Berlin. Schon vor der Corona-Krise hatte die Bundesregierung attraktivere Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte auf dem Schirm. Nun bleibt nicht mehr viel Zeit für Gesetze - und erstmal gibt es dazu neuen Krach.

Im Ringen um eine bessere Bezahlung von Pflegekräften noch vor der Bundestagswahl bringen sich die Koalitionspartner SPD und Union gegeneinander in Stellung.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz kündigte am Sonntag einen gemeinsamen Vorstoß mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) an, "der sicherstellt, dass Tarifverträge in der Altenpflege Realität werden". Heil sagte der "Bild am Sonntag", er schlage dazu ein "Pflege-Tariftreue-Gesetz" vor, das noch im Sommer beschlossen werden solle. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, ein Reformentwurf liege längst vor. Im Gegensatz zu Heils Plan würden dabei auch die Interessen der Pflegebedürftigen berücksichtigt.

Eine bessere Bezahlung dringend benötigter Pflegekräfte ist erklärtes Ziel der großen Koalition. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten bekommt laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ein Anlauf für einen Tarifvertrag, den Heil für die ganze Branche verbindlich machen wollte, war zu Jahresbeginn gescheitert.

"Der Gesundheitsminister hat bisher keine konkrete Lösung vorgelegt, aber die Zeit drängt", sagte Heil. In einem Brief an Spahn schlägt er daher jetzt eine Neuregelung vor. "Betreiber von Pflegeeinrichtungen bekommen nur dann Geld aus der Pflegeversicherung, wenn sie ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen", erläuterte Heil in der "Bild am Sonntag". Finanzminister Scholz sagte: "Wer das nicht macht, der kann auch nicht abrechnen. So muss die Regel sein, die wir ganz präzise durchsetzen wollen."

Spahn betonte: "Wir alle wollen Pflegekräfte besser bezahlen. Aber das darf nicht auf Kosten der Schwächsten unserer Gesellschaft gehen." Wer Tarifbezahlung wolle, müsse daher auch die Eigenanteile der Pflegebedürftigen deckeln, sagte er mit Blick auf sein eigenes Konzept. "Dazu sollte sich der Finanzminister endlich mal verhalten."

Spahn hatte im Herbst zunächst Eckpunkte für eine Pflegereform vorgelegt. Inzwischen gibt es einen "Arbeitsentwurf" des Ministeriums von Mitte März. Demnach soll es ab 2022 Versorgungsverträge nur noch mit Pflegeeinrichtungen geben, die nach Tarifverträgen oder tarifähnlich bezahlen. Um Pflegebedürftige zu entlasten, sollen sie Zuschläge bekommen. Der Eigenanteil für die reine Pflege könnte damit im zweiten Jahr im Heim um 25 Prozent sinken, im dritten Jahr um 50 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent.

Die selbst zu zahlenden Anteile steigen seit Jahren und liegen nun bei 2068 Euro pro Monat im bundesweiten Schnitt, wie aus Daten des Verbands der Ersatzkassen mit Stand 1. Januar hervorgeht. Es gibt große regionale Unterschiede. Darin ist zum einen der Eigenanteil für die reine Pflege und Betreuung enthalten. Denn die Pflegeversicherung trägt - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten. Für Heimbewohner kommen aber noch Kosten für Unterkunft, Verpflegung und auch für Investitionen in den Einrichtungen dazu.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz reagierte skeptisch auf Heils Pläne, die in der Praxis scheitern würden. Schon heute verzichteten viele Leistungsanbieter auch auf zusätzliches Geld, weil sie sich nicht in die Karten schauen lassen wollten.

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