Berlin . Schwule werden beim Blutspenden diskriminiert. Künftig sollen sie leichter Blut spenden dürfen, so Gesundheitsminister Karl Lauterbach.

Schwule und bisexuelle Männer dürfen laut Bundesärztekammer nur Blut spenden, wenn sie in einer monogamen Beziehung leben oder in den zurückliegenden vier Monaten keinen Sexualverkehr mit "einem neuen oder mehr als einem Sexualpartner" hatten. Nun dringt die Ampel-Koalition auf eine Korrektur.

In einem "Formulierungsvorschlag" für die Koalitionsfraktionen mahnt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Änderung an. "Die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität dürfen keine Ausschluss- oder Rückstellungskriterien sein“, heißt es in einem Antrag zur Änderung zum Transfusionsgesetz, der unserer Redaktion vorliegt.

Versteckte Diskriminierung dürfe es nicht geben, mahnte Lauterbach gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die Bundesärztekammer muss endlich nachvollziehen, was im gesellschaftlichen Leben längst Konsens ist.“

Der Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, begrüßte das Vorhaben. "Die Abschaffung der Diskriminierung ist längst überfällig und ich freue mich, dass Karl Lauterbach das jetzt angeht“, sagte der Grünen-Politiker unserer Redaktion. "Die Bundesärztekammer hatte lange genug Zeit das zu ändern, jetzt regeln wir als Ampelkoalition das gesetzlich“, so Lehmann.

Blutspenden: Ampel-Koalition setzt die Bundesärztekammer unter Druck

Nach den Plänen der Ampel-Koalition soll die Gesetzesänderung zum 1. April in Kraft treten. Der zuständigen Bundesärztekammer blieben dann noch vier Monate, um im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut die Blutspende-Richtlinien anzupassen. Der Entwurf der Koalitionsparteien besagt klar, dass gruppenbezogene Ausschluss- oder Rückstellungstatbestände nicht mehr zulässig seien.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagt:
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagt: "Die sexuelle Orientierung soll nicht über die Zulassung zur Blutspende entscheiden." Mit einer entsprechenden Initiative setzen er und die Ampel-Parteien die originär zuständige Bundesärztekammer mächtig unter Druck.

Die Bundesärztekammer betonte gegenüber unserer Redaktion, sie überprüfe ihre Richtlinien "in einem ergebnisoffenen Verfahren". Eine aktualisierte Fassung davon werde schon im Februar 2023 zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt. Aus Gründen der Sicherheit der Patientinnen und Patienten sei evident, dass allein wissenschaftliche Erkenntnisse und Daten Grundlage von Richtlinien in der Medizin sein dürften. Berücksichtigt werde unter anderem, dass die Bewertung des sexuellen Risikos, das zu einem Ausschluss oder einer Rückstellung von der Spende führe, auf Grundlage des jeweiligen individuellen Risikoverhaltens der spende-willigen Person erfolge.

Blutspenden: Die bisherige Praxis läuft auf ein Verbot für Schwule hinaus

Rückblick: Die Blutspende-Einschränkungen für Homosexuelle stammen aus der Zeit der Aids-Krise. Man hielt es damals für eine Frage der Gesundheit. Damals wurde befürchtet, dass bei Männern, die Sex mit Männern haben, das Risiko einer Weitergabe des Virus durch eine Blutspende besonders hoch sei. Sie durften deshalb lange Zeit überhaupt kein Blut spenden. 2017 kam dann die erste "Liberalisierung": Fortan durften sie Blut spenden, aber nur, wenn sie ein Jahr lang keinen Sex mit einem Mann hatten. Diese Regelung schloss laut Deutsche Aidshilfe faktisch die allermeisten schwulen und bisexuellen Männer aus.

Erst seit Ende September 2021 dürfen sie Blut spenden, wenn sie in einer dauerhaften monogamen Beziehung leben. Aber sexuelle Kontakte zwischen Männern außerhalb solcher Beziehungen führen zu einem Ausschluss für vier Monate. Zum Vergleich: Beim Sexualverkehr zwischen Männern und Frauen führen nur "häufig wechselnde Partner/Partnerinnen" zum Ausschluss.

Blutspenden: Für Lauterbach keine Frage der sexuellen Orientierung

Nach dem Regierungswechsel beschlossen dann SPD, Grüne und FDP das "Blutspendeverbot für Männer, die Sex mit Männern haben sowie für Trans-Personen“, abzuschaffen. Ob jemand Blutspender werden kann, sollte für Lauternach allein eine Frage des Risikoverhaltens sein und nicht der sexuellen Orientierung. Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte unserer Redaktion. "eine individuelle Risikoeinstufung hätte schon lange als Grundlage für die Blutspende gelten sollen".

Stellt sich die Bundesärztekammer taub, lässt sie die viermonatige Frist verstreichen, reagiert sie nicht und spielt auf Zeit, geht die Zuständigkeit einmalig auf das Paul-Ehrlich-Institut über. Dieses müsste sich mit dem Robert-Koch-Institut verständigen und binnen zwei Monate eine neue Regelung nach dem "allgemein anerkannten Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen" präsentieren. Nach einem Jahr will das Bundesministerium für Gesundheit die Praxis evaluieren.

Die Bundesärztekammer reagierte gereizt auf solche Planspiele. Sie warnte "vor Bestrebungen der Politik, die Richtlinienkompetenz von der Bundesärztekammer auf weisungsgebundene Bundesoberbehörden zu verlagern". Wenn die politischen Entscheidungsträger bei den Auswahlkriterien für die Blutspende von diesem wissenschaftlichen Stand abweichen wollen, "dann stehen sie auch in der unmittelbaren Verantwortung gegenüber den Menschen, wenn diese zu Schaden kommen."