Berlin. Neurechte Gruppen wie die „Junge Alternative“ und „Ein Prozent“ bauen eine Parallelwelt auf. Zeit, dass der Staat dagegen vorgeht.

Die AfD hat einen Lieblingsfeind: die angeblichen „Mainstream-Medien“. Im vergangenen Sommer auf dem letzten Bundes-Treffen der Rechtsaußen-Partei machen die Rednerinnen und Redner Stimmung gegen das angebliche „Meinungskartell“ in Deutschland, das die AfD „totschweige“. Einer spricht sogar vom „Medien-Krieg“.

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Die AfD-Delegierten sind – wie so oft in der Geschichte der Partei – auf dem Treffen ziemlich zerstritten, finden kaum einen Kurs, debattieren mehr um Posten als um Inhalte. Doch in einem ist die AfD geschlossen: Sie will „alternative Medien“ aufbauen. Über Internetplattformen wie Youtube und Facebook, über Messengerdienste wie Telegram. Von einem „alternativen Vorfeld“ der Partei ist die Rede, das „eigene Medien“ etablieren müsse. Dort entsteht eine gefährliche Gegenkultur. Es ist eine Parallelwelt der Hetzer und Populisten, getrieben vor allem von Ressentiments.

Funke Medien Gruppe / Mitarbeiter: Christian Unger
Funke Medien Gruppe / Mitarbeiter: Christian Unger © Reto Klar | Reto Klar

Zentrale Organisation in dieser Strategie der AfD ist auch „Ein Prozent“. Es ist ein Kampagnennetzwerk um den radikalen Verleger Philipp Stein mit Sitz in Sachsen, das sich als „Widerstandsnetzwerk“ versteht, vor allem aber ein völkisch-nationalistisches Propaganda-Instrument ist. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft nun die Gruppe „Ein Prozent“ als „gesichert rechtsextrem“ ein. Bisher war die Clique nur ein „Verdachtsfall“.

Es hat sich eine Parallelgesellschaft der Ideologen etabliert

Ebenfalls im Visier des Geheimdienstes: das „Institut für Staatspolitik“ in Schnellroda, Sachsen-Anhalt. Es ist eine neurechte „Denkfabrik“ unter dem Ideologen Götz Kubitschek. Das „Institut“ ist eng vernetzt mit dem radikalen Flügel in der AfD, mit rechtsextremen Gruppen wie der „Identitären Bewegung“ – und auch mit der „Jungen Alternative“ (JA), der Jugendorganisation der AfD. Auch die JA ist nun stärker unter Beobachtung des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

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Eigentlich fragt man sich: Warum erst jetzt „gesicherte“ Erkenntnisse der Nachrichtendienste für den Extremismus dieser Gruppierungen vorliegen? Schon länger sind sie „Verdachtsfälle“ des Verfassungsschutzes. Immer wieder zeigen Recherchen, wie radikal Teile des neurechten Milieus agieren. Die AfD ist längst zu ihrem parlamentarischen Arm geworden.

Doch das, was die Partei im Bundestag propagiert und inszeniert, ist nur die Spitze eines braunen Eisbergs. Längst haben sich vor allem in Ostdeutschland Gruppen junger rechter Aktivisten, extremistische Vereine wie „Zukunft Heimat“, sogenannte Querdenker und Reichsbürger, aber eben auch Teile der selbsternannten „Alternative für Deutschland“ vernetzt. Es hat sich eine Parallelgesellschaft der Ideologen etabliert.

Einstufung als „rechtsextrem“ ist ein Signal, reicht aber nicht

Das Gefährliche ist: Diese Szene wirkt – auch und gerade mit ihren „alternativen Medien“. Parolen in Videos und Artikeln reichen bis in die „Mitte“ Deutschlands und prägen Vorurteile, Rassismus und Feindbilder. Die neue Rechte ist eine Polarisierungs-Maschine in einer ohnehin angespannten Zeit zwischen Inflation, Ukraine-Krieg und Fluchtkrise. Die Einstufung als „rechtsextrem“ ist vor allem ein Signal. Das aber reicht nicht.

Die Gesellschaft muss extremistischen Gegenkulturen entgegentreten: mit Bildung und Aufklärung. Mit Widerspruch gegen Hetzer – nicht nur, wenn die AfD-Radikalen im Bundestag reden, sondern auch bei Debatten auf Facebook und Twitter. Der Kampf um Meinungshoheit entscheidet sich auf der Straße bei Demonstrationen und Gegen-Demonstrationen. Er entscheidet sich aber auch in digitalen Foren.

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