Berlin. Rechtsradikale attackieren Grundfeste unseres Rechtsstaats, streben nach Ämtern. Dagegen hilft vor allem: Demokraten in Ehrenämtern.

2023 ist wieder eines dieser „Super-Wahljahre“. Bayern wählt, Hessen auch. Berlin versucht es zumindest noch einmal. Diese Sonntage werden Debatten auslösen, Parteien werden nach Gründen für die Niederlage forschen, Gewinner werden die Arme siegestaumelnd in die Höhe recken, Spot on. Lebendige Demokratie.

Eine Wahl wird vergessen werden. Wird kaum Schlagzeilen machen. Doch es ist eine Wahl, die für das Fundament dieser Demokratie mindestens genauso bedeutend ist. Deutschland wählt in diesem Frühjahr wieder mehrere Zehntausend Schöffinnen und Schöffen.

Richter im Ehrenamt – die neben den Berufsrichtern auf der Richterbank sitzen und Urteile mitfällen dürfen, sogar Freisprüche per Stimmrecht erzwingen können. Schöffen sind eine Säule unseres Rechtsstaats. Sie sitzen im Maschinenraum der Justiz. Und doch redet kaum jemand über sie.

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Nur dann, wenn es ein stramm Rechter in das Amt schafft – und auffällt, weil er die Justiz für seine Ideologie missbraucht. Wenn durch diese Radikalen ohne Richterrobe das Vertrauen in den Staat und seine Neutralität untergraben wird.

Redakteur für Innere Sicherheit und Justiz: Christian Unger
Redakteur für Innere Sicherheit und Justiz: Christian Unger © Reto Klar | Reto Klar

Ein Vertrauen, das ohnehin stark gelitten hat. Der Glaube in das Funktionieren der Demokratie sinkt, jedenfalls bei einem Teil der Menschen in Deutschland. Das zeigen Studien und Umfragen. In einer Umfrage des Beamtenbundes sackt das Ansehen von Richterinnen und Richtern um 15 Prozentpunkte im Fünf-Jahres-Vergleich ab.

Weg in das Ehrenamt: Extreme Rechte verfolgen eine gezielte Strategie

Verfassungsfeinde nutzen mangelndes Vertrauen in den Staat und seine Institutionen aus. Nicht nur in der Justiz. Extreme Rechte verfolgen eine gezielte Strategie: Sie bieten Angebote an für Kinder in Armut, sie helfen in Vereinen, werden Erzieherinnen in Kitas, gehen zur Polizei oder Feuerwehr. Oder werden Schöffen.

AfD-Politikerin und mutmaßliche Reichsbürgerin: Malsack-Winkemann. Sie war bis zu ihrer Festnahme als Richterin in Berlin aktiv
AfD-Politikerin und mutmaßliche Reichsbürgerin: Malsack-Winkemann. Sie war bis zu ihrer Festnahme als Richterin in Berlin aktiv © dpa | Bernd von Jutrczenka

Gegen den Angriff von Rechtsaußen auf unseren Rechtsstaat gilt es wachsam zu sein. Dabei muss der Fokus nicht nach oben gehen, nicht zum Bundesverfassungsgericht, nicht zur Bundesregierung. Der Blick muss nach unten gehen: zu den Amtsgerichten, zu den Sportvereinen, zu den Freiwilligen Feuerwehren, in die Jugendzentren und Altenheime. Kurz: zum Ehrenamt. Demokratie ist wie eine Pflanze, sie wächst am besten, wenn die Wurzeln im Boden stark verankert ist.

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Die Politik kann nur für gutes Klima sorgen – in einer Zeit, in der die Menschen durch Arbeitsverdichtung und wachsende Kosten mehr denn je an sich selbst denken (müssen). Gerade jetzt, wo selbsternannte „Reichsbürger“ und „Querdenker“ diesen Staat lauter denn je als „Diktatur“ oder ferngesteuerte „GmbH“ verunglimpfen, ist der Einsatz der demokratischen Mitte für diesen Staat wichtig.

Am Ende wird es auf uns ankommen, auf jeden einzelnen. Denn der Staat, das sind wir

Doch zu wenig wird dafür getan, dass sich Menschen neben Beruf und Familie für andere Menschen einsetzen können. Steuererleichterungen sind ein Hebel, kostenlose Tickets für Ehrenamtler im Nahverkehr, und am Ende vielleicht sogar ein soziales Pflichtjahr, wie es der Bundespräsident vorschlägt. Deutschland muss beim Ehrenamt vor allem aber auch auf ältere Menschen und ihre Erfahrung und ihr Wissen bauen. Es ist beispielsweise falsch, dass das Schöffenamt bei Gericht Menschen über 65 Jahre verwehrt wird.

Jede Demokratin, jeder Demokrat, der mit ihrem oder seinem Einsatz in Vereinen und Ämtern die Wurzel dieses Rechtsstaats stärkt, baut verlorenes Vertrauen wieder auf. Hält das Fundament auch in turbulenten Zeiten zusammen. Am Ende wird es auf uns ankommen, auf jeden einzelnen. Denn der Staat, das sind wir.