London. Obwohl die Warnungen nicht abreißen, hält Großbritanniens Premier Boris Johnson an einem Gesetz fest, mit dem er den gültigen Brexit-Deal aufbohren will.

Premierminister Boris Johnson hat vor dem britischen Parlament sein umstrittenes Binnenmarktgesetz verteidigt.

Er bezeichnete das geplante Gesetz in London als notwendiges "Sicherheitsnetz", um die Beziehung zwischen Nordirland und dem Rest Großbritanniens im Falle eines harten wirtschaftlichen Bruchs zu schützen. Sollte dies tatsächlich nötig werden, dürften die Abgeordneten darüber aber erneut abstimmen. Am späten Montagabend sollte im Unterhaus noch eine erste Abstimmung über das Gesetz stattfinden, die als Stimmungsbarometer gilt.

Medienberichten zufolge könnten bis zu 30 Abgeordnete der regierenden Konservativen Johnson die Gefolgschaft verweigern. Der Premierminister verfügt über eine Mehrheit von 80 Stimmen im Unterhaus. In den kommenden Tagen geht die Debatte weiter, erst in einer Woche steht dann die entscheidende Abstimmung an. Danach muss das Gesetz allerdings noch das Oberhaus passieren.

Johnson will mit dem sogenannten Binnenmarktgesetz den gültigen Deal zum EU-Austritt in Teilen aushebeln. Dabei geht es um schon lange umstrittene Sonderregeln für das britische Nordirland, die eine harte Grenze zum EU-Staat Irland und neue Feindseligkeiten dort verhindern sollen. Brexit-Befürwortern sind sie ein Dorn im Auge, da Nordirland vom Rest des Vereinigten Königreichs abgekoppelt werden könnte.

Mehrere Ex-Premierminister, darunter Konservative wie John Major, Theresa May und David Cameron, hatten sich zuvor klar von Johnsons Plänen distanziert. Auch Ex-Generalstaatsanwalt Geoffrey Cox warf Johnson vor, das Ansehen Großbritanniens zu beschädigen. Die geplante Einführung des Gesetzes sei unzumutbar, sagte der Tory-Abgeordnete der "Times" - und kündigte an, diese nicht zu unterstützen. Es gibt laut Cox "keinen Zweifel" daran, dass die "unangenehmen" Folgen des Brexit-Abkommens schon bekannt gewesen seien, als Johnson es unterzeichnet habe.

Für die Europäische Union handelt es sich bei Johnsons Plan um Rechtsbruch. Brüssel forderte London daher auf, bis Ende September einzulenken. Kritiker befürchten, dass das geplante Gesetz der Todesstoß für den Handelsvertrag sein könnte, der die künftigen Wirtschaftsbeziehungen neu regeln soll. Nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase droht ohne Vertrag ein harter Bruch mit Zöllen und hohen Handelshürden.

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