Brüssel. Die EU will Millionen Hausbesitzer zur Sanierung verpflichten. Experten warnen: Eine Kostenlawine könne viele Eigentümer überfordern.

Der Druck auf Hausbesitzer zur aufwendigen Energie-Sanierung ihrer Immobilie wird immer größer: Gerade erst gab es Aufregung um das Aus für Öl- und Gasheizungen, jetzt sorgt die EU für neue Unruhe unter Immobilieneignern und ihren Mietern. Das EU-Parlament beschloss am Dienstag Gesetzes-Pläne, die allein in Deutschland nach Expertenschätzungen schnell den Zwang zur energetischen Sanierung von sechs bis acht Millionen älteren Wohngebäuden bedeuten würden – in den nächsten neun Jahren.

In der Mehrzahl geht es um Einfamilienhäuser mit Sanierungskosten ab 10.000 Euro aufwärts, mitunter auch bis zu 100.000 Euro. Ob es wirklich so hart kommt, ist offen - sicher ist vielen Eigentümern älterer Häuser aber wachsende Ungewissheit und mindestens langfristig die Sanierungspflicht. Der Eigentümer-Zentralverband Haus & Grund warnt bereits, dass eine teure Sanierung in manchen Fällen für die Eigner keine Option mehr sei und damit der Traum vom Eigenheim von der Europäischen Union beendet werde.

Aber auch Mieter wären indirekt betroffen, vor allem in größeren Wohngebäudekomplexen. Der CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper befürchtete am Dienstag sogar, aus der Kombination deutscher und europäischer Vorgaben werde es zu einer „Immobilienkrise“ in ländlichen Regionen kommen. Es geht dabei aktuell um eine neue Gebäudeenergieeffizienz-Richtlinie der EU, die bis Ende des Jahres in Brüssel endgültig beschlossen werden soll. Das EU-Parlament stimmte dazu am Dienstag seine Position ab.

Beschluss des EU-Parlaments: Das bedeutet er für Hausbesitzer

Grundlage ist ein Vorschlag der EU-Kommission zum Klimaschutz: Europaweit sollen 30 Prozent aller Gebäude mit der schlechtesten Energiebilanz (hierzulande Klasse G und H) sehr schnell saniert werden - bis 2030 müssen demnach alle Bestandswohnhäuser mindestens die EU-Effizienzklasse F erreichen, bis 2033 die Klasse E. Schon davon wären in Deutschland mehrere Millionen Wohnhäuser betroffen.

Doch das EU-Parlament legte nun noch eins drauf: Danach sollen schon bis 2030 alle Wohnimmobilien die EU-Energieklasse E erreichen, bis 2033 sogar die Klasse D: Das hieße, dass sich der Heizaufwand pro Quadratmeter oft mehr als halbieren müsste, was die bessere Dämmung von Dach und Wänden, neue Fenster oder neue Heizungsanlagen voraussetzt.

45 Prozent der Wohngebäude in Deutschland müssten bis 2033 saniert werden, rechnet der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW) vor. Das sind acht Millionen Häuser. Nach ersten vorsichtigen Kalkulationen, so der Verband, wären nur in Deutschland Investitionen von 125 bis 180 Milliarden Euro pro Jahr notwendig.

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Zwar sieht der Beschluss der Abgeordneten vor, dass Hausbesitzer bei den Sanierungskosten vom Staat unterstützt werden, wofür die EU-Länder theoretisch bereits bestehende Milliarden-Fonds der EU anzapfen könnten; parallel wird ein Schutz vor Zwangsräumungen und drastischen Mieterhöhungen verlangt. Doch konkretisiert ist das alles nicht: Die Umsetzung ist Sache der Mitgliedstaaten, die auf der Basis der EU-Vorgaben auch erst noch nationale Gesetze beschließen müssen.

Sanierungszwang: Das endgültige EU-Gesetz wird erst noch ausgehandelt

Die Regierungen zeigen bisher deutlich weniger Ehrgeiz: Der Rat der EU-Mitgliedstaaten hatte schon im Herbst 2022 seine Position beschlossen und dabei – gegen den Willen von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – die geplanten Sanierungspflichten für private Wohngebäude mit der geringsten Energieeffizienz einfach wieder gestrichen. Stattdessen sollte es nur Verpflichtungen für den Durchschnitt des gesamten Wohngebäudebestandes geben mit Mindestvorgaben auf der Grundlage nationaler Renovierungsstrategien.

Vor allem ältere Eigenheime wären als erstes von den geplanten Sanierungsauflagen betroffen.
Vor allem ältere Eigenheime wären als erstes von den geplanten Sanierungsauflagen betroffen. © dpa-tmn | Jens Schierenbeck

Die Folge: Ähnlich wie bei Tarifverhandlungen dürfte die nun beschlossene Maximal-Forderung des Parlaments nicht durchsetzbar sein, die Minimal-Position der Mitgliedstaaten aber auch nicht – in den anstehenden Gesetzesberatungen wird ein Kompromiss von Rat und Parlament wahrscheinlich den Kommissionsvorschlag als Orientierung nehmen. Hausbesitzer müssen auf jeden Fall auf der Hut sein, Sanierungsauflagen kommen früher oder später sicher.

Bis 2050 müssen die meisten Gebäude saniert werden

Und der Druck nimmt über die Jahre zu. Die Brüsseler Behörde und nun auch das Parlament schlagen vor, im Rahmen des „Green Deal“ den Gebäudebestand in der EU bis zum Jahr 2050 vollständig zu dekarbonisieren, was in den meisten Fällen aufwendige Sanierungen bedeutet: Alle Gebäude, auch älteren Jahrgangs, dürfen dann nur noch wenig Energie verbrauchen, die zudem aus erneuerbaren Quellen stammen muss statt aus fossilen Brennstoffen.

Laut Parlamentsbeschluss müsste ab 2028 jeder Neubau als Nullemissionsgebäude errichtet werden; für öffentliche Immobilien soll das ab 2026 gelten. Das Parlament will zudem eine Solarpflicht für Neubauten ab 2028 und für Bestandsgebäude bei Modernisierungen ab 2032 – wenn es technisch möglich und wirtschaftlich ist. Alle kommerziellen oder öffentlichen Gebäude müssen bis 2027 mindestens die Effizienzklasse F erreichen, bis 2030 die Klasse E. Es sind aber viele Ausnahmen vorgesehen, etwa für Industrieanlagen, Agrarbetriebe, Kirchen oder historische Bauwerke.

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Hintergrund ist, dass der Gebäudesektor im vereinten Europa rund 40 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes und 36 Prozent des Energieverbrauchs ausmacht. Ohne massive Emissionsminderung in diesem Sektor erreichen Deutschland und Europa niemals das Ziel der Klimaneutralität. Aber: Die Hälfte der Energie wird in den Gebäuden mit den beiden schlechtesten Effizienzklassen verbraucht.

CSU-Politiker Ferber warnt vor „Kostentsunami“, der Hausbesitzer überfordert

Das Problem: Die Sanierungskosten sind hoch, die Energieeinsparung kompensiert das nur über lange Zeiträume. Ältere Eigentümer seien deshalb womöglich aufgeschmissen, zumal sie oft keinen Kredit mehr bekämen, fürchtet der Wohnungs-Spitzenverband GdW. Auch Kritiker im EU-Parlament wie der CSU-Abgeordnete Markus Ferber warnten vor einem „Kostentsunami“, der Hausbesitzer vor allem im ländlichen Raum überfordere.

Die vorgeschriebenen Effizienzklassen seien in vielen Fällen so schnell gar nicht erreichbar, meinte Ferber: „Wenn die vorgeschriebenen Sanierungen in eine Kostenhöhe hochschnellen, die den tatsächlichen Wert der Immobilie übersteigen, grenzt eine pauschale Sanierungspflicht an Realitätsverweigerung“. Der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier forderte, finanziell schwächere Haushalte müssten vor dem Kostendruck geschützt werden. Das sehe der Richtlinienentwurf aber auch vor.

Geier verwies auf erfolgreiche Ansätze, Gebäude systematisch energiefreundlich umzubauen. In der Ruhrgebietsstadt Bottrop sei es in den vergangenen zehn Jahren gelungen, den CO2-Ausstoß pro Kopf zu halbieren. Die Grünen-Europaabgeordnete Jutta Paulus erklärte: „Die günstigste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen. Investitionen in Wärmedämmung und Heizungsmodernisierung schützen vor explodierenden Energierechnungen.“