Berlin. Mineralöle gelangen vor allem aus recycelten Pappverpackungen in Lebensmittel. Jetzt will die Bundesregierung den Schutz verbessern.

Ob in Reis, Haferflocken, Schokolade aus Adventskalendern, Cornflakes und sogar in Milchpulver für Babys: Mineralölfunde in Lebensmitteln sind mittlerweile an der Tagesordnung. Schon seit acht Jahren weist das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf das mögliche Krebsrisiko der Schadstoffe hin. Seither warnen Verbraucherschützer, Politik und Lebensmittelindustrie verweisen auf fehlende Grenzwerte – ein unbefriedigender Kreislauf.

Doch vor zwei Wochen änderte sich etwas. Das in vielen Lebensmittelfragen oberste Entscheidungsorgan – die Europäische Kommission – räumte erstmals offiziell ein, dass Mineralölbestandteile in Lebensmitteln krebserregend sein können. Statt jedoch einen von Verbraucherschützern lange geforderten Grenzwert anzukündigen, empfiehlt die EU, die Schadstoffe zunächst für zwei Jahre „zu überwachen“, um mehr über sie zu lernen. Konkrete Schutzmaßnahmen rücken damit in unbestimmte Ferne. Die deutsche Regierung wird jetzt selbst tätig und hat eine Mineralölverordnung auf den Weg gebracht.

Wie kommt Mineralöl ins Essen?

Bei Mineralöl denken die meisten zunächst an Benzin, an verschmierte Fahrradketten oder quietschende Türen – nicht an Lebensmittel. Doch die Bestandteile des Öls sind hartnäckig und verbreiten sich auf vielen Wegen. Sie gelangen aus den Abgasen von Erntemaschinen in Lebensmittel, aus Schmierstoffen der Anlagen, mit denen Essbares in Form gepresst oder verpackt wird. Als Hauptquelle gelten jedoch Verpackungen aus Altpapier.

„Für die Herstellung von Karton aus recyceltem Altpapier wird auch bedrucktes Zeitungspapier benutzt“, erklärt eine Sprecherin des BfR. „In den meisten Zeitungsdruckfarben sind Mineralöle enthalten, die bisher im Recyclingprozess nicht ausreichend entfernt werden und so in die Lebensmittelverpackungen gelangen.“

Welche Folgen hat das für die Gesundheit?

Die zwei problematischen Bestandteile, die immer wieder in Lebensmitteln nachgewiesen werden, heißen Mosh und Moah. Mosh, kurz für „mineral oil saturated hydrocarbons“, sind gesättigte Kohlenwasserstoffe. Laut BfR werden sie im Körper aufgenommen und können dort in den Organen gespeichert werden.

Im Tierversuch führten diese Ablagerungen zu Knötchen in Leber, Milz und Lymphknoten, die wiederum chronische Entzündungen zur Folge hatten. Moah – eine Abkürzung für „mineral oil aromatic hydrocarbons“ – sind aromatische Kohlenwasserstoffe. Einige von ihnen gelten laut einer Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) von 2012 als erbgutverändernd und krebserregend.

Nach Schätzungen der Efsa nimmt der Durchschnittsdeutsche pro Tag bis zu 0,3 Milligramm Mosh und bis zu 0,06 Milligramm Moah pro Kilogramm Körpergewicht auf – Kinder wohl mehr.

Was plant die Regierung?

Gesetzliche Vorgaben für Mineralölbestandteile in Lebensmitteln gibt es bislang nicht. Auf allen Ebenen scheine Einigkeit darüber zu herrschen, dass „die Verunreinigung von Lebensmitteln mit Mineralölbestandteilen unerwünscht ist“, erklärt die BfR-Sprecherin.

Grenzwerte abzuleiten, sei jedoch nicht möglich, „da die Datenlage zur Toxikologie von Mineralölgemischen lückenhaft ist“, so das BfR. Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erklärt auf Anfrage: „Für einen allgemeinen Grenzwert in Lebensmitteln existiert bislang keine ausreichende Datenlage.“

Trennung mit Barrieren

Bundeslandwirtschaftsminster Christian Schmidt (CSU) bei seinem Besuch auf der Grünen Woche in Berlin.
Bundeslandwirtschaftsminster Christian Schmidt (CSU) bei seinem Besuch auf der Grünen Woche in Berlin. © dpa | Rainer Jensen

Man habe sich daher für einen anderen Weg entschieden. „Mein Ziel ist es, zu verhindern, dass Mineralölbestandteile – zum Beispiel durch Verpackungen aus Recyclingpapier – in Lebensmittel geraten“, sagte Bundesminister Christian Schmidt (CSU) unserer Redaktion. Zu diesem Zweck hat das BMEL zwei Verordnungen auf den Weg gebracht. Die sogenannte Druckfarbenverordnung sieht vor, „dass mineralölhaltige Druckfarben zum Bedrucken von Lebensmittelverpackungen künftig nicht mehr verwendet werden dürfen“.

Die sogenannte Mineralölverordnung soll Hersteller verpflichten, „Lebensmittelbedarfsgegenstände mit einer funktionellen Barriere auszustatten“. Ob Nudeln, Reis oder Cornflakes – alle Produkte sollen künftig zum Beispiel durch eine Innenbeschichtung der Packung oder einen Zwischenbeutel geschützt werden. Diese Zwischenbeutel könnten laut BMEL etwa aus Aluminium oder PET sein.

Die Verordnung soll zudem noch ein Türchen offen lassen: Es geht auch ohne funktionelle Barriere, wenn der Hersteller selbst gewährleistet, dass keine Mineralölbestandteile in seine Produkte wandern. Wann die beiden Verordnungen in Kraft treten, steht noch nicht fest.

Was Verbraucherschützer fordern

Verbraucherschützer begrüßen den Vorstoß des Ernährungsministeriums als ersten Schritt – halten aber an ihrer Forderung nach einem EU-weiten Grenzwert fest. Dass noch keine ausreichenden Erkenntnisse vorliegen, lässt die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch nicht gelten: „Es mangelt nicht an Testergebnissen, sondern an wirksamen gesetzlichen Maßnahmen.“

„Wir arbeiten seit 2009 an diesem Thema, seitdem ist auch bekannt, dass Mineralöle in Lebensmitteln Risiken bergen. Dass es immer noch keinen Grenzwert gibt, ist unvorstellbar“, sagt auch Silke Schwartau, Ernährungsexpertin von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die geplante Mineralölverordnung müsse zumindest in einigen Punkten noch nachgebessert werden. So sei Aluminium zwar tatsächlich die wirksamste Barriere gegen Mosh und Moah, die etwa bei Säuglingsnahrung fast immer eingesetzt werde. Zwischenbeutel aus diesem Stoff seien aber aufgrund der großen Umweltbelastung keine Lösung für alle Produkte.

Wie kann ich der Belastung vorbeugen?

Lebensmittelverpackungen aus Recyclingpapier müssen bislang nicht gekennzeichnet werden. Beim Einkauf können Verbraucher aber auf die Farbe achten, rät die Verbraucherzentrale Hamburg. „Je dunkler ein Karton, desto höher ist normalerweise der Recyclinganteil, sehr helle Pappen sind meist aus Frischfaser.“ Von Frischfaser gehe ein geringeres Risiko aus, sie sei allerdings auch eine größere Umweltbelastung, geben die Verbraucherschützer zu bedenken.

Trockene Lebensmittel mit großer Oberfläche wie Reis, Haferflocken oder Cornflakes sind besonders anfällig, sie sollten daher von Pappschachteln in Vorratsdosen umgefüllt werden, rät die Verbraucherzentrale Hamburg. Tiefkühlware aus Pappkartons sollte ohne die Umverpackung aufgetaut werden.