer immer mein Bronzegefäß entwendet hat, ich bringe ihn der Göttin Minerva dar, auf dass er für immer büßen möge!“ Solche Verwünschungen, selten genug positive Ansinnen, warfen die Menschen ins heiße Wasser, in der Hoffnung auf Erfüllung.

Ein paar Schritte außerhalb der City – da ist es schon wieder, dieses für Bath typische Zeitmaschinen-Gefühl. Eben noch im Sandalen-Film, fühlt man sich jetzt ins 18. Jahrhundert versetzt: Dominanz und Reichtum der Weltmacht Großbritannien werden mit Prachtbauten demonstriert. In Bath setzten sich die Architekten John Wood Senior und Junior ab 1754 eindrucksvolle Monumental- Denkmäler: „The Circus“ etwa, ein kreisrundes Ensemble aus 33 herrschaftlichen Wohnhäusern, dreistöckig und strukturiert durch dorische, ionische und korinthische Säulen. Eine Straße weiter: „The Royal Crescent“, ein 184 Meter langer, geschwungener Halbmond aus 30 Bürgerhäusern, ebenfalls erbaut aus dem typischen, goldgelben „Bath Stone“.

Hier und am Circus wohnten Promis der damaligen Zeit: Premier William Pitt oder Afrika- Forscher David Livingston. Nicht zuletzt, weil Bath ab 1700 ein mondäner Ort der britischen High Society war – mit Richard Naish als Zeremonienmeister. Als 31-Jähriger kam der Prototyp des Dandys 1704 nach Bath und komponierte nicht nur sich selbst, sondern auch den Gästen der feinen Gesellschaft ihren Kuraufenthalt durch, stellte Benimmregeln auf, veranstaltete Konzerte, Bälle und Empfänge, Morning- und Afternoon-Teatimes. Im „Pump House“ bei den Thermen, dem Eheanbahnungs-Institut der Upper Class, hängt noch heute ein Portrait von Naish. Doch wer einen frühen George Clooney erwartet, wird enttäuscht: Der Beau des 18. Jahrhunderts könnte ein Bruder des Schauspielers Dieter Pfaff sein, Hauptdarsteller der Serie „Der Dicke“. Und leider kürzlich verstorben.