Berlin. Die SPD sägt am Ehegattensplitting – und will so das Elterngeld für alle retten. Doch in der Ampelkoalition droht deswegen neuer Krach.

Millionen Ehepaare in Deutschland profitieren vom Ehegattensplitting, der Staat lässt sich das jedes Jahr Milliarden kosten. Doch das Verfahren ist hochgradig umstritten. Die Kanzlerpartei SPD will es kippen. Wir erläutern, was Paare jetzt wissen müssen.

Was ist überhaupt das Ehegattensplitting?

Es handelt sich um ein Verfahren zur Besteuerung von Einkommen. Dabei geht es um Ehepaare oder Lebenspartnerschaften, die sich für eine gemeinsame Veranlagung und gegen eine Einzelveranlagung entscheiden. Beim Ehegattensplitting werden die Einkommen beider Partner zusammengerechnet, anschließend wird die Summe halbiert. Darauf berechnet der Fiskus die Einkommensteuer, die er anschließend verdoppelt.

Von diesem Verfahren profitieren vor allem Paare mit sehr unterschiedlichen Einkommen. Je größer der Unterschied ist, desto größer ist auch die steuerliche Entlastung. Meistens wählen Paare die Steuerklasse III für den besser verdienenden Partner und die Steuerklasse V für den Partner, der weniger verdient. Möglich ist aber auch, dass beide die Steuerklasse IV mit Faktor wählen. Dabei wird der Splittingvorteil schon beim monatlichen Steuerabzug gerecht aufgeteilt. Die Steuerklasse IV ohne Faktor hingegen kommt für Partner infrage, die annähernd gleich verdienen.

Welchen Sinn hat das Ehegattensplitting?

Das Splitting in seiner heutigen Form gibt es seit 1958. Seine Befürworter argumentieren unter anderem, dass es Ausdruck des besonderen Schutzes der Ehe sei, zu dem das Grundgesetz den Staat verpflichtet. Dabei orientiere es sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Paare. Ein weiteres Argument lautet, dass das Steuerrecht mit der Zusammenveranlagung von Partnern die Tatsache würdige, dass Menschen gegenseitig Verantwortung füreinander übernehmen. Es gebe umgekehrt ja auch gegenseitige Unterhaltsverpflichtungen. Das Ehegattensplitting kostet den Staat mehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr.

Mehr zum Thema: Heizungen, Elterngeld, Ehegattensplitting – Reicht’s mal? Ein Kommentar.

Was spricht gegen das Verfahren?

Kritiker wenden vor allem ein, dass es nicht mehr zeitgemäß sei und ein überholtes Familienbild zementiere: Nämlich eines, bei dem eine Person – in der Regel der Mann – der alleinige oder zumindest der Haupternährer der Familie ist und die andere Person – in der Regel die Frau – sich vorrangig um den Haushalt und die Kinder kümmert und allenfalls noch ein ergänzendes Einkommen für die Familie erzielt.

Das Ehegattensplitting existiert seit 1958, führt aber vor allem dazu, dass Frauen und Mütter dauerhaft in Teilzeit gehen.
Das Ehegattensplitting existiert seit 1958, führt aber vor allem dazu, dass Frauen und Mütter dauerhaft in Teilzeit gehen. © dpa | Jan Woitas

Tatsächlich hängt Deutschland immer noch stak am traditionellen Familienmodell. In kaum einem anderen Industrieland ist der Anteil von Müttern in Teilzeitjobs höher als hierzulande. Die hohe Teilzeitquote unter Frauen und Müttern verschärft allerdings den Fachkräftemangel. Frauen, die Teilzeit arbeiten, haben zudem weniger Karriere-Chancen und ein höheres Risiko, später im Alter arm zu sein.

Was fordert jetzt SPD-Chef Klingbeil?

Die Sozialdemokraten treten bereits seit vielen Jahren dafür ein, das Ehegattensplitting für neue Ehen abzuschaffen. Jetzt hat Klingbeil diese Forderung mit einer neuen Debatte verknüpft – nämlich mit der über den Ausschluss von Top-Verdienern vom Elterngeld. Die Abschaffung des Ehegattensplittings könne statt der Kürzung beim Elterngeld erfolgen und „dem antiquierten Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt, ein Ende setzen“, sagte der Parteivorsitzende dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Klingbeil will Geld beim Ehegattensplitting sparen und für das Elterngeld verwenden. Er argumentiert: „Das Elterngeld ist keine Sozialleistung, es soll dazu motivieren, dass auch Männer mehr Verantwortung in der Familie übernehmen.“ Hintergrund ist, dass Familienministerin Lisa Paus (Grüne) plant, Paaren mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 150.000 Euro künftig kein Elterngeld mehr zu zahlen. So will sie den Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP) für den Bundeshaushalt gerecht werden.

Wird die Koalition Klingbeils Idee aufgreifen?

Sehr wahrscheinlich nicht. Die SPD und die Grünen sind zwar grundsätzlich für eine Abschaffung beziehungsweise Änderung des Ehegattensplittings für neu geschlossene Ehen. Die FDP hält aber daran fest. Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 heißt es deshalb lediglich, dass „im Zuge einer verbesserten digitalen Interaktion zwischen Steuerpflichtigen und Finanzverwaltung“ die Kombination aus den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführt werden solle.

Auf diese Weise werde das Verfahren „einfach und unbürokratisch anwendbar“ und schaffe mehr Fairness. Aus dem Bundesfinanzministerium von Ressortchef Lindner hieß es am Montag, es gebe im Hause „keine Bemühungen“, das Splitting an sich abzuschaffen.

Was denken Fachleute und Verbände über den Klingbeil-Vorstoß?

Der Steuerexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Stefan Bach, sagte unserer Redaktion: „Das geht in die richtige Richtung, wäre aber eine langfristig angelegte Reform.“ Wenn der Staat das Ehegattensplitting nur für Neu-Ehen abschaffte, würde sich das erst langfristig in der Staatskasse bemerkbar machen.

Die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, forderte eine „zeitgemäße Ehegattenbesteuerung“. Sie sagte dieser Redaktion: „Die jetzige Regelung fördert einseitig einkommensstarke Ehen, bei denen eine Person viel und die andere wenig verdient – unabhängig von der Kinderzahl.“ Die so entstehenden Steuervorteile führten laut Engelmeier dazu, dass meist die Frau ihre Erwerbstätigkeit deutlich zurückfahre.