Berlin. Nach dem Fund von Geheimakten muss sich Joe Biden unangenehme Fragen stellen lassen: Ist er 100 Prozent politisch zurechnungsfähig?

So schnell kann sich der Wind drehen. Eben noch stand US-Präsident Joe Biden als unantastbare politische Führungsfigur da. Die Partei des Amtsinhabers, die Demokraten, haben bei den „Midterm“-Wahlen zum Kongress den Senat entgegen dem historischen Trend verteidigt. Die ausgebliebene Abwatsch-Aktion fühlte sich an wie ein Sieg.

Michael Backfisch, Politik-Korrespondent
Michael Backfisch, Politik-Korrespondent © Reto Klar | Reto Klar

Alles Schnee von gestern! Jetzt hat sich Biden in einem unsäglichen Politskandal verheddert. In der Garage seines Privathauses wurden geheime Dokumente aus seiner Zeit als Vizepräsident der USA entdeckt. Zuvor waren vertrauliche Akten bereits in Bidens Privatbüro in einer Denkfabrik aufgetaucht.

Die Schnoddrigkeit und die Nachlässigkeit beim Umgang mit den Geheimakten verblüfft

Für den Chef des Weißen Hauses ist dies ein schwerer Schlag. Zwar hat die Affäre nicht das Gewicht wie bei Amtsvorgänger Donald Trump: Der hatte geheime Akten massenweise in seiner Privat-Residenz Mar-a-Lago gebunkert und nicht herausgerückt, Biden lieferte die fraglichen Dokumente sofort an das Nationalarchiv.

Doch die Schnoddrigkeit und die Nachlässigkeit des US-Präsidenten beim Umgang mit den nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Papieren verblüfft. Biden muss sich unangenehme Fragen stellen lassen: Verfügt er noch über eine 100-prozentige politische Zurechnungsfähigkeit? Ist er mit 80 Jahren noch voll den Anforderungen des Amtes gewachsen?

Die Demokraten sollten sich über ihren Kandidaten für 2024 Gedanken machen

Bislang war Glaubwürdigkeit das große Pfund des Präsidenten. Sie ist nun schwer angekratzt. Verstärkt wird der Eindruck durch mangelnde Transparenz des Weißen Hauses. Die Untersuchungen des Sonderermittlers Robert Hur – der in Justizkreisen als harter Hunde gilt – dürfte Bidens politische Angriffsfläche weiter vergrößern. Die Demokratische Partei sollte sich eher früher als später Gedanken darüber machen, mit welchem Kandidaten sie in die Präsidentschaftswahl 2024 gehen wollen.