Berlin . Russland würde sich Vorschläge zu Friedensgesprächen “anhören“. Sucht Putin nach einem gesichtswahrenden Ausweg aus dem Ukraine-Krieg?

Zum zweiten Mal binnen einer Woche lässt Russland seine Bereitschaft zu Verhandlungen durchblicken. Außenminister Sergej Lawrow sagte im Staatsfernsehen, sollten die USA ein Treffen zwischen Kremlchef Wladimir Putin und Präsident Joe Biden anbieten, werde man es prüfen. Beginnt die Suche nach einem gesichtswahrenden Ausweg im Ukraine-Krieg?

Vor einer Woche hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew per Dekret Verhandlungen mit Putin verboten, wohlgemerkt: mit Putin, nicht mit Russland. Daraufhin ließ der Kremlchef über seinen Sprecher Dmitri Peskow erklären, die "spezielle Militäroperation" werde nicht enden, wenn die Ukraine Gespräche ausschließe. Dafür seien zwei Seiten nötig.

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Ein Treffen würde sich fast natürlich am 15. und 16. November beim G-20-Gipfel im indonesischen Bali ergeben. Biden und Putin sind dort, Selenskyj auch. Sie werden sich kaum aus dem Weg gehen können.

Experten wie der Kieler Politologe Joachim Krause hatten schon Mitte August einen solchen Schritt für möglich gehalten, "Russland ist erschöpft und wird diesen Krieg nicht mehr lange durchhalten können", sagte er damals unserer Redaktion. "Es wäre im russischen Interesse, jetzt einen Verhandlungsfrieden anzubieten." Wie zur Bestätigung hat die Ukraine im Zuge einer Gegenoffensive weite Gebiete im Norden und Osten des Landes zurückerobert und selbst die Krim unsicher gemacht.

Es kann kein Zufall sein, dass das Staatsfernsehen Lawrow nach einem Treffen beim G-20-Gipfel fragt. "Wir haben kein ernsthaftes Angebot bekommen, mit ihnen in Kontakt zu treten“, antwortete Lawrow. Es sieht so aus, als hätte Lawrow einen Stein ins Wasser geworfen, um zu beobachten, ob er Kreise zieht.

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Es ist logisch, dass er Biden im Auge hat. Zum einen hatte Selenskyj den Kremlchef quasi zur unerwünschten Person erklärt. Zum anderen sieht man die USA als Kriegspartei und Schlüssel zur Konfliktlösung. Letztes ist schon deshalb richtig, weil die USA der mit Abstand größte Waffenlieferant der Ukraine und der Türöffner der Nato sind. Selenskyj braucht Biden, um im Ukraine-Krieg zu bestehen, aber auch um der Allianz beizutreten. Kürzlich hatte er öffentlichkeitswirksam einen Antrag zur zügigen Aufnahme angekündigt.

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Als der Krieg einen Monat alt war, setzten sich beide Seiten in Istanbul an einen Tisch und redeten über eine Feuerpause. Damals war Putin noch in der Lage, Bedingungen zu stellen. Als Ziele gab er die „Entmilitarisierung" und „Entnazifizierung“ der Ukraine an. Auch sollte sie einen neutralen Status behalten und Donezk, Luhansk sowie die Krim aufgeben. Selbstredend hat er damals auch alle Forderungen Selenskyjs nach einem Treffen überhört. Inzwischen haben sich die Kräfteverhältnisse allerdings verändert und sich Russlands Chancen auch angesichts vieler Kriegsverbrechen verschlechtert.

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Nikolai Patruschew (70), enger Vertrauer, Sekretär des Sicherheitsrates, wie Putin aus Leningrad: Er löste ihn schon 1999 als Geheimdienstchef ab.
Nikolai Patruschew (70), enger Vertrauer, Sekretär des Sicherheitsrates, wie Putin aus Leningrad: Er löste ihn schon 1999 als Geheimdienstchef ab. © Ronen Zvulun/ AFP
Sergei Sobjanin (64) leitete früher Putins Präsidialamt. Als Bürgemeister von Moskau ist er längst aus Putins Schatten getreten.
Sergei Sobjanin (64) leitete früher Putins Präsidialamt. Als Bürgemeister von Moskau ist er längst aus Putins Schatten getreten. © Alexander Astafyev/AFP)
Sergei Kirijenko (60), noch ein Mann aus dem  Dunstkreis Putins: Als Vize-Stabschef im Präsidialamt sitzt er im Zentrum der Macht.
Sergei Kirijenko (60), noch ein Mann aus dem Dunstkreis Putins: Als Vize-Stabschef im Präsidialamt sitzt er im Zentrum der Macht. © Sergei Savostyanov//dpa
Igor Setschin (62),  Manager, Yacht-Eigner, wegen seiner grimmigen Miene
Igor Setschin (62), Manager, Yacht-Eigner, wegen seiner grimmigen Miene "Darth Vader" genannt: Die EU führt ihn auf einer "schwarzen Liste". © Alexei Druzhinin/AFP
Dmitri Medwedew, Ex-Regierungschef und Präsident: Mit 57 Jahren der Benjamin in der Runde, ein Scharfmacher im Ukraine-Krieg.
Dmitri Medwedew, Ex-Regierungschef und Präsident: Mit 57 Jahren der Benjamin in der Runde, ein Scharfmacher im Ukraine-Krieg. © Yekaterina Shtunika/AFP
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Der Türkei ist es später gelungen, zwischen beiden Seiten ein Abkommen über Weizenlieferungen zu vermitteln. Am Donnerstag trifft Putin den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der kasachischen Hauptstadt Astana. Peskow erklärte, es sei "möglich", dass die beiden Staatsoberhäupter einen Vorschlag zur Aufnahme von Gesprächen über einen Frieden in der Ukraine erörtern würden.

Jeder Krieg endet mit Friedensverhandlungen. Die Frage ist immer nur, wer ist am meisten erschöpft, wer führt solche Gespräche aus einer Position der Stärke heraus – und wer aus einer Position der Schwäche.

Putin gehen langsam die Optionen im Ukraine-Krieg aus

Bisher ging man davon aus, dass Putin drei Optionen blieben: Verhandeln, eskalieren, den Konflikt "einfrieren". Die letzte Position ist aufgrund der ukrainischen Geländegewinne unrealistisch geworden. Eskalieren kann er immer noch, beispielsweise mit Atomwaffen, doch hat der Westen klargemacht, dass er darauf vehement reagieren würde. Blebit also: Verhandeln.

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Nur: Mit welchem Ziel? Um sich militärisch neu zu sortieren und später die Ukraine erneut anzugreifen? Nicht untypisch ist, dass Putin vor Verhandlungen noch mal Stärke demonstriert, indem er die Ukraine mit Luftangriffen überzieht.

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Wirklich verbessert hat er seine Ausgangsposition damit indes nicht, ganz im Gegenteil.Die groß angelegte russische Angriffsserie auf ukrainische Städte hat international Empörung hervorgerufen. UN-Generalsekretär António Guterres beklagte eine "weitere inakzeptable Eskalation des Krieges“.

Selenskyj versichert, dass sein Land sich von den Angriffen nicht einschüchtern lasse. „Die Ukraine kann nicht eingeschüchtert werden. Sie kann nur geeinter sein. Die Ukraine kann nicht aufgehalten werden“, sagte er jüngst in einer Videobotschaft und kündigte an, das Schlachtfeld "noch schmerzhafter“ für die russischen Truppen zu machen.

Ukraine-Krieg – Hintergründe und Erklärungen zum Konflikt

Am meisten schmerzt Russland, dass die USA umgehend zusagten, der Ukraine ein modernes Flugabwehrsystem zu liefern. Die Waffenlieferung verlängere den Konflikt nur, warnte Peskow. Dann aber trat Lawrow auf den Plan und versicherte: Russland sei bereit, sich Vorschläge zu Friedensgesprächen anzuhören.

Geht da was?

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Dieser Artikel erschien zuerst auf www.morgenpost.de.