Berlin. Zum 1. Juli steigt der Beitrag für die Pflegeversicherung. Was sich für Familien mit Kindern ändert – und wer genau hinschauen sollte.

Wer Kinder hat, muss weniger in die Pflegekasse einzahlen. Das Grundprinzip gilt schon lange. Zum 1. Juli wird der Faktor Familie in der staatlichen Pflegeversicherung jedoch noch deutlich wirksamer. Der Basisbeitrag für Kinderlose und Ein-Kind-Familien steigt, Beschäftigte mit mehreren Kindern werden entlastet. Was die neuen Regelungen für eine Durchschnittsfamilie bedeuten – und wie viel Geld jetzt zusätzlich in der Haushaltskasse bleibt.

Pflegeversicherung: Was ändert sich für wen?

Ab 1. Juli steigt der allgemeine Beitragssatz zur Pflegeversicherung von 3,05 Prozent des Bruttolohns auf 3,4 Prozent. Er wird je zur Hälfte von Arbeitnehmern und Arbeitgebern gezahlt. Wer ein Kind hat, muss also künftig 1,7 Prozent an den Staat abtreten. Kinderlose Arbeitnehmer zahlen jetzt schon 0,35 Prozentpunkte mehr als Beschäftigte mit Kindern; dieser Zusatzbeitrag wird jetzt auf 0,6 Prozentpunkte erhöht, sodass Kinderlose künftig einen Gesamtbeitrag von 4 Prozent zahlen. Der Arbeitgeber übernimmt auch hier 1,7 Prozent.

Anders läuft es bei Familien mit mehreren Kindern:

  • Vom zweiten Kind an gibt es pro Kind eine Beitragsreduzierung von 0,25 Prozentpunkten.
  • Beschäftigte mit zwei Kindern müssen deswegen nur noch einen Beitragssatz von 3,15 Prozentpunkten zahlen.
  • Bei drei Kindern sind es nur noch 2,9 Prozentpunkte, bei vier Kindern 2,65.

Da der Arbeitgeberanteil in allen drei Fällen bei 1,7 Prozentpunkten bleibt, bekommen Familien bereits mit dem zweiten Kind ab 1. Juli eine faktische Beitragsentlastung. Das Bundesverfassungsgericht hatte im vergangenen Jahr den Gesetzgeber beauftragt, bis Mitte des Jahres Eltern mit mehreren Kindern bei der Bemessung der Beiträge im Vergleich zu Kinderlosen deutlicher zu bevorzugen als heute.

Beispielrechnung zur Pflegeversicherung: Wie viel Geld bleibt im Portemonnaie?

Schaut man nur auf die Entwicklung des Pflegebeitrags, ist der familienpolitische Effekt der Regelung sichtbar. Eine Mutter oder ein Vater mit zwei Kindern unter 25 Jahren muss ab 1. Juli einen geringeren Beitrag zahlen: Bei einem Bruttogehalt von 3000 Euro bleiben ihr oder ihm nach Berechnungen von Finanztip jeden Monat 2,25 Euro mehr im Geldbeutel, also 27 Euro pro Jahr, der Monatsbeitrag zur Pflege reduziert sich von 45,75 Euro auf 43,50 Euro.

Je mehr Kinder unter 25 Jahren zur Familie gehören, desto größer wird die Entlastung. Sobald alle Kinder über 25 Jahre alt sind, entfällt jedoch die Extraentlastung für Kinderreiche wieder. Von diesem Zeitpunkt an wird der oder die Beschäftigte wieder behandelt wie Beschäftigte mit einem Kind.

Am 1. Juli steigt der allgemeine Beitragssatz für die Pflegeversicherung.
Am 1. Juli steigt der allgemeine Beitragssatz für die Pflegeversicherung. © dpa | Monika Skolimowska

Bei Kinderlosen mit einem Bruttogehalt von 3000 Euro behält der Arbeitgeber dagegen statt der bisherigen 56,25 Euro dann 69 Euro vom Lohn für die Pflegekasse ein. Damit landen jeden Monat 12,75 Euro weniger im Geldbeutel, aufs Jahr gerechnet sind es 153 Euro. Ein alleinstehender Durchschnittsverdiener (48.000 Euro Bruttoeinkommen) muss im kommenden Jahr nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) rund 200 Euro mehr zahlen.

Pflegebeiträge: Welchen Effekt haben sie auf die Einkommensteuer?

Der Effekt ist groß. Denn: „Da die Pflichtbeiträge komplett steuerlich abzugsfähig sind, reduziert sich in der Folge das zu versteuernde Einkommen und damit die zu zahlende Einkommensteuer“, heißt es in einer IW-Studie, die dieser Redaktion vorliegt. Mit anderen Worten: Steigt der Beitrag zur Pflegeversicherung, steigt gleichzeitig auch die Entlastung durch die Einkommenssteuer.

Im Fall eines alleinstehenden Durchschnittsverdieners mit 48.000 Euro Bruttojahreseinkommen führt dies dazu, dass die Beitragserhöhung de facto abgefedert wird: Der im 2. Halbjahr 2023 um 102 Euro steigende Pflegebeitrag würde zu knapp einem Drittel durch die Einkommensteuer kompensiert. Das Nettoeinkommen falle im zweiten Halbjahr folglich insgesamt nur um 69 Euro statt um 102 Euro geringer aus. Weniger Steuern durch einen höheren Pflegebeitrag würde auch eine Alleinerziehende mit einem Kind und einem Einkommen von 30.000 Euro zahlen. Das gleich gelte für eine Familie mit einem Kind und einem Einkommen von 60.000 Euro.

Bei Familien ab zwei Kindern dagegen kann die Einkommensteuerzahlung aufgrund des geringeren Pflegebeitrags steigen – unterm Strich bleibt in der Regel aber immer noch ein Entlastungseffekt. Eine Familie mit einem Jahresbruttoeinkommen von 60.000 Euro und zwei Kindern würde durch die Beitragssenkung im zweiten Halbjahr 2023 auf diese Weise statt 23 Euro nur 19 Euro Netto-Ersparnis haben.

Pflegeversicherung: Warum werden die Beiträge erhöht?

Die Beitragserhöhung zum 1. Juli soll die gestiegenen Kosten in der Pflege abfedern und die Finanzierung fairer gestalten. Das Bundesgesundheitsministerium rechnet dadurch mit Mehreinnahmen in Höhe von rund 6,6 Milliarden Euro im Jahr. Eine Summe, die dadurch relativiert wird, dass gleichzeitig Steuereinnahmen in Milliardenhöhe wegfallen: „Insgesamt fließt knapp ein Drittel der höheren Sozialbeiträge, also rund zwei Milliarden Euro, in Form geringerer Steuern an die Beitragszahler und ihre Arbeitgeber zurück“, heißt es in der IW-Studie. Die Anhebung der Pflegebeiträge führe für den Staat unterm Strich also nur zu einem Einnahmeplus von rund 4 Milliarden Euro.