Berlin. FDP-Minister Marco Buschmann verspricht 200 Millionen Euro für den „Pakt für den digitalen Rechtsstaat“. Reicht das den Ländern?

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) will den Ländern mit insgesamt 200 Millionen Euro in den kommenden Jahren bei der Digitalisierung der Justizbehörden helfen. Das geht aus einem Brief von Buschmann an die Justizministerinnen und Justizminister der Länder hervor, der unserer Redaktion vorliegt.

„Bereits im kommenden Haushaltsjahr sollen Mittel in Höhe von 50 Millionen Euro für Projekte zur Digitalisierung bereitgestellt werden“, heißt es in dem Schreiben. „Es ist beabsichtigt, dass der Bund für diese Projekte in den kommenden Jahren in Summe bis zu 200 Millionen Euro bereitstellt.“

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Bei der Stärkung der Justiz komme der Digitalisierung eine „Schlüsselrolle“ zu, hebt der Bundesminister hervor. „Prozesse und Verfahren werden effizienter, die Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg mit gemeinsamen Schnittstellen und einheitlichen Standards leichter.“ Der FDP-Politiker ergänzt in dem Brief: „Nur ein Rechtsstaat, der technisch nicht hinterherhinkt, wird dauerhaft eine hohe Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern genießen.“

Auf einen „Pakt für den digitalen Rechtsstaat“ hatte sich die Bundesregierung von SPD, Grünen und FDP im Koalitionsvertrag geeinigt. „Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz“, heißt es darin.

Bisher flossen 110 Millionen Euro vom Bund an die Länder zur Stärkung der Justiz

Der „Pakt für den digitalen Rechtsstaat“ folgt auf den „Pakt für den Rechtsstaat“, auf den sich Bund und Länder in der Vergangenheit geeinigt hatten. Dabei geht es vor allem um den Aufbau von Personal bei Gerichten und anderen Justizbehörden. Die Justiz ist – abseits etwa der Bundesgerichte und des Generalbundesanwalts – Aufgabe der Länder. Sie tragen die Finanzierung. Der Bund kann aufgrund des Föderalismus in Deutschland allenfalls projektbezogen helfen.

Bisher sind 110 Millionen Euro vom Bund an die Länder zur Stärkung der Justiz geflossen. Weitere 110 Millionen Euro im Rahmen des ersten „Paktes für den Rechtsstaat“ sollen laut Bundesregierung bis Ende des Jahres an die Länder gezahlt werden.

Der Bund muss bereits mehrere Entlastungspakete stemmen

In den vergangenen Monaten hatten die Landesregierungen auf mehr Geld vom Bund zum Aufbau der Justiz gefordert – aus Sicht der Bundesregierung teilweise verbunden mit überzogenen Forderungen. Auch Justizminister Buschmann hebt nun in seinem Brief an die Länder hervor: „So sind die ökonomischen Folgen des völkerrechtswidrigen Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine für den Bund enorm.“

Der Bund muss bereits mehrere Entlastungspakete angesichts der Energiekrise und der steigenden Inflation stemmen. Hinzukommen weitere 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr. Buschmann schreibt: „Gleichwohl wird das Bundesministerium der Justiz einen Pakt für den digitalen Rechtsstaat auflegen, um gemeinsam mit den Ländern Digitalisierungsprojekte in der Justiz zu verwirklichen und damit auch die Länder zu entlasten.“

Kritik kommt unter anderem vom Richterbund

Für den Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn, reicht der Vorstoß von Buschmann hingegen nicht aus. „Das erste Angebot greift zu kurz, um den Rechtsstaat nachhaltig zu stärken, ein neuer Pakt muss auch den wichtigen Baustein des zusätzlichen Personals umfassen“, sagte Rebehn unserer Redaktion und sprach sich für weitere Verhandlungen aus. Damit müsste rasch begonnen werden. Rebehn: „Das Kanzleramt muss jetzt übernehmen und den Bund-Länder-Konflikt durch eine verbindliche Vereinbarung mit den Ministerpräsidenten lösen.“

Der bayerische Justizminister, Georg Eisenreich(CSU), sagte der dpa am Freitag nach dem Gespräch mit Buschmann: „Das Angebot ist in jeder Hinsicht unzureichend.“ Die Summe, die über mehrere Jahre verteilt werden solle, sei nicht angemessen. Der Weg über Projektfinanzierungen lasse zudem offen, ob dies überhaupt zu einer Entlastung der Länder führen werde. Er erwarte stattdessen „eine angemessene Beteiligung des Bundes an den Kosten, die durch Bundesgesetze verursacht werden“, sagte Eisenreich.

Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne) erklärte, der Vorschlag des Bundesjustizministeriums bilde „nicht ansatzweise ab, vor welchen großen Herausforderungen die Justiz grundsätzlich und im Hinblick auf die Digitalisierung steht“. Auch Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) nannte das Angebot des Bundes unzureichend. Gallina und Havliza verwiesen darauf, dass sich die Ampelkoalition auf eine Verstetigung des Paktes für den Rechtsstaat verständigt habe. Dem ersten Gespräch zu dem Thema müssten nun weitere folgen. (mit dpa)