Berlin. Die Tarifparteien nehmen einen neuen Verhandlungsanlauf. Ohne Fortschritt droht ein unbefristeter Streik bei Brief- und Paketdiensten.

Eine große Mehrheit der gewerkschaftlich organisierten Postangestellten hat das Tarifangebot des Konzerns in einer Urabstimmung abgelehnt. Bei der Urabstimmung sprachen sich 86 Prozent für einen unbefristeten Streik im Brief- und Paketdienst aus. Zugleich vereinbarten die Gewerkschaft Verdi mit den Arbeitgebern an diesem Freitag einen weiteren Verhandlungstermin. Sollte es wieder keine Annäherung geben, könnten die Postsendungen schon bald flächendeckend in den Verteilzentren liegen bleiben.

Ob die Urabstimmung die Kompromissbereitschaft beider Seiten erhöht, erscheint fraglich. „Das von den Arbeitgebern vorgelegte Angebot ist weit von unseren Forderungen entfernt“, sagt Verdi-Verhandlungsführerin Andrea Kocsis. Verdi verlangt 15 Prozent mehr Lohn und Gehalt für die rund 160.000 Tarifbeschäftigten der Post. Die Laufzeit soll danach zwölf Monate betragen.

Lesen Sie auch: Sind die Gehaltsforderungen der Gewerkschaften zu hoch?

Deutsche Post: Arbeitgeber bleiben hart – trotz Rekord-Geschäftszahlen

Dagegen boten die Arbeitgeber die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro über zwei Jahre verteilt, sowie eine Erhöhung der Tarifentgelte um 340 Euro für jeden Beschäftigen und die Auszubildenden. Der Konzern peilt eine Laufzeit von zwei Jahren an. „Wir sind auch heute noch davon überzeugt, dass wir mit dem finanziell umfangreichsten Tarifangebot in der Geschichte unseres Unternehmens eine annahmefähige Grundlage für eine Einigung vorgelegt haben“, betont Thomas Ogilvie, Personalvorstand des Konzerns.

Während die Deutsche Post den Lohnzuwachs bei ihrem Angebot auf 20,4 Prozent beziffert, reicht das Angebot nach Berechnungen Verdis nicht für einen Ausgleich der Inflation aus. Entsprechend der verhärteten Positionen fielen auch die Statements der Beteiligten in den vergangenen Tagen aus. Die Post drohte mit der Auslagerung von Betriebsbereichen und einem Stellenabbau. Die Gewerkschaft rief zu Warnstreiks auf, an denen sich laut Verdi bis zu 100.000 Beschäftigte beteiligten. Nun müssen beide Seiten wieder eine Gesprächsbasis finden.

Post-Streik: Viele Beschäftigte sind Gewerkschaftsmitglied

Die gute Geschäftsentwicklung der Post ist Wasser auf den Mühlen Verdis. Der Konzern verkündete zum verrieten Mal nacheinander ein Rekordergebnis. Das operative Ergebnis lag bei 8,4 Milliarden Euro, fast sechs Prozent über dem Vorjahreswert. Der Umsatz stieg sogar um mehr als 15 Prozent auf über 94 Milliarden Euro. Die Dividende für die Aktionäre soll erhöht werden. „Dass die Arbeitgeber den Ausgleich von Reallohnverlusten verweigern, ist angesichts der Milliardengewinne des Konzerns eine Provokation“, kritisiert Kocsis. Allerdings hat die Bilanz auch Schattenseiten. Erstens kommen die prächtigen Erträge vor allem aus dem Auslandsgeschäft. Zweitens erwartet der Vorstand im laufenden Jahr weniger Gewinn.

Auch interessant: Deutsche Post fordert Umwelt-Label für Paketsendungen

Sollten die Verhandlungen erneut scheitern, erscheint ein unbefristeter Streik wahrscheinlich. Der Organisationsgrad der Beschäftigten ist hoch. So könnten rund 100.000 von ihnen die Arbeit niederlegen. Die Kunden müssten dann für längere Zeit auf Briefe oder Pakete warten. Das wäre vermutlich auch nicht die einzige Beeinträchtigung, mit der die Bürger in der kommenden Zeit rechnen müssten. Denn auch in anderen Branchen stehen die Zeichen auf eine friedliche Einigung der Tarifkonflikte noch nicht auf grün.

Tarifverhandlungen: Auch bei der Bahn drohen Streiks

Das gilt zum Beispiel für die Deutsche Bahn. Die erste Verhandlungsrunde für rund 180.000 Beschäftigte wurde Ende Februar nach nur zwei Stunden abgebrochen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) wollte ohne ein konkretes Angebot der Arbeitgeber kein Gespräch führen. Sie verlangt 12,5 Prozent mehr Lohn, wenigstens aber 650 Euro für jeden Beschäftigten. Nun hat der Konzern ein wenig eingelenkt und ein Angebot an die Gewerkschaft angekündigt.

Streikende stehen vor dem Werkstor der AWB Abfallwirtschaftsbetriebe in Köln. Die Gewerkschaft Verdi setzt die Warnstreiks im öffentlichen Dienst in NRW fort.
Streikende stehen vor dem Werkstor der AWB Abfallwirtschaftsbetriebe in Köln. Die Gewerkschaft Verdi setzt die Warnstreiks im öffentlichen Dienst in NRW fort. © Sascha Thelen/dpa

Am kommenden Mittwoch treffen sich die Tarifparteien in Berlin. Sollte das Gespräch keine Annäherung bringen, wird wohl auch die EVG erste Warnstreiks vorbereiten. Denn auch die Verhandlungen mit weiteren Bahnunternehmen sind laut Gewerkschaft bisher nur teilweise vorangekommen. Verhandelt wird neben dem Tarifvertrag mit der Deutschen Bahn auch das Entgelt bei 50 privaten Bahnunternehmen. Noch hat keine Bahn den hohen Forderungen der EVG nachgegeben. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Post und der Bahn gleichzeitig die Arbeit ruht, steigt damit.

Verdi: Öffentlicher Dienst geht in nächste Verhandlungsrunde

Damit nicht genug. Denn in der letzten Märzwoche steht die dritte und entscheidende Verhandlungsrunde für rund 2,6 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen auf der Tagesordnung. Auch hier liegen die Positionen von Arbeitgebern und Gewerkschaften noch weit auseinander. Verdi und der Beamtenbund verlangen 10,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt, wenigstens aber 500 Euro mehr für jeden bei einer einjährigen Laufzeit. Die Arbeitgeber bieten fünf Prozent bei 27 Monaten Laufzeit.

In den vergangenen Wochen hat Verdi regional über das gesamte Bundesgebiet verteilt immer wieder zu Warnstreiks in Kitas, an Flughafen, im Nahverkehr oder auch bei der Stadtreinigung aufgerufen. Sollten die Verhandlungen scheitern, wird zunächst ein Schlichter sein Glück versuchen. Damit ist die Gefahr eines flächendeckenden Streiks im öffentlichen Dienst jedoch nicht abgewendet. Das von den Gewerkschaften schon im Vorfeld befürchtete „heiße Frühjahr“ mit vielen Arbeitskämpfen ist längst noch nicht vom Tisch.