Berlin . Wer Betrug oder Korruption meldet, soll vor Racheaktionen geschützt werden. Können Behörden oder Unternehmen dies sicherstellen?

Wer Missstände melden will, soll es anonym tun können und Schutz genießen. Das hat der Bundestag am Freitag beschlossen. Tausendfach müssen Behörden und Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern dafür nun eigens Anlaufstellen schaffen. Die drei wichtigsten Fragen zum "Hinweisgebersystem", zum so genannten Whistleblowergesetz.

Was will der Bundestag erreichen?

Erst einmal setzt Deutschland eine EU-Richtlinie um. Das Gesetz muss den Bundesrat noch passieren und dürfte im ersten Quartal 2023 in Kraft treten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen leichter Betrügereien, Korruption und Verstöße jeder Art melden können, beispielsweise wenn der Daten-, Umwelt- und Tierschutz oder die Lebensmittelsicherheit verletzt werden.

Auch Hinweise auf mangelnde Verfassungstreue können gemeldet werden, etwa bei Polizei und Geheimdiensten. Der Schutz gilt unter bestimmten Bedingungen auch, wenn sich der Whistleblower wie der frühere CIA-MItarbeiter Edward Snowden direkt an die Medien wendet.

Was kommt auf die Wirtschaft zu?

Laut Justizminister Marco Buschmann (FDP) ist das Gesetz "so bürokratiearm wie möglich". Das ändert aber nichts daran, dass jedes Unternehmen eine Anlaufstelle schaffen muss: Sei es im eigenen Betrieb, sei es im Verbund mit anderen Unternehmen, sei es in einer Anwaltskanzlei.

Entscheidend ist, dass der Informant gegen Repressalien oder Racheakte geschützt ist. Nicht zuletzt soll er spätestens nach drei Monaten eine Rückmeldung erhalten und erfahren, ob und welche Folgen sein Hinweis hatte. Seine Identität soll vertraulich bleiben.

Das Gesetz schreibt vor, "gegen hinweisgebende Personen gerichtete Repressalien sind verboten“. Das gilt schon für die Androhung von "Konsequenzen". Wird ein Informant nach der Meldung beruflich benachteiligt, wird pauschal eine Repressalie vermutet. Faktisch läuft es auf eine Umkehr der Beweislast hinaus: Der Arbeitgeber muss das Gegenteil beweisen. Aber: Missbraucht der Whistleblower sein Privileg, um vorsätzlich andere schlecht aussehen zu lassen, droht ihm Schadenersatz.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Sowohl die Gewerkschaften als auch die Nichtregierungsorganisation Transparency International sind zufrieden, fordern aber Nachbesserungen. Sie beklagen, dass potenzielle Hinweisgeber sich nicht immer sicher sein können, ob sie geschützt sind. "Wer den Mut hat, Missstände wie beispielsweise mangelnden Arbeitsschutz oder den Verkauf von altem Fleisch zu melden, verdient Dank und Anerkennung, statt Angst vor Repressalien und Nachteilen. Das hätte klarer geregelt werden müssen", sagte etwa DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. (fmg)