Moskau. Seit Tagen ist der belarussische Machthaber Lukaschenko nicht mehr öffentlich aufgetreten – der Grund: eine rätselhafte Krankheit.

Rätselraten um die Erkrankung des belarussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko – des „letzten Diktators Europas“, wie er oft bezeichnet wird. Ukrainische Medien berichten, er sei ins Krankenhaus gebracht worden. Von einer Operation ist die Rede, die er aber gut überstanden habe.

Der im Exil lebende Oppositionspolitiker Pawel Latuschko, ehemals Kulturminister in Belarus, sagt hingegen, Lukaschenko sei offensichtlich sehr ernsthaft krank. „Er kann schon nicht einmal mehr ein paar hundert Meter gehen, kann keine Reden mehr halten, kann nicht mal mehr gerade auf der Tribüne stehen – wankend vor Schwäche“, so Latuschko.

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Auch der russische Duma-Abgeordnete Konstantin Satulin bestätigte die Erkrankung. Es sei nichts Außergewöhnliches, auch kein Covid. „Der Mensch ist einfach erkrankt.“ Woran, das wollte Satulin nicht verraten. Auf Journalistenfragen tritt Kreml-Sprecher Dmitri Peskow Spekulationen entgegen: „Wir müssen uns auf offizielle Berichte konzentrieren“, so Peskow. „Aus Minsk gab es keine derartigen offiziellen Mitteilungen.“

Lukaschenko: Vorzeitiger Abflug aus Moskau – keine Rede am Siegesdenkmal

Zum ersten Mal seit 29 Jahren ist der 68-jährige Lukaschenko am Sonntag in Minsk dem Festakt zum Tag der belarussischen Staatsflagge ferngeblieben, ließ sich bei den Feierlichkeiten von Regierungschef Roman Golowtschenko vertreten. Das Staatsfernsehen zeigt schon seit Tagen keine aktuellen Bilder des Staatschefs mehr. Zuletzt hatte Lukaschenko am 9. Mai die Militärparade zur Erinnerung an den Sieg der Sowjetarmee über Nazideutschland im Zweiten Weltkrieg besucht. Bereits da wirkte er angeschlagen.

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Er verpasste ein informelles Frühstück mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, brach vorzeitig nach Minsk auf. Am selben Tag erschien Lukaschenko bei der Blumenniederlegung am Siegesdenkmal in der belarussischen Hauptstadt, doch die obligatorische Rede hielt sein Verteidigungsminister.

Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (Mitte) bei der Militärparade am 9. Mai in Moskau.
Der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (Mitte) bei der Militärparade am 9. Mai in Moskau. © dpa | Gavriil Grigorov

Lukaschenko ist der zentrale Dreh- und Angelpunkt des politischen Lebens in Belarus. Sein Verbleib im Amt nach den Protesten Hunderttausender gegen die manipulierte Präsidentenwahl 2020 hatte er vor allem auch der Unterstützung durch Putin zu verdanken. Belarus ist seither mehr denn je wirtschaftlich und finanziell von Russland abhängig.

Widerstand gegen Putins „Spezialoperation“ auch in Belarus

Seit Beginn der Kämpfe in der Ukraine dient das Land den russischen Truppen als Aufmarschgebiet. Über Belarus kommt Nachschub, Soldaten werden dort ausgebildet. Russland stationiert Atomraketen in dem Land. Allerdings ist die Zustimmung zu Putins „Spezialoperation“ in der belarussischen Bevölkerung nicht allzu hoch. Im Land wächst der Widerstand. Selbst ernannte „Cyber-Partisanen“ setzten zuletzt durch Hacker-Angriffe die Infrastruktur der Eisenbahn – etwa Signalanlagen und Relaisschränke – außer Betrieb.

Das belarussische Innenministerium sprach von Terrorakten, die Opposition nannte es „Schienenkrieg“, in Anlehnung an den Partisanenmythos des Zweiten Weltkrieges. Damals sprengten sowjetische Partisanen im Kampf gegen die deutsche Wehrmacht Schienenstränge im Hinterland in die Luft.

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