Hiroshima. Nach langem Zögern kommen die USA der Ukraine in der Kampfjet-Frage entgegen. Was ist geplant? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Durch den Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel in Japan ist ein Thema in den Fokus gerückt, das nicht auf der offiziellen Tagesordnung des Treffens stand: Die Forderung der Ukraine nach westlichen Kampfjets. Selenskyj warb in Hiroshima in zahlreichen Gesprächen mit den anwesenden Staats- und Regierungschefs für die Unterstützung seines Landes im Krieg gegen Russland. Bis ukrainische Piloten in westlichen Kampfjets ihr Land verteidigen, dürfte aber noch eine Weile vergehen.

Was will die Ukraine?

Die Regierung in Kiew fordert die Lieferung westlicher Kampfjets vom Typ F-16. Die Maschinen aus US-Produktion des Herstellers Lockheed Martin gelten als sehr leistungsfähig und sind weit verbreitet – beides gute Gründe für die Ukraine auf diese Flugzeuge zu setzen. Schließlich sind dann weniger Probleme mit Reparaturen und bei der Ersatzteilbeschaffung zu erwarten. Weltweit waren zuletzt mehr als 2800 F-16-Exemplare im Einsatz, die meisten davon in den USA. Neben den USA könnten etwa auch die Nato-Staaten Niederlande, Belgien, Polen, Dänemark und Griechenland solche Flugzeuge an die Ukraine abgeben.

Gibt es schon konkrete Zusagen?

Nein. Die USA haben aber auf dem Gipfel der sieben demokratischen Industrienationen in Japan ihre Unterstützung für die Koalition angekündigt. Einerseits will die Regierung von US-Präsident anderen Ländern nicht im Wege stehen, wenn sie die in den USA gefertigten Jets an die Ukraine weitergeben. Eine Zustimmung ist hier genauso erforderlich, wie in dem Fall der in Deutschland produzierten Leopard-Panzer. Der Lieferung der Kampfpanzer an die Ukraine musste die Bundesregierung zustimmen. Die US-Regierung hat andererseits grünes Licht für die Ausbildung ukrainischer Piloten in den US-Flugzeugen gegeben. Erst am Ende soll entschieden werden, wann und wie viele Flugzeuge von wem geliefert werden.

US-Präsident Joe Biden geht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor einer Arbeitssitzung zur Situation in der Ukraine während des G7-Gipfels in Hiroshima.
US-Präsident Joe Biden geht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor einer Arbeitssitzung zur Situation in der Ukraine während des G7-Gipfels in Hiroshima. © Susan Walsh/AP Pool/dpa

Wie schnell kann das gehen?

Die Ausbildung ukrainischer Piloten dürfte mehrere Monate in Anspruch nehmen. Bezogen auf die Ankündigung Bidens sagte Selenskyj in Hiroshima dem ZDF: „Ich glaube, die Entscheidung bedeutet nicht, dass wir all diese Verteidigungsmittel morgen haben werden. Wir müssen uns vorbereiten. Aber trotzdem: Es ist ein großartiger Beschluss.“ Er sei „sehr glücklich“, fügte der als Überraschungsgast nach Japan gereiste ukrainische Staatschef hinzu.

Die Kampfjetkoalition sei ein „längerfristiges Projekt“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am letzten Tag des G7-Gipfeltreffens im Japan. Scholz sieht in der Initiative zum jetzigen Zeitpunkt in erster Linie ein Signal an den russischen Präsidenten Wladimir Putin: „Nämlich, dass Russland nicht daraufsetzen soll, dass es, wenn es lange genug durchhält, am Ende die Unterstützung der Ukraine nachlässt.“ Scholz fügte hinzu: „Die Botschaft, die von hier aus gesendet wird: Russland muss den Krieg beenden und Truppen zurückziehen. Und wir werden die Ukraine so lange unterstützen, wie das erforderlich ist“

Will Deutschland sich an der Koalition beteiligen?

Deutschland besitzt keine F-16 und könnte sich somit auch nicht mit diesen Maschinen an der Kampfjetkoalition beteiligen. Die Bundeswehr hat Eurofighter und Tornados im Einsatz. Gefragt nach einer deutschen Unterstützung verweist der Bundeskanzler in Japan auf die anderweitige militärische Hilfe für die Ukraine: „Wir sind nach den USA der größte Unterstützer, was finanzielle Unterstützung betrifft, humanitäre Unterstützung, aber auch Waffenlieferungen.“ Deutschland hat unter anderem Panzer, Panzerhaubitzen und Gerät zur Luftverteidigung an die Ukraine weitergegeben. Diese Waffen seien notwendig „für den aktuell anstehenden Versuch“ der Ukraine, in einer Gegenoffensive von Russland erobertes Territorium zu befreien.

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Könnte Deutschland die Koalition anderweitig unterstützen?

Großbritannien und Frankreich setzen sich für die Kampfjet-Initiative ein, obwohl sie ebenfalls keine F-16-Maschinen besitzen. Beide wollen aber bei der Ausbildung helfen, Frankreich könnte sich in der Grundausbildung ukrainischer Piloten engagieren, die sei schließlich weltweit gleich, heißt es aus französischen Regierungskreisen. Scholz hält sich in der Frage zurück. Die Haltung des Kanzlers gegenüber dem Projekt ist wohl eher skeptisch, in der Vergangenheit hatte Scholz sich ausdrücklich ablehnend zur Lieferung von westlichen Kampfjets geäußert. Denkbar ist aber, dass die Ausbildung ukrainischer Piloten auch auf US-Stützpunkten in Deutschland stattfinden könnte.

Welchen Unterschied können die Kampfjets machen?

Wie bereits die Lieferung von Kampfpanzern wäre die Ausrüstung der Ukraine mit westlichen Kampfjets eine neue Qualität. „F-16 werden es uns ermöglichen, unseren Himmel zu kontrollieren, unsere Truppen zu schützen, ihre Verluste zu reduzieren und die Chancen unserer Piloten zu erhöhen, Luftkämpfe zu überleben“, schrieb der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba jüngst in einem Gastbeitrag für das US-Fachmagazin „Foreign Policy“.

Wenn die Ukraine Kampfflugzeuge in ausreichender Zahl und mit ausreichender Geschwindigkeit bekomme, könne sie damit besetzte Gebiete verteidigen und zurückzuerobern, da sie „die dringend benötigte Fähigkeit zum Angriff aus der Distanz zur Unterstützung von Verteidigungs- und Gegenoffensivoperationen bieten“, sagte der Analyst Gordon Davis von der Denkfabrik Center for European Policy Analysis (CEPA). Mögliche Ziele seien russische Kommando- und Kommunikationsposten oder Versorgungseinrichtungen. Westliche Kampfjets könnten russische MiG-Jets besiegen und mit dem richtigen Radar und der richtigen Munition auch Drohnen und Marschflugkörper ausschalten, erwartet Davis.

Welche Bedenken gibt es?

Die USA hatten sich bisher gegen die Forderung der Ukraine nach Kampfjets gesperrt. Hintergrund waren Befürchtungen, dass die Ukraine damit Ziele auf russischem Gebiet angreifen könnte. Scholz hatte in der Debatte um Waffenlieferungen stets betont, dass Schritt für Schritt vorangegangen werden solle, um eine Eskalation des Konflikts mit Russland zu vermeiden.

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