Berlin. Was tun, wenn die Bundestagswahl näher rückt, aber die Corona-Pandemie keine Parteiversammlungen zulässt? Zum Beispiel um die Wahllisten aufzustellen. Der Bundestag hat dazu bereits Vorsorge getroffen. Sie soll nach dem Willen der Union jetzt greifen.

Die Unionsfraktion will angesichts der hohen Corona-Infektionszahlen den Notfallmechanismus für die Vorbereitung der Bundestagswahl am 26. September auslösen.

Da die weitere Entwicklung der Pandemie in den kommenden Monaten nicht vorhersehbar sei, gehe es darum, "gesicherte Aufstellungsversammlungen für alle Parteien zu ermöglichen", sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin.

Der Bundestag hatte dazu im vergangenen Oktober bereits eine Änderung des Bundeswahlgesetzes beschlossen. Bislang musste die Aufstellung der Kandidaten zwingend in Versammlungen erfolgen. Nun kann der Bundesinnenminister per Rechtsverordnung Abweichungen von diesen Bestimmungen zulassen, um die Kandidatenbenennung ohne Versammlung - auf elektronischem Weg und per Briefwahl - zu ermöglichen. Dies ist für Naturkatastrophen oder bei ähnlichen Fällen höherer Gewalt vorgesehen.

Dazu muss der Bundestag zunächst feststellen, dass wegen der Pandemielage solche Versammlungen ganz oder teilweise unmöglich sind. Dann könnte Bundesinnenminister Horst Seehofer die Rechtsverordnung anfertigen, die der Bundestag dann anschließend noch freigeben müsste.

FDP, Grüne, Linke und AfD hatten diese Gesetzesänderung seinerzeit strikt abgelehnt, weil sie im Wahlrecht dauerhaft eine Abweichmöglichkeit verankere. Dobrindt betonte nun, es gehe nicht um einen Regelmechanismus, sondern um "ein Auffangnetz für schwierige lokale Pandemielagen". Außerdem blieben Parteiversammlungen mit der Anwesenheit der Mitglieder weiter möglich.

Aus der FDP-Fraktion kamen zustimmende Signale, die allerdings an Bedingungen geknüpft waren. "Alle demokratischen Parteien müssen ein Interesse daran haben, dass Kandidatenaufstellungen zur Bundestagswahl auch in der Pandemie stattfinden können", sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Marco Buschmann der dpa. Der gesetzliche Notfallmechanismus weise hier dem Bundesinnenministerium einen großen Gestaltungsspielraum zu. "Nur wenn dieser verantwortungsvoll genutzt wird, darf das Parlament dem Notfallmechanismus stattgeben."

Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, sagte der dpa: "Die Parteien brauchen dringend einen klaren Rahmen und Rechtssicherheit, wie unter den Bedingungen der Corona-Pandemie Kandidierenden-Aufstellungen stattfinden können." Die Grünen seien bereit, mit den anderen Fraktionen darüber zu reden. "Notwendig ist jetzt eine rechtssichere und bestimmte Umsetzung."

Strikt ablehnend reagierte die AfD: "Wir als AfD finden die Beteiligung der Mitglieder sehr wichtig und sind deshalb gegen ein digitales Format mit anschließender Briefwahl", sagte der Justiziar der Bundestagsfraktion, Stephan Brandner. "Bei uns werden keine Kandidatenlisten durchgewählt, sondern um jeden Platz wird hart gerungen", fügte er hinzu. Die Lage sei zudem nicht so, dass Präsenzveranstaltungen grundsätzlich nicht stattfinden könnten. "Wir haben keine Anhaltspunkte, dass unser Bundesparteitag in Kalkar Infektionen ausgelöst hätte", sagte Brandner.

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