Berlin/Aachen. Bei “Wider den tierischen Ernst“ teilte FDP-Frau Strack-Zimmermann gegen CDU-Chef Merz aus. Nun fordert die Partei eine Entschuldigung.

Musik, Alaaf und Frauenpower: In einer Art Vampir-Kostüm ist FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bei der Verleihung des "Orden wider den tierischen Ernst" des Aachener Karnevalsvereins (AKV) aufgetreten. Mit wild hochtoupierten Haaren und schwarzem Umhang knöpfte sie sich die Männer vor – insbesondere CDU-Chef Friedrich Merz, der ukrainische Flüchtlinge als „Sozialtouristen“ und Söhne von Migranten als „kleine Paschas“ bezeichnet hatte.

Strack-Zimmermann im Karneval: „Von Kopf bis Fuß ganz formidabel"

Dabei blieb Strack-Zimmermann bei ihrer markigen Linie: „Von Kopf bis Fuß ganz formidabel, ohne Zweifel ministrabel, in jeder Talkshow ein Gewinn, weil ich die Allergeilste bin“, führte sich die Bundestagsabgeordnete aus Düsseldorf ein. Das gefiel offenbar nicht jedem: „Das war ein neuerliches Unterschreiten von anständigem Umgang und anständiger Sprache“, sagte CDU-Generalsekretär Mario Czaja der „Rheinischen Post“. So wie die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses verhalte man sich nicht, „nicht einmal im Karneval“. Er erwarte, dass sich Strack-Zimmermann bei Merz entschuldige.

In ihrer Rede hatte Strack-Zimmermann den CDU-Vorsitzenden als „Flugzwerg aus dem Mittelstand“ bezeichnet, allerdings ohne ihn explizit beim Namen zu nennen. Zudem führte sie aus, dass den Politiker „zweimal keiner haben“ wollte, weil er nur schwer zu ertragen sei – und spielte damit auf Merz' zweimaliges Scheitern bei der Wahl zum CDU-Chef an. Die FDP-Politikerin warf dem anwesenden Unionspolitiker außerdem vor, die Reichsbürgerszene nicht ernst zu nehmen: „Treibt's ein Nazi-Prinz zu wild, dann wird der Flugzwerg plötzlich mild“, reimte sie.

Strack-Zimmermann teilte allerdings auch in andere Richtungen aus: Den russischen Präsidenten Wladimir Putin nannte sie einen „Wodka-Zwerg“ und Kriegsverbrecher. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) betitelte sie als „Kanzler-Zwerg“ mit „schwerer Amnesie“ – wohl in Anspielung auf seine Aussagen im Cum-Ex-Skandal. Die Ampel-Koalition, an der auch die FDP beteiligt ist, umschrieb Strack-Zimmermann als ihren „ersten flotten Dreier“, den sie mit der Bemerkung kommentierte: „Wer hätt' noch vor der Wahl gedacht, dass so ein Schweinkram Freude macht.“ Auch interessant: Streit im Kölner Karneval – Schnitzel-Song provoziert

Baerbock erhielt "Orden wider den tierischen Ernst"

Doch bei der Karnevalssitzung gab es auch ernste Töne: Außenministerin Annalena Baerbock, die den "Orden wider den tierischen Ernst" erhielt, schafften den Spagat zwischen närrischem Frohsinn und bedrohlicher Weltlage. Es sei derzeit nicht leicht, Zuversicht und Humor zu bewahren, sagte die 42-jährige Grünen-Politikerin am Samstagabend in ihrer mit viel Applaus bedachten Ritterrede im ausverkauften Aachener Eurogress in Nordrhein-Westfalen. Der AKV würdigt Baerbock mit dem Preis als „moderne Ritterin im besten Sinne“, die sich für Frieden, Demokratie und Menschenrechte einsetze.

Sie habe lange überlegt, ob es richtig sei, zu feiern und zu lachen, während Russland einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine führe, sagte Baerbock. Der Karneval stehe aber dafür, dass man trotz hartem Streit in der Sache immer menschlich bleiben und übereinander und vor allem miteinander lachen könne, betonte sie bei ihrem ebenso ironischen wie nachdenklichen Auftritt im Narrenkäfig. „Ich glaube, es ist unsere Menschlichkeit, die uns stark macht in unserer Antwort auf diesen zynischen Krieg.“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (2. v. l., Bündnis 90/Die Grünen) bei ihrer Ernennung zur Ritterin zusammen mit (v. l.) Schauspielerin Iris Berben, Politiker Lars Klingbeil (SPD) und Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) auf der AKV-Festsitzung (Aachener Karnevalsverein) anlässlich der 73. Verleihung des Orden – Wider den tierischen Ernst – im Eurogress in Aachen.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (2. v. l., Bündnis 90/Die Grünen) bei ihrer Ernennung zur Ritterin zusammen mit (v. l.) Schauspielerin Iris Berben, Politiker Lars Klingbeil (SPD) und Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) auf der AKV-Festsitzung (Aachener Karnevalsverein) anlässlich der 73. Verleihung des Orden – Wider den tierischen Ernst – im Eurogress in Aachen. © IMAGO / Panama Pictures

Als Leopard verkleidet wollte Baerbock nicht kommen aus Sorge, „dass mir das Kanzleramt wochenlang keine Reisegenehmigung erteilt“ – also entschied sie sich für einen schwarzen Hosenanzug und Narrenkappe. Wie nie zuvor in der Geschichte der Ordensverleihungen hatten vor dem mit Politprominenz gespickten Publikum vor allem Frauen das Sagen: Die Laudatio hielt Vorjahresritterin Iris Berben, Moderatorin des Abends war Sandra Maischberger. Baerbock sprach über „feministische Außenpolitik“, kritisierte den niedrigen Frauenanteil in der FDP und nahm den Umstand aufs Korn, dass sie unter den nun 73 Ordensrittern seit 1950 erst die achte Frau ist – und die erste „grüne Frau“.

Viel Applaus für Büttenrede von SPD-Chef Klingbeil

Viel Applaus für seine Büttenrede erhielt der unverkleidete SPD-Chef Lars Klingbeil, der sich selbstironisch als niedersächsischen Karnevalsneuling und „persönliches Integrationsprojekt“ outete, gegen die politische Konkurrenz austeilte und anschließend auf einer Ukulele spielte. Er sei Norddeutscher und Vorsitzender der SPD, „da hast du mit Spaß nun echt nicht viel am Hut“. Ins Kanzleramt seien die Sozialdemokraten mit Olaf Scholz durch ein einfaches Rezept gekommen: „Wir haben uns einfach mal nicht gestritten.“

Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul, CDU, sprach in rot-grüner Funkenuniform und dankte den bei der Räumung von Lützerath eingesetzten Polizisten für ihren Einsatz. Das könnte Sie auch interessieren: Parade findet dieses Jahr wieder statt – was neu ist

Ein Orden für prominente Persönlichkeiten mit Humor und Menschlichkeit

Auch Comedy – unter anderem mit Guido Cantz und Kabarett mit Wilfried Schmickler als Kaiser Karl der Große – gehörten zum Programm. Der „Orden wider den tierischen Ernst“ wird seit 1950 jährlich an prominente Persönlichkeiten mit Humor und Menschlichkeit verliehen, häufig an Politikerinnen und Politiker. Zu den früheren Preisträgern zählen etwa Konrad Adenauer (CDU), Hans-Dietrich Genscher (FDP), Cem Özdemir (Grüne) und Gregor Gysi (Linke). (fmg/dpa)