Washington. Eine Verschärfung des Waffenrechts in den USA ist längst überfällig. Politiker, die sich dagegen sperren, vergehen sich am Gemeinwesen.

Die Neigung in Amerika, sich nach Schusswaffen-Tragödien auf Nebenkriegsschauplätze zu verlegen, um von dem eigentlichen Problem abzulenken, dem Elend unbegrenzt verfügbarer Waffen in Privatbesitz, hat nach der Tragödie von Nashville eine neue Note bekommen.

Zwischenruf: Das war die 90. Schießerei an einer US-Schule in diesem Jahr. 2022 gab es über 300 solcher Ereignisse, bei der das Wichtigste einer Gesellschaft zu Schaden kam: Kinder.

Rechtspopulistische Republikaner sehen den Umstand, dass sich die 28-jährige Täterin laut Polizei offenbar in einem Transformationsprozess befand und sich als männlich definierte, als Hebel, um gegen die Transgender-Gemeinde und das dahinter stehende links-liberale Gesellschafts-Klima zu agitieren.

So stellte die Ex-Präsident Donald Trump treu ergebene und zuletzt einflussreich gewordene Abgeordnete Marjorie Taylor Greene vorlaut die Frage, wie viel männliche Hormone und Medikamente gegen psychische Störungen die Täterin Audrey Hale bekommen habe. Ihre Stoßrichtung: „Jeder kann nun aufhören, Waffen die Schuld zu geben.” Was für eine Arroganz.

Hintergrund: Schießerei an US-Schule – Sechs Opfer und Täterin tot

Ganz davon abgesehen, dass die Polizei zwar untersucht aber bisher keine eindeutige Verbindung zwischen Tat, einem zurückgelassenen Manifest und gefühlter Geschlechts-Identität der Täterin hergestellt hat – diese politische Instrumentalisierung ist brandgefährlich. Frau Taylor Greene weiß nichts über die individuellen Lebensumstände der Frau.

Menschen, die sich nicht mehr mit und in ihrem biologischen Geschlecht bei Geburt wohlfühlen, sind in den Vereinigten Staaten großen Ressentiments und teilweise schweren Belästigungen ausgesetzt. Sie enden nicht selten im Suizid.

Es gibt erste Hinweise, dass sich Audrey Hale kurz vor der Tat gegenüber einer Freundin in einer Art Abschieds-SMS entsprechend geäußert hat.

Warum die junge Frau drei unschuldige Kinder und drei Erwachsene mit in den Tod nahm, bleibt darum vorläufig ein Rätsel. Klar ist dagegen, womit sie es tat: mit zwei semi-militärischen Sturmgewehren, die regelmäßig bei Katastrophen wie der in Nashville zum Einsatz kommen. Und von denen viele Experten und selbst eingefleischte Waffen-Befürworter sagen, dass sie nicht in die Hände von Otto Normalbürgern gehören.

Korrespondent Dirk Hautkapp
Korrespondent Dirk Hautkapp © Privat | Privat

Waffen-Lobby weigert sich zur Verringerung der Gewalt beizutragen

An dieser Stelle kommt die von der Waffen-Lobby „National Rifle Association” (NRA) getriebene Politik rechts der Mitte ins Spiel. Sie verweigert sich konstant, nach einem vertretbaren und verfassungskonformen Weg zu suchen und so zur Verringerung der Waffengewalt beizutragen.

Ruft, wie gerade durch Joe Biden geschehen, ein Demokrat im Weißen Haus nach Reaktivierung eines zu Bill Clintons Zeiten ab 1994 praktizierten Banns von rund 20 militärischen anmutenden, halbautomatischen Pistolen und Sturmgewehren, kommen reflexartig zwei Erwiderungen: Bringt nichts. Und schränkt die Freiheit der Bürger ein.

Dass die Zahl von „mass shootings” in den zehn Jahren bis zum Auslaufen des Verbots 2004, das gewiss kein Allheilmittel war, signifikant zurückging, wird unterschlagen.

Politiker, die das Recht, extrem leistungsstarke und tödliche Waffen zu besitzen und öffentlich zur Schau zu stellen, über das Leben von Schulkindern und ihrer Lehrer stellen, handeln nicht nur irrational und unverantwortlich. Sie vergehen sich am Gemeinwesen. Es ist der ungehinderte Zugang zu solchen Waffen, der auch das nächste Nashville begünstigen wird. Und nicht die Geschlechts-Identität einer jungen Frau, die vielleicht als Mann älter werden wollte.

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