Sonneberg. In Sonneberg wurde der AfD-Kandidat Robert Sesselmann zum Landrat gewählt. Es ist das erste kommunale Spitzenamt für die AfD.

Am Ende hatte sich sogar Berliner Prominenz eingeschaltet und zur Wahl des CDU-Kandidaten aufgerufen. Katrin Göring-Eckard zum Beispiel, die grüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags. Oder Lars Klingbeil, der SPD- Vorsitzende. Auch FDP und Linke appellierten an die Bürger, dieses Mal christdemokratisch zu wählen.
Genutzt hat es nichts: Erstmals in Deutschland wird die AfD einen Landrat stellen.

Bei der Stichwahl im südthüringischen Landkreis Sonneberg obsiegte am Sonntag AfD-Kandidat Robert Sesselmann mit 52,8 Prozent der Stimmen. Der amtierende Landrat Jürgen Köpper von der CDU kam nur auf 47,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 59,6 Prozent.


Die Stichwahl war notwendig geworden, weil beim ersten Durchgang Mitte Juni keiner der vier antretenden Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte. AfD-Vertreter Sesselmann fehlten dafür ehedem nur wenige Prozentpunkte, was die anderen Parteien in Thüringen und auch im Bund in Alarmstimmung versetzte. CDU-Mann Köpper folgte im ersten Durchgang weit abgeschlagen auf Platz zwei. Die AfD im Freistaat mit Landeschef Björn Höcke an der Spitze wird vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft und beobachtet.

AfD: In den Umfragen geht es derzeit stetig bergauf

Björn Höcke (AfD, l), Robert Sesselmann (AfD,M), Stephan Brandner (AfD, 3.v.l.) und Tino Chrupalla (AfD,2.v.r) stehen im Garten des Restaurants Frankenbaude in Sonneberg bei der AfD-Wahlparty.
Björn Höcke (AfD, l), Robert Sesselmann (AfD,M), Stephan Brandner (AfD, 3.v.l.) und Tino Chrupalla (AfD,2.v.r) stehen im Garten des Restaurants Frankenbaude in Sonneberg bei der AfD-Wahlparty. © Martin Schutt/dpa

Vor der Stichwahl am Sonntag gaben die anderen demokratischen Parteien nicht nur direkte Wahlempfehlungen zugunsten des CDU-Kandidaten ab. Sie riefen die Bürger auch verstärkt auf, überhaupt zur Wahl zu gehen – um so mit einer hohen Wahlbeteiligung die Wahrscheinlichkeit zu vermindern, dass der AfD-Vertreter gewinnt. Doch auch dieser Appell änderte nicht den Lauf der Dinge: Die Wahlbeteiligung war zwar deutlich höher als in der ersten Runde, doch profitierte der CDU-Bewerber davon kaum.

Lesen Sie den Kommentar: AfD in Ostdeutschland - Ein Stresstest für die Demokratie

Der Landkreis Sonneberg, direkt an der Grenze zu Bayern gelegen, gehört mit knapp 60.000 Einwohnern zu den kleinsten in Deutschland. Für die AfD ist der Sieg dort aber gleichwohl ein wichtiger Erfolg, der bundesweit ausstrahlt. Sie kann jetzt darauf verweisen, dass sie breit in der Bevölkerung verankert ist und sogar Mehrheiten hinter sich versammeln kann.

In bundesweiten Umfragen geben zurzeit rund ein Fünftel der Befragten an, dass sie AfD wählen würden. Die Partei liegt damit inzwischen sogar vor der Kanzlerpartei SPD. In den ostdeutschen Ländern ist die AfD noch stärker und führt mitunter die Umfragen an. In Thüringen, Sachsen und Brandenburg werden im kommenden Jahr neue Landtage gewählt. Doch die Ambitionen der Partei beschränken sich längst nicht auf die kommunale und die Landesebene: In der vergangenen Woche hatte AfD-Bundeschefin Alice Weidel angekündigt, dass die Partei bei der kommenden Bundestagswahl einen eigenen Kanzlerkandidaten aufstellen werde.

Sonneberg: In Sachen Flüchtlinge hat der Landrat wenig zu melden

Der Co-Chef der Thüringer AfD, Stefan Möller, hatte vor der Stichwahl im Landkreis Sonneberg gesagt: „Wir können bei einem Wahlerfolg beweisen, dass mit der AfD die Welt nicht untergeht, dass nicht das Dritte Reich ausbricht, sondern das Gegenteil der Fall sein wird.“ In den vergangenen Wochen war die Partei beim Versuch gescheitert, den Posten des Oberbürgermeisters in Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt Schwerin und den des Landrats im brandenburgischen Kreis Oder-Spree zu erringen.

Im Wahlkampf im Landkreis Sonneberg setzte AfD-Kandidat Sesselmann stark auf bundespolitische Themen, die die Menschen bewegen, bei denen ein Landrat aber keine Gestaltungsmöglichkeiten hat. Er machte sich die Unzufriedenheit mit der Berliner Ampel-Koalition zunutze und brachte auf diese Weise viele Protestwähler an die Urnen. So ging es im Wahlkampf beispielsweise um das umstrittene Heizungsgesetz oder die Flüchtlingspolitik. „Gestalten statt verwalten!“, war das Wahlkampf-Motto Sesselmanns. CDU-Bewerber Köpper hingegen warb mit „Verlässlichkeit statt Experimente!“ Sesselmann wird jetzt sechs Jahre lang die Kreisverwaltung führen.

Wahlplakate in Sonneberg: Bei der Stichwahl um das Amt des Landrats stellten sich SPD, Grüne, FDP und Linke hinter den CDU-Kandidaten Jürgen Köpper.
Wahlplakate in Sonneberg: Bei der Stichwahl um das Amt des Landrats stellten sich SPD, Grüne, FDP und Linke hinter den CDU-Kandidaten Jürgen Köpper. © dpa | Martin Schutt

Ein Landrat ist in Deutschland ein so genannter Wahlbeamter – viel mehr ein Verwalter als eine politische Figur. In Thüringen und anderswo muss ein Landrat Beschlüsse des Kreistages ausführen. Da geht es beispielsweise um Bau oder Sanierung von Straßen und Schulen, um den öffentlichen Nahverkehr, die Müllabfuhr oder die Volkshochschule. Darüber hinaus müssen Landkreise – und mit ihnen der Landrat – Aufgaben erledigen, die der Bund und das Land ihnen übertragen. Das betrifft beispielsweise die Unterbringung von Flüchtlingen, den öffentlichen Gesundheitsdienst oder die Zulassung von Autos.

Die Landkreise können sich hier nicht verweigern oder die Vorgaben der Bundes- beziehungsweise Landesebene sabotieren. Mitunter gibt es Streit ums Geld – wie etwa gegenwärtig bei der Flüchtlingsfinanzierung. Diesen Streit fechten aber nicht die einzelnen Landkreise selbst aus, sondern ihre Verbände und die Landesregierungen. Im speziellen Fall des Landkreises Sonneberg könnte sich künftige AfD-Landrat auch nicht sperren, weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Denn die werden in Thüringen nach einer festen Quote auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt.

Sonnebergs künftiger Landrat, Jahrgang 1973, ist von Hause aus Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei in Sonneberg. Seit 2019 sitzt er für die AfD im Thüringer Landtag. Als Beisitzer gehört er auch dem Vorstand der Landespartei an.