Washington. Nach mehreren Wahlgängen gibt es noch keinen neuen Sprecher für das US-Repräsentantenhaus. Daran scheitert der Republikaner McCarthy.

Heilloses Chaos im Plenarsaal des US-Repräsentantenhauses, eine Verwirrung, die es seit 100 Jahren nicht mehr gegeben hatte: Die Bestimmung des "Sprecher des Repräsentantenhauses", in der Regel eine Routineangelegenheit, wurde nicht im ersten Wahlgang entschieden.

Im Falle des klaren republikanischen Favoriten Kevin McCarthy nicht einmal in der dritten Runde. Für die republikanische Partei, die so gespalten ist wie selten zuvor, ist das nicht nur eine weitere Schlappe, sondern eine regelrechte Blamage.

Wahl der drittmächtigsten Person im Lande

Das US-Repräsentantenhaus setzt an diesem Mittwoch die Abstimmung über den mächtigsten Posten im amerikanischen Parlament und die drittmächtigste Person im Lande fort.

Was alles auf dem Spiel steht, ist nicht zu unterschätzen. Sollten Präsident Joe Biden und dessen Stellvertreterin Kamala Harris aus irgendwelchen Gründen nicht imstande sein, ihr Amt auszuüben, dann würde der "Speaker of the House" – während der letzten vier Jahre war das die mächtige Demokratin Nancy Pelosi, in das Oval Office des Weißen Hauses einziehen.

"Speaker" entscheidet fast eigenhändig über Gesetzentwürfe

Im politischen Tagesgeschäft noch wichtiger: Der "Speaker" ist deswegen so bedeutend, weil er oder sie Fraktionschef der Mehrheitspartei ist und somit fast eigenhändig entscheiden kann, ob Gesetzesentwürfe, die in diesem Fall von einem demokratischen Präsidenten stammen, Chancen haben oder sofort begraben werden.

Dabei kann es um neue Hilfe für die Ukraine gehen, eine Einwanderungsreform oder besonders brisant, eine Anhebung der gesetzlichen Schuldengrenze, die notwendig sein wird, um die erste Staatspleite in der Geschichte der USA zu verhindern.

Warum tut sich McCarthy so schwer?

Warum aber tut sich der 57-jährige Abgeordnete aus Kalifornien so schwer? Schließlich hatte seine Partei ihn mit klarer Mehrheit zum Spitzenkandidaten gekürt, der gegen den linksliberalen Demokraten Hakeem Jeffries aus New York antrat.

Hätten nur 218 der 222 Republikaner McCarthy im Rennen gegen Jeffries ihre Stimme geschenkt, dann wäre die Wahl längst vorbei. 19 Republikaner stimmten beim ersten Durchgang aber für diverse "MAGA Trumpisten", die ähnlich wie der ehemalige Präsident behaupten, dass die Präsidentschaftswahl 2022 gestohlen wurde.

Folglich hatte am Ende des ersten Durchgangs sogar der Demokrat eine Mehrheit der Stimmen auf dem Konto, nämlich 212, aber nicht genug, um mit 218 zum Sieger erklärt zu werden.

Rechter Parteiflügel will McCarthy "Verrat" heimzahlen

Sie wollen McCarthy das mächtige Amt verweigern, weil bei den Kongresswahlen sein Spendenkomitee (PAC) mehrere hundert Millionen Dollar investiert hatte, um Kandidaten, die Trump unterstützt hatte, zu demontieren. Das gelang McCarthy, und nun will ihm der rechte Parteiflügel diesen "Verrat" heimzahlen.

Auch fürchten die Erzkonservativen, dass er als "Speaker" zu Kompromissen mit Biden und den als "sozialistisch" verschrienen Demokraten bereit wäre.

Derzeit ist offen, wie McCarthy in den Stunden bis zur neuerlichen Abstimmung am Mittwochmittag (Ortszeit/18.00 Uhr MEZ) die fehlenden Stimmen sichern will. Hinter den Kulissen dürfte es nun intensive Verhandlungen geben. Möglich ist auch, dass ein neuer Kandidat auserkoren und aufgestellt wird, auf den sich möglicherweise eine Mehrheit der Republikaner verständigen kann. (mit dpa)