Kiew. Der ukrainische Kommandeur der Landstreitkräfte ist verantwortlich für schmerzhafte russische Niederlagen im Krieg. Aber nicht nur das.
Im Kampf um Bachmut kommt die ukrainische Armee langsam voran, stößt südlich und nördlich der Stadt auf die Anhöhen vor. Für die russischen Soldaten wird die Lage zunehmend brenzlig. In ein paar Wochen könnten die ukrainischen Soldaten die Russen womöglich umzingeln. Ausgerechnet Bachmut – die Stadt ist der Schauplatz blutigster Kämpfe in der Region Donez.Russland hatte sie im Mai vor allem durch den Einsatz der Wagner-Söldner erobern. Nun steht das russische Kommando vor einer schwierigen Entscheidung.
Der Mann, der die Offensive anführt und die Russen das Fürchten lehrt, ist General Oleksandr Syrskyj. Der Kommander der Landstreitkräfte ist den Russen nicht unbekannt. Er ist für zwei der schmerzhaftesten Niederlagen Russlands in diesem Krieg verantwortlich ist. Syrskyj führte die Abwehrschlacht um Kiew zu Beginn es Krieges an und auch die erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive im Bezirk Charkiw geht auf ihn zurück.
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Btter genug für den russischen Präsidenten Wladimir Putin und seine Armee. Doch hinzu kommt, dass Oleksandr Syrskyj Ukrainisch mit einem gewaltigen russischen Akzent spricht. Der 57-jährige Generaloberst ist gebürtiger Russe. Geboren wurde er im russischen Bezirk Wladimir, er absolvierte die Moskauer Höhere Militärkommandohochschule, wo er zusammen mit einigen heutigen russischen Kommandeuren studierte. Erst seit den 1980er Jahren lebt Syrskyj in der Ukraine, als Russe fühlt er sich längst nicht mehr.
Generaloberst Syrskyj: Immer wieder ist er bei den Soldaten an der Front
Seit 2014 gehört Syrskyj im Krieg in der Ostukraine zu den wichtigsten Figuren auf ukrainischer Seite. Er war Stabschef der damaligen Anti-Terror-Operation und zeitweise auch Kommandeur der Einsätze dort, bevor er 2019 zum Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte berufen wurde. Er gilt als mutiger Feldherr: Die Ukrainer erinnern sich daran, dass er mit seiner Einheit im Februar 2015 den riskanten Rückzug der Armee aus dem umkämpften Knotenpunkt Debalzewe in der Region Donezk deckte.

Syrskyj sucht die Nähe zu seinen Soldaten. In den vergangenen Monaten war er mehrfach bei ihnen direkt an der Front vor Bachmut. Doch nicht nur damit hat er sich unter den Soldaten Respekt verschafft. Der Generaloberst legt großen Wert auf die Moral seiner Truppe. Fast jeden Tag liest er Hunderte Nachrichten von den Soldaten. „Man muss den Geist der Armee spüren“, zitiert ihn „The Economist“.
Gleichzeitig gilt Syrskyj als Reformer der ukrainischen Armee. Obwohl er in Moskau studiert hat, erkannte er die Schwächen des ukrainischen Militärs. Er war mitverantwortlich für den Umbau des militärischen Apparats, wodurch aus der kleinen postsowjetischen Armee eine mobile und moderne Streitmacht wurde. Schon vor dem Donbass-Krieg verantwortete er die Kommunikation mit den Partnern in der Nato – und passte die Armee nach und nach an Nato-Standards an.
Ukraine: Maximale Entscheidungsfreiheit für die Kommandeure vor Ort
Syrskyj ist überzeugt davon, dass in der modernen Kriegsführung die Kommandeure vor Ort maximale Entscheidungsfreiheit haben sollten. Zu seinen Prioritäten zahlen aber auch der Informationskrieg sowie eine hybride Kriegsführung. Von Syrskyj soll der Plan stammen, im Sommer 2022 die Gegenoffensive im Süden der Ukraine öffentlich anzukündigen und zum Teil auch schon zu beginnen.

Das Ziel: die Russen verwirren und zu erreichen, dass sie so viele Kräfte wie möglich in den Bezirk Cherson verlegen. Es hat funktioniert. So entstand eine Lücke in der Region Charkiw, die von Syrskyj und seinen Truppen im Herbst blitzschnell ausgenutzt wurde. Eine der wichtigsten Folgen der Gegenoffensive: Die Millionenstadt Charkiw wird seither weniger oft beschossen, weil sie sich nicht mehr in Reichweite der russischen Artillerie befindet.
Vor dem Februar 2022 glaubte Syrskyj nicht wirklich daran, dass die Russen eine derart massive Invasion tatsächlich wagen würden. Illusionen über Russland machte er sich zwar nicht, aber er glaubte, dass sich die Kampfhandlungen auf den Osten des Landes beschränken würden. Trotzdem bereitete er die Kiew auf einen möglichen Angriff vor. „Wir sind Militärs. Was auch immer ich geglaubt oder nicht geglaubt habe: Ich habe das gemacht, was notwendig war“, sagte er der „Washington Post“.
Selenkyj verlieh ihm die höchste Auszeichnung: „Held der Ukraine“
Zur Vorbereitung auf den Angriff gehörte die Errichtung von zwei Verteidigungsringen um Kiew herum. Deren Grenzen wurden unter den Generälen aufgeteilt. Taktische Entscheidungen vor Ort durften nur sie treffen. Syrskyj ließ Flugzeuge, Hubschrauber und Flugabwehrsysteme an andere Orte verlegen, damit die Russen sie nicht aus der Luft angreifen konnten – gerade noch rechtzeitig, wie sich herausstellte.
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Nicht alles klappte reibungslos, doch im Prinzip waren es Syrskyjs Entscheidungen, die dazu führten, dass Russland nicht wie gehofft die Kiewer Flugabwehr ausschalten konnte. Als es im März dann kritisch wurde, entschied sich Syrskyj, einen Damm am Fluss Irpin zu sprengen, um russische Stellungen zu überfluten und ihre Pontonbrücke zu zerstören. Am Ende zogen sich die Russen aus den Gegenden vor Kiew zurück.
Es war der erste große Sieg der Ukrainer in diesem Krieg – und er trägt die Handschrift eines russischstämmigen Generals. Für seine Rolle bei der Verteidigung Kiews verlieh ihm der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die höchste Auszeichnung: „Held der Ukraine“. Syrskyj ist keiner, der sich auf diesen Lorbeeren ausruht.
Land | Ukraine |
Kontinent | Europa |
Hauptstadt | Kiew |
Fläche | 603.700 Quadratkilometer (inklusive Ostukraine und Krim) |
Einwohner | ca. 41 Millionen |
Staatsoberhaupt | Präsident Wolodymyr Selenskyj |
Regierungschef | Ministerpräsident Denys Schmyhal |
Unabhängigkeit | 24. August 1991 (von der Sowjetunion) |
Sprache | Ukrainisch |
Währung | Hrywnja |
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