Hofheim am Taunus. In den Kommunen wächst der Druck bei der Unterbringung. Und die Wut auf die Bundesregierung. Recherche in einem verunsicherten Land.

Ihre Heimat hat Oksana nur noch auf dem Handy. Fotos aus ihrem alten Leben in Cherson, im Süden der Ukraine. Bilder von Weihnachten, die Kinder spielen im Schnee, Lichter am Tannenbaum, Selfie im Wohnzimmer, der Tisch gedeckt.

Am 18. Februar 2022 haben Oksana und ihr Mann Oleksander noch den Geburtstag ihrer Tochter Aryna gefeiert, mit Kuchen, mit Freunden, mit Geschenken. Sieben Jahre wurde sie alt. Wenige Tage später heulen die Sirenen, die russische Invasion beginnt. Der Krieg reißt den Alltag der Familie auseinander.

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Oksana und Oleksander und ihre beiden Töchter fliehen, die Eltern nehmen nur zwei Rucksäcke mit, ein bisschen Kleidung, Wasser für die Fahrt, die Ausweise, Geld, die Handys, ein Laptop. Die Geschenke vom Geburtstag muss die Tochter zurücklassen.

Oksana und Oleksander, geflohen aus der südukrainischen Stadt Cherson, leben jetzt in einer Unterkunft in Hofheim am Taunus.
Oksana und Oleksander, geflohen aus der südukrainischen Stadt Cherson, leben jetzt in einer Unterkunft in Hofheim am Taunus. © Alex KrausEinmalige Verwendung! | Alex Kraus

Ein Jahr später sitzt Oksana, 38 Jahre alt, an dem kleinen Tisch in ihrem Zimmer. Hier im früheren Altenheim an einem Hang im hessischen Hofheim ist jetzt ihr Zuhause, vielleicht zwölf Quadratmeter groß, dazu ein kleiner Flur mit Schränken. Neben dem Doppelbett steht das Kinderbett für die kleine Tochter, Spielsachen liegen in Kisten und Regalen, ein Balkon gibt den Blick über die Stadt frei. Es ist nicht viel, was der Familie geblieben ist, und doch wiederholen sie immer wieder einen Satz: „Wir wollen vor allem Danke sagen für die Hilfe, die uns Deutschland gibt.“

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Krieg in der Ukraine: „Noch immer feuert die russische Artillerie auf die Stadt“

Ein Jahr Krieg in der Ukraine bedeutet ein Jahr Ausnahmezustand. Vor allem für die Menschen in der Ukraine. Für Geflüchtete wie Oksana und ihre Familie. Der Krieg bedeutet aber auch Ausnahmezustand für die deutschen Kommunen. Eine Million Menschen sind aus der Ukraine hierher geflohen, einige weitergezogen, andere auch zurück in die Ukraine gereist. Trotz des Krieges.

Cherson aber ist noch immer in Teilen von russischen Truppen besetzt, die Kämpfe dauern an. „Noch immer feuert die russische Artillerie auf die Stadt“, sagt Oleksander. Er und seine Frau wollen nun Deutsch lernen, hier eine Arbeit finden. Oleksander hat eine schwere Knochenkrankheit, braucht eine Operation.

Helferin Marianne Köhne berät Geflüchtete in dem früheren Altenheim, vor allem bei der Wohnungssuche, aber auch bei Behördengängen.
Helferin Marianne Köhne berät Geflüchtete in dem früheren Altenheim, vor allem bei der Wohnungssuche, aber auch bei Behördengängen. © Funke Foto Service | Alex Kraus

Das Altenheim, das nun eine Asylunterkunft ist, liegt im Main-Taunus-Kreis. Landrat ist hier der CDU-Politiker Michel Cyriax. Es ist nicht lange her, da schrieb Cyriax einen Brief. An den hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein. Und an Bundeskanzler Olaf Scholz. „Helfen Sie uns, den Menschen zu helfen“, schrieb er. Es ist ein Schreiben irgendwo zwischen Appell und Brandbrief. Und dann: „Steuern und begrenzen Sie den Zustrom an Flüchtlingen aktiv! Schauen Sie genau hin, wer unserer Hilfe bedarf und wer nicht! Führen Sie Menschen, die sich unrechtmäßig in der Bundesrepublik aufhalten, auch aktiv zurück.“ Es sind drastische Worte aus der deutschen Provinz in die Hauptstadt.

Auch der Bürgermeister aus Faesers Heimatstadt sendet ein Warnsignal Richtung Berlin

Unterzeichnet haben den Brief auch mehrerer Bürgermeister aus Cyriax‘ Landkreis. Darunter auch Alexander Immisch, SPD-Politiker im hessischen Schwalbach. Die Unterbringung und Integration von Schutzsuchenden werde für Schwalbach eine „unglaubliche Herausforderung, da wir in Hessen die am drittdichtesten besiedelte Stadt sind“, so Immisch.

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Brisant ist: Schwalbach ist der Heimatort von Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Hier in Hessen will die SPD-Politikerin im Herbst Ministerpräsidentin werden. Und der aktuelle Konflikt zwischen Bund, Ländern und Kommunen zeigt, wie sehr Faeser in der Flüchtlingspolitik bald zwischen den Fronten zerrieben werden könnte. Der Brief des Bürgermeisters ihrer Heimatstadt ist ein Warnsignal – nicht nur für Kanzler Scholz, vielleicht viel mehr für Nancy Faeser.

Kommunen suchen hängeringend nach Platz für Geflüchtete. Hier in Hofheim am Taunus dient ein früheres Seniorenheim nun als neue Herberge für Menschen aus der Ukraine.
Kommunen suchen hängeringend nach Platz für Geflüchtete. Hier in Hofheim am Taunus dient ein früheres Seniorenheim nun als neue Herberge für Menschen aus der Ukraine. © Alex KrausEinmalige Verwendung! | Alex Kraus

Für diese Recherche hat unsere Redaktion mit Bürgermeistern und Landräten gesprochen, mit Sprechern von Kommunen und Fachleuten in den Behörden. Nicht nur in Hessen, auch in anderen Bundesländern. Die Antworten sind immer ähnlich: Das Personal ist an der Belastungsgrenze, es fehlen Wohnungen, neu aufgebaute Zelte und Massenunterkünfte sind eine kurzfristige Erleichterung, bringen aber auch Probleme.

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Und trotzdem machen alle weiter, seit einem Jahr, manche schon seit 2015. Ein Land will den Menschen auf der Flucht helfen, auch jetzt, da der Krieg in sein zweites Jahr geht. Und doch merkt Deutschland, dass es an Grenzen gerät.

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So ist in vielen Gesprächen ist auch Frust zu hören. Und Hilflosigkeit – weil niemand weiß, was der Krieg noch bringen wird. Und wie gut Deutschland eine weitere Fluchtbewegung verkraftet.

Geflüchtete aus Syrien, Afghanistan und Türkei müssen ebenfalls versorgt werden

„Wir bauen jetzt Leichtbauhallen, wir stellen Wohncontainer und große Zelte auf“, sagt Wolfgang Schuster, Landrat im Lahn-Dill-Kreis und Vizepräsident des Deutschland Landkreistages. „Wir machen keine Integrationspolitik, wir verhindern Obdachlosigkeit. Wir machen Schadensbegrenzung.“ Schuster warnt davor, dass Menschen über Jahre in Zelten und Containerdörfern leben müssen. „Dann ist an Integration nicht zu denken. Dann bekommen wir ein großes Problem.“

Acht von zehn Geflüchteten des letzten Jahres kommen aus der Ukraine. Doch das Problem in den Landkreisen und Kommunen ist: Die Fluchtkrise begann nicht mit dem Krieg in der Ukraine. Sie begann 2015. Menschen flohen vor Kriegen und Terror, vor allem aus Syrien, Irak und Afghanistan. „Die sind noch da. Die müssen wir hier im Kreis versorgen. Die Menschen, die aus der Ukraine fliehen, kommen jetzt noch on top“, sagt Landrat Schuster.

Küche im Altenheim: Ukrainerinnen kochen selbst.
Küche im Altenheim: Ukrainerinnen kochen selbst. © Funke Foto Service | Alex Kraus

2022 stellten rund 240.000 Menschen Asyl in Deutschland, Syrer, Afghanen, immer mehr auch aus der Türkei. Allein im Januar meldete das Bundesamt mehr als 30.000 Asylanträge – Ukrainer nicht eingerechnet, die kein Asylantrag stellen müssen. Aktuell versorgt der Main-Taunus-Kreis rund 8600 Geflüchtete, davon rund 2500 aus der Ukraine. „Das entspricht der Einwohnerzahl unserer kleinsten Gemeinde Liederbach“, sagt Landrat Cyriax.

Die Lage ist brenzlig. Doch ist sie anders als 2015. Alle Ukrainer dürfen sofort arbeiten, sie bekommen Geld vom Sozialamt. Und: Die Hilfe ist groß, viele Menschen nahmen ukrainische Geflüchtete bei sich zuhause auf. Die EU hat eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Menschen auf der Flucht geschaffen. Die Ukraine hier, die Syrer, Afghanen und Eritreer dort. Am Ende hat dieses System die Kommunen vor dem Kollaps gerettet. Noch heute.

Einrichten im Leben auf der Flucht – Deutsch lernen im früheren Altenheim

Und es ist ein System, das auch deshalb noch funktioniert, weil die Menschen auf der Flucht selbst helfen. So wie Hanna Tyschchenko. Gerade unterrichtet sie im früheren Altenheim in Hofheim am Taunus Frauen aus der Ukraine. Deutsch für „Alltag und Beruf“. Gerade lernen sie regelmäßige Verben wie „machen“ und „kaufen“ und „hören“, und sie üben Dialoge, etwa wie man jemanden beruhigen kann. „Keine Panik“ oder „Das kann doch jedem passieren.“

Selbst geflohen – und nun hilft sie Geflüchteten: Die Ukrainerin Hanna Tyschchenko.
Selbst geflohen – und nun hilft sie Geflüchteten: Die Ukrainerin Hanna Tyschchenko. © Funke foto service | Alex Kraus

Tyschchenko ist selbst vor einem Jahr nach Deutschland geflohen. Sie lebte im Donbass. Als dort 2014 der Krieg ausbrach, floh sie in die Mittelukraine. 2022 kam der Krieg auch dorthin. Nun unterrichtet sie Deutsch im Taunus. Sie ist Geflüchtete und Flüchtlingshelferin zugleich.

Doch je länger der Krieg dauert, je mehr Menschen kommen, desto gravierender werden die Probleme. Problem Nummer eins: Niemand war in Deutschland auf den Krieg in der Ukraine vorbereitet, Massenunterkünfte waren längst wieder abgebaut, angemietete Unterkünfte liefen Verträgen aus, auch weil die Asylzahlen in der Corona-Pandemie zurückgingen. Nun fehlen diese Plätze.

Not der Kommunen: Selbst wenn Grundstücke da sind, dauert das Bauen

Problem zwei: Neue Plätze lassen sich nicht über Nacht aufbauen. Landkreise selbst berichten, dass sie kaum eigene Grundstücke besitzen. Im Kreis von Cyriax bauen sie bald Container auf dem Mitarbeiterparkplatz des Landratsamtes auf. Wohnraum ist ohnehin knapp, mittlerweile nicht nur in den Metropolen, sondern auch immer mehr auf dem Land. Vor allem kritisieren manche, dass in den vergangenen Jahrzehnten der soziale Wohnungsbau vernachlässigt wurde, und immer mehr Wohnungen aus den Sozialbindungen fallen. Ein hausgemachtes Problem der Politik, das nun Konsequenzen hat.

Problem drei: Selbst wenn Grundstücke da sind, dauert das Bauen. In Hessen etwa gelten für Asylunterkünfte neue Vorschriften, der Brandschutz wurde ausgeweitet, Barrierefreiheit ist wichtiger, Rettungswege müssen stimmen, sogar energetische Bauweise muss stärker berücksichtigt werden, heißt es. Der bauliche Schutz ist wichtig. Aber der Schutz kostet auch, Zeit und Geld. Genauso langwierig sind Planungsverfahren und Ausschreibungen. Und dann, sagt einer, müssen Sie erstmal eine Baufirma finden, die noch Aufträge annimmt.

Deutsch lernen am Jahrestag des Krieges in der Ukraine
Deutsch lernen am Jahrestag des Krieges in der Ukraine © Funke foto service | Alex Kraus

Problem vier: Die Kommunen bringen Geflüchtete am liebsten in kleinen Einheiten unter, nicht in Massenunterkünften. Denn an vielen Orten, wo die Politik vor Ort große Asylheime plant, wächst sofort der Widerstand einiger Anwohner, organisieren sich Bürgerinitiativen. Mehrfach kapern Rechtsextremisten den Protest gegen Asylsuchende.

Problem fünf: Aus der Ukraine flohen vor allem Frauen und Kinder. Viele der jungen Menschen brauchen einen Platz in der Kita, in der Schule. Auch die acht Jahre alte Aryna besucht eine Grundschule in Hofheim. Doch dafür braucht die Gemeinde Lehrerinnen und Erzieher. Berufe, bei denen ohnehin schon Mangel an Fachkräften herrscht.

„Heuchelei!“

Und so summieren sich die Probleme. Und der Frust. Und eigentlich geht das so seit Jahren in der Asyldebatte. Die Kommunen und Landkreise zeigen auf die Landesregierungen. Die Länderchefs richten den Finger nach Berlin. Und die Bundesregierung verweist auf die Verantwortung der Länder. Im Monatsrhythmus holpern die Debatten über Finanzierung Flüchtlingspolitik durch die Arena.

Gerade erst vergangene Woche tagten Landkreise, Landesregierungen und Bund zum „Flüchtlingsgipfel“ in Nancy Faesers Innenministerium. Die Ergebnisse waren dünn, weitere Zusagen an die Länder kamen von der Bundesregierung nicht. Und bei den Landkreisen blieb der Frust. „Heuchelei!“, rief ein Vertreter der Landkreise dem Podium bei der Pressekonferenz nach dem Gipfel hinterher – und verließ den Saal.

Innenministerin zu EU-Flüchtlingspolitik: „Das kann nicht so bleiben“

Die Bundesregierung verweist auf die Milliarden, mit denen sie den Ländern und Kommunen hilft. Gut drei Milliarden Euro im vergangenen Jahr, noch einmal knapp drei Milliarden in diesem. Doch sollte der russische Krieg in der Ukraine weitere große Fluchtbewegungen auslösen, „wird eine gerechtere Verteilung in Europa unausweichlich sein“, sagt Bundesinnenminister Faeser unserer Redaktion. „Dann müssen unsere osteuropäischen Nachbarn, aber auch wir entlastet werden.“ Polen habe bislang über 1,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, Deutschland über eine Million, aber Spanien erst 160.000. Faeser sagt: „Das kann nicht so bleiben.“

Ein Sonderbevollmächtigter soll Rückführungen für die Regierung regeln

Die SPD-Politikerin hebt hervor, was die Regierung bereits leiste, um Zuflucht nach Deutschland zu begrenzen. Einen deutlich verstärkten EU-Außengrenzschutz habe der EU-Gipfel erst vor wenigen Tagen vereinbart. „Wir haben unsere Grenzkontrollen zu Österreich verlängert und zu Tschechien die Schleierfahndung an der Grenze intensiviert.“ Auch Abschiebungen von ausreisepflichtigen Ausländern will die Ministerin vorantreiben, hat die Abschiebehaft verschärft und extra einen Sonderbevollmächtigten in ihrem Haus eingestellt.

Vor allem Frauen und Kinder sind aus der Ukraine geflohen. Mehr als eine Million Menschen kamen allein nach Deutschland.
Vor allem Frauen und Kinder sind aus der Ukraine geflohen. Mehr als eine Million Menschen kamen allein nach Deutschland. © Funke foto service | Alex Kraus

Das alles wird dauern, wie so oft in der deutschen und europäischen Asylpolitik. Die Hilfe in den Kommunen wird das nicht sofort erleichtern. „Wir hoffen, dass wir nicht wie Don Quichote gegen Windmühlen kämpfen. Oder besser gesagt: Wir hoffen, dass die Windmühlen sich irgendwann aufhören zu drehen, damit wir die Chance nutzen können und unsere Aufnahmekapazitäten langfristig gut gestalten können“, sagt Anne Peter-Lauff, Leiterin der Abteilung Soziales und Integration im hessischen Lahn-Dill-Kreis.

Ein Mitarbeiter dort erzählt, wie mit dem Kriegsbeginn vor einem Jahr auf einen Schlag mehrere Tausend Menschen aus der Ukraine auch zu ihnen in den Landkreis gereist waren. Der Arbeitsaufwand für seine elf Sachbearbeiter sei mal eben um knapp 200 Prozent gestiegen. Aus 1700 wurden 3000 Fälle, Überstunden verzehnfachten sich. „Wir arbeiteten an mehreren Wochenenden hintereinander.“ Bis heute zieht sich diese Last.

Ehrenamtliche verhandeln mit Eigentümern um günstigere Mieten für Geflüchtete

Bis heute arbeitet auch Marianne Köhne. Gerade sitzt sie wieder an ihrem Schreibtisch im leeren alten Essenssaal des Altenheims im Taunus. Wieder kommen viele Ukrainerinnen zu ihr, Frauen, die für sich und ihre Kinder eine Wohnung suchen. Geflüchtete, die ihre Anträge beim Sozialamt verlängern müssen. Ältere, die einen Arzttermin brauchen. Köhne ist Ehrenamtliche, kommt von der evangelischen Johannesgemeinde in Hofheim. Seit 2015 hilft sie Geflüchteten. Und als im Februar 2022 der Krieg in der Ukraine ausbrach, trommelte sie wieder Helfer zusammen. Knapp 50 kamen. „Und rund 30 sind bis heute dabei.“

Schon seit 2015 hilft sie Menschen auf der Flucht: Marianne Köhne. Sie sagt, es gibt noch immer zu viel Leerstand, der ungenutzt ist.  
Schon seit 2015 hilft sie Menschen auf der Flucht: Marianne Köhne. Sie sagt, es gibt noch immer zu viel Leerstand, der ungenutzt ist.   © Funke Foto service | Alex Kraus

Auch Köhne sieht den fehlenden Wohnraum und den noch immer ungenutzten Leerstand als das größte Problem an. Oftmals würden ältere Menschen allein leben, die Kinder längst ausgezogen sein – und dann steht das halbe Haus unvermietet leer. „Sowas bekommt man nur mit, wenn man rausgeht und mit den Menschen spricht“, sagt Köhne. Also geht sie raus. Und spricht.

Die Behörde zahle für Sozialwohnungen acht Euro Miete, hier im Frankfurter Metropolgebiet liegen die Mieten jedoch oft bei zwölf oder mehr Euro, sagt die Helferin. Köhne und die anderen reden dann mit den Vermietern, erzählen die Geschichten der Menschen auf der Flucht, hoffen, dass die Eigentümer ihr gutes Herz zeigen – und im Preis runtergehen. Köhne ist in der Fluchtkrise so eine Art Sozial-Immobilienmaklerin geworden. Gerade hätten sie eine Wohnung für eine ukrainische Familie bekommen, 12,50 Euro wollte der Vermieter anfangs. „Am Ende landeten wir bei neun“, sagt Köhne. „Die Familie hatte Glück.“

Gute Momente auf der Flucht: Oksana und Oleksander mit ihren Kindern und Freunden in ihrem neuen Zuhause: der Asylunterkunft in Hofheim am Taunus.
Gute Momente auf der Flucht: Oksana und Oleksander mit ihren Kindern und Freunden in ihrem neuen Zuhause: der Asylunterkunft in Hofheim am Taunus. © Alex KrausEinmalige Verwendung! | Alex Kraus

Oksana und Oleksander hocken noch in der Asylunterkunft im früheren Altenheim. Auch sie suchen eine Wohnung und eine Arbeit. „Aber erstmal wollen wir Deutsch lernen.“ Sie glauben an den Sieg der Ukraine gegen die russischen Invasoren. Sie glauben an ihre Heimat – und doch richten sie sich auf ein längeres Leben in Deutschland ein. Auf ein Leben im Exil.

An der Wand in ihrem Zimmer hängen noch rosa Luftballons, über der Heizung ein Schriftzug: „Happy Birthday“. Gerade hatte ihre kleine Tochter wieder Geburtstag, acht Jahre wurde sie alt, bekam Lego-Spielzeug und eine Barbie-Puppe. Ihre Mutter erzählt, dass sie Deutschland sehr mag. „Hier kann sie auf die Straße gehen, ohne Angst vor Raketen haben zu müssen.“