Berlin. Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland ist deutlich gestiegen. Innenministerin Faeser nennt die Situation “unerträglich“.

Die Zahlen sind erschreckend: In Deutschland hat die Zahl der angezeigten Fälle von häuslicher Gewalt im vergangenen Jahr offenbar deutlich zugenommen. Das berichtet die "Welt am Sonntag" unter Berufung auf die Innenministerien und die Landeskriminalämter der 16 deutschen Bundesländer. Demnach wurden von der Polizei im vergangenen Jahr bundesweit 179.179 Opfer registriert – laut "Welt" eine Zunahme von 9,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Mit rund zwei Dritteln ist die Mehrzahl der Opfer weiblich, aber auch bei den Männern ist eine Zunahme zu beobachten. Insgesamt dürften die Zahlen noch höher liegen als angegeben: Es wird von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen, weil viele Betroffene sich nicht trauen, die Vorfälle anzuzeigen. Als Täter werden in dem Zeitungsbericht (Ex-)Partnerinnen und -Partner sowie Familienangehörige genannt. In einigen Ländern wird häusliche Gewalt jedoch explizit als "Partnergewalt" definiert. Inwieweit diese Einschränkung der Täterschaft bei den "Welt"-Recherchen eine Rolle gespielt hat, ist unklar.

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Häusliche Gewalt: Deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern

Auffällig sind in dem Bericht der Zeitung die großen Unterschiede zwischen den Bundesländern: Den größten Anstieg verzeichnete mit 19,7 Prozent das Saarland. In Minus gab es dagegen nur in Bremen, wo die Zahl der Opfer um 13,6 Prozent sank.

BundeslandOpfer häuslicher Gewalt 2022Veränderung zu 2021
Baden-Württemberg13.239+ 13,1 Prozent
Bayern21.326+ 10,5 Prozent
Berlin17.263+ 10,4 Prozent
Brandenburg5065+ 3,1 Prozent
Bremen2615- 13,6 Prozent
Hamburg5141+ 1,6 Prozent
Hessen10.780+ 8,9 Prozent
Mecklenburg-Vorpommern2118+ 8,2 Prozent
Niedersachsen24.742+ 10,4 Prozent
Nordrhein-Westfalen37.141+ 8,5 Prozent
Rheinland-Pfalz8943+ 8,3 Prozent
Saarland3178+ 19,7 Prozent
Sachsen9381+ 10,6 Prozent
Sachsen-Anhalt7329+ 9,6 Prozent
Schleswig-Holstein5376+ 7,6 Prozent
Thüringen3812+ 18,1 Prozent
Gesamt179.179+ 9,3 Prozent

Die Daten der Länder sollen laut "Welt am Sonntag" in ein Lagebild einfließen, das vom Bundeskriminalamt 2023 erstmals erstellt und am 3. Juli von dessen Präsident Holger Münch, Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Familienministerin Lisa Paus (Grüne) in Berlin vorgestellt wird. Zudem werde derzeit eine große sogenannte Dunkelfeldstudie erarbeitet.

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Bundesregierung arbeitet an Koordinierungsstelle gegen häusliche Gewalt

Die beiden Ministerinnen äußerten sich bereits zu den nun veröffentlichten Daten. Scham- und Schuldgefühle der Betroffenen führten häufig dazu, dass die Taten im Dunkeln blieben und nur selten polizeilich angezeigt würden, erklärte Paus gegenüber der "Welt am Sonntag". Sie plane aktuell eine staatliche Koordinierungsstelle, die häusliche Gewalt ressortübergreifend bekämpfen soll.

"Es ist unerträglich, wenn Betroffene von häuslicher Gewalt aus Scham schweigen. Wir müssen sie stärken, die Taten anzuzeigen, damit mehr Täter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden können", sagte Faeser der Deutschen Presse-Agentur (dpa). (nfz/afp/dpa)

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