Paris. In Frankreich protestieren Tausende gegen eine Rentenreform. Präsident Macron sollte sie trotzdem durchsetzen, meint Peter Heusch.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron weiß sehr gut, dass seine Rentenreform genauso umstritten ist wie alle, die seine Vorgänger anzupacken wagten. Wenn es um ihren Ruhestand geht, der nach übereinstimmender Meinung gar nicht früh genug kommen kann, werden die Franzosen prinzipiell rebellisch. Und natürlich wusste Macron auch, dass Opposition wie Gewerkschaften das Durchboxen der Reform per Dekret als eine regelrechte Provokation ansehen würden.

An Mut oder Risikofreude freilich hat es diesem 45-jährigen Präsidenten selten gefehlt. So wenig wie an dem Willen, den notorisch renitenten Galliern seinen Reformwillen aufzuzwingen, um das in vieler Hinsicht tatsächlich etwas altmodische Frankreich in eine Start-up-Nation zu verwandeln. Mit diesem Anspruch ist er 2017 angetreten und wurde, was beinahe ein Wunder ist, im vergangenen Jahr wiedergewählt.

Frankreich: An der Rentenreform hängt Macrons Zukunft

Peter Heusch, Frankreich-Korrespondent
Peter Heusch, Frankreich-Korrespondent © n.n.

Seither ist es Macron gelungen, eine ganze Reihe von Strukturreformen in seinem als unreformierbar geltenden Land durchzuführen. Die meisten waren überfällig. Das gilt auch oder erst recht für die Rentenreform. In keinem EU-Mitgliedsstaat ist die Lebenserwartung höher und das Renteneintrittsalter niedriger als in Frankreich. Es kommt hinzu, dass unsere Nachbarn die höchste Durchschnittsrente in der EU beziehen und Paris bereits heute 14 Prozent des Bruttosozialprodukts aufbieten muss, um das Alterssicherungssystem zu finanzieren.

Dass es so nicht weitergehen kann, ist selbst den Franzosen zumindest unterschwellig klar. Der Rentenkasse drohen in den kommenden Jahren Milliardendefizite. Doch das alleine erklärt nicht Macrons eiserne Entschlossenheit. Scheitert die Rentenreform, die er als die Mutter aller Reformen ansieht, würde das nicht nur sein gesamtes Modernisierungsprogramm in Frage stellen. Er droht auch – daheim wie bei den europäischen Partnern – frühzeitig nur noch als eine Ex-Führungspersönlichkeit dazustehen.