Berlin. Nach mehr als einem Jahr Arbeit stehen im Untersuchungsausschuss zur Pkw-Maut noch einmal wichtige Zeugenbefragungen an. Die Kritik an Verkehrsminister Scheuer und seinem Haus reißt nicht ab.

Bei der Aufarbeitung der gescheiterten Pkw-Maut hat ein wichtiger Zeuge Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) erneut entlastet - die Opposition aber sieht noch viele Fragen offen.

Dabei geht es vor allem um die Zeit der Maut-Vergabe an Firmen im Herbst 2018 und die Frage, ob rechtliche Risiken nicht berücksichtigt wurden. Außerdem geht es um die Kosten der Maut. Der Grünen-Politiker Oliver Krischer sprach von einer "organisierten Verantwortungslosigkeit". Oppositionspolitiker vermuten außerdem, Scheuer habe dem Untersuchungsausschuss des Bundestags E-Mails über ein privates Postfach verheimlicht.

Im Vordergrund stand zunächst eine erneute Zeugenaussage des früheren Verkehrsstaatssekretärs Gerhard Schulz. Seine Befragung dauerte am Abend an. Danach sollte noch der frühere Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) als Zeuge gehört werden, seine Befragung könnte bis in die Nacht dauern. Scheuer soll am 28. Januar erneut als Zeuge aussagen.

Die Opposition wirft Scheuer vor, Ende 2018 Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut abgeschlossen zu haben - bevor endgültige Rechtssicherheit bestand. Scheuer habe schwere Fehler zulasten der Steuerzahler gemacht. Scheuer weist die Vorwürfe zurück.

Bei der Befragung von Schulz ging es zunächst vor allem um Aussagen von Managern der späteren Betreiberfirmen. Diese hatten ausgesagt, Scheuer bei einem Treffen im November 2018 angeboten zu haben, mit dem Abschluss von Verträgen zu warten, bis der Europäische Gerichtshof (EuGH) entscheidet.

Schulz sagte, er sei "sehr sicher überzeugt", dass es ein solches Angebot nicht gegeben habe. Das hatte er bereits in einer Zeugenaussage im Oktober ausgesagt - und untermauerte es nun. Auch nach Einsicht in Akten habe sich seine Erinnerung "zur Gewissheit" verdichtet, dass es ein solches Angebot nicht gegeben habe. Aus seiner Sicht hätte ein solches auch keinen Sinn gemacht - etwa deswegen, weil die Bieter dann Kosten hätten tragen müssen, die bis zu einem EuGH-Urteil angefallen wären.

Scheuer hatte im Oktober ausgesagt: Ein Angebot der Betreiber zu einer Verschiebung eines Vertragsschlusses bis zu einem EuGH-Urteil habe es nach seiner Erinnerung nicht gegeben.

Der Europäische Gerichtshofs hatte das deutsche Modell für eine Pkw-Maut im Sommer 2019 für europarechtswidrig erklärt - sie sei diskriminierend für Autobesitzer aus anderen EU-Ländern. Die vorgesehenen Betreiber fordern 560 Millionen Euro Schadenersatz, nachdem der Bund die Verträge direkt nach dem Urteil gekündigt hatte.

Als Grund für die anderslautenden Aussagen der Manager vermutete Schulz das laufende Schiedsverfahren zwischen dem Bund und den Firmen. Jede Million mehr, die der Bund an Schadenersatz zahlen würde, würde sich auch im persönlichen Vermögen der Manager auswirken.

Unions-Obmann Ulrich Lange (CSU) sagte, mit der Aussage von Schulz sei Scheuer klar entlastet, wenn man überhaupt von einer Belastung sprechen konnte. Ein angebliches Angebot der Betreiber, mit der Vertragsunterzeichnung bis zum Urteil zu warten, habe es offensichtlich nicht gegeben.

Schulz bekräftigte außerdem seine Aussage, in dem Gespräch mit den Managern, ihm und Scheuer im November 2018 sei es darum gegangen, ein Angebot des Konsortiums zum Preis von drei Milliarden Euro in Richtung des vom Bundestag bewilligten Rahmens von zwei Milliarden Euro zu bringen.

Die Opposition zweifelt die Glaubwürdigkeit des Ministers und auch von Schulz an. FDP-Obmann Christian Jung sagte, Schulz habe sich die Wahrheit "zusammengezimmert", um nicht nur sich selbst zu schützen, sondern auch andere.

Die Pkw-Maut war ein Prestigeobjekt der CSU. Die Opposition sieht auch eine Mitverantwortung des früheren Verkehrsministers Dobrindt an ihrem Scheitern. Unter seiner Führung seien die Maut-Gesetze durch Bundestag und Bundesrat gebracht worden, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Obleute von FDP, Grünen und Linke. Entgegen vielstimmiger Rechtsmeinungen seien die Maut-Gesetze als rechtskonform deklariert worden.

Unterdessen sieht die Opposition offene Fragen auch bei der Kommunikation Scheuers über ein privates Mail-Postfach. Krischer sagte, wenn Scheuer Korrespondenz über eine private Mailadresse zur Pkw-Maut verschwiegen habe, dann müsse das Konsequenzen haben.

Der "Spiegel" berichtete, Scheuer habe offenbar eine private, bislang unbekannte E-Mail-Adresse für dienstliche Angelegenheiten benutzt. Mehrere Quellen hätten dem Magazin bestätigt, dass Scheuer über einen Account beim Anbieter GMX kommunizierte, auch in Sachen Pkw-Maut. Gegenüber dem Untersuchungsausschuss habe Scheuer das Postfach nicht offengelegt.

Ein Sprecher des Ministeriums sagte: "Da weder an noch von diesem Account Mails zum Thema Pkw-Maut geschickt wurden, kann es doch auch keine Diskussion darüber geben".

Hintergrund ist eine Mail von Schulz, in welcher er Ende Dezember 2018 ankündigte, Scheuer ein Papier auf dessen "private email" zu schicken. Schulz machte im Ausschuss deutlich, es habe sich nicht um eine private E-Mail-Adresse gehandelt, sondern er habe eine dienstliche E-Mail-Adresse damit gemeint. Die von Schulz genannte E-Mail-Adresse aber sei falsch, sagten Oppositionspolitiker. Schulz sagte außerdem er habe Scheuer ein- oder zweimal etwas an dessen GMX-Adresse geschickt, aber nicht zur Maut.

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