Berlin. Vor dem Parteitag der CDU mahnt der JU-Chef Tilman Kuban seine Partei, Politik nicht für eine “lautstarke Minderheit“ zu machen.

Vor dem CDU-Parteitag gibt es kritische Stimmen aus den eigenen Reihen – meist hinter vorgehaltener Hand: Friedrich Merz sei nicht recht wiederzuerkennen, seit er an der Spitze der Partei stehe. Der einstige Wortführer der Konservativen und Wirtschaftsliberalen bediene zu sehr die politische Mitte. Tilman Kuban hat als Chef der Jungen Union den Wiederaufstieg von Merz maßgeblich unterstützt. Im Interview sagt Kuban, was er jetzt erwartet.

Sind Sie immer noch Fan von Friedrich Merz?

Tilman Kuban: Friedrich Merz macht den Job als Fraktionsvorsitzender sehr stark. Wir sind als Opposition klar und treiben die Regierung zu richtigen Entscheidungen wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr oder den ersten Waffenlieferungen für die Ukraine.

Und als Parteivorsitzender? Einige in der CDU vermissen Profil und beklagen, Merz sei Merkel zu ähnlich geworden.

Kuban: Friedrich Merz will, dass wir eine Partei sind, die den Fokus auf die normalen Menschen, auf die Mehrheit in Deutschland und deren Bedürfnisse ausrichtet. Dafür braucht es ein klares Profil, das sich so beschreiben lässt: Alle Leute, die hier mit anpacken und sich einbringen wollen, sind Teil unserer Gesellschaft. Egal, wo jemand herkommt, wo er geboren wurde, woran er glaubt und wen er liebt. Politik zu machen für die Mehrheit im ganzen Land und nicht für eine lautstarke Minderheit auf Twitter – das ist das Alleinstellungsmerkmal der CDU und unser Spirit.

Von welcher Minderheit sprechen Sie?

Kuban: Man kann auf der einen Seite über weiße Männer mit Dreadlocks und Winnetou-Bücher sprechen oder sich andererseits übers Gendern empören, aber das sind nicht die Probleme der Mehrheit der Menschen in Deutschland. Wir werden in der CDU in den nächsten Monaten heiße Diskussionen führen, wenn es um die Frage des Grundsatzprogramms geht. Wir müssen Substanz und konkrete Konzepte aufbauen für die Bundestagswahl 2025, um zu zeigen, wofür es eine CDU-geführte Bundesregierung braucht. Als Junge Union wollen wir daher auf dem Parteitag zum Beispiel über die Schaffung von Wohneigentum durch Mietkaufmodelle und eine Bafög-Reform diskutieren. Außerdem brauchen wir eine Debatte zur Zukunft der Europäischen Union.

Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union (JU).
Tilman Kuban, Vorsitzender der Jungen Union (JU). © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Welche Rolle spielt dabei der Generalsekretär?

Kuban: Mario Czaja wird gemeinsam mit dem Parteivize Carsten Linnemann diese Debatten jetzt organisieren. Soweit ich das sehe, ist das in vollem Gange.

Deutschland diskutiert über die Energiekrise – der CDU-Parteitag über die Frauenquote und ein verpflichtendes Dienstjahr für junge Leute. Was ist das für ein Signal?

Kuban: Die Junge Union hat weder die parteiinterne Frauenquote noch das Pflichtjahr auf die Tagesordnung gesetzt und ich glaube auch nicht, dass das die Themen sind, die den Menschen nachts den Schlaf rauben. Vielmehr muss der Fokus auf unserem Energieantrag liegen.

Wie stimmen Sie über die Frauenquote ab?

Kuban: Wenn ich mit den jungen Frauen bei uns rede, dann sagen sie mir, dass sie nach vorne kommen wollen, weil sie gut sind und nicht, weil sie eine Frau sind. Ich habe in der Jungen Union die Förderung von Frauen zur Führungsaufgabe gemacht. Wir haben den CDU-Bundesvorstand zum jüngsten und weiblichsten in der Geschichte gemacht. Und in der Spitze der JU sind jetzt zu über 40 Prozent Frauen. Deshalb ist es mir zu einfach, die Debatte auf die Frauenquote zu verengen. Es kommt darauf an, die Parteiarbeit in der CDU attraktiver zu machen. Wir brauchen ein Recht auf digitale Zuschaltung zu Parteiveranstaltungen, feste Anfangs- und Endzeiten in Sitzungen und eine politische Elternzeit. Diese konkreten Änderungen helfen mehr als jede Quote. Ich persönlich stimme gegen die Frauenquote, so wie es die Junge Union beschlossen hat.

Was würde ein Pflichtjahr bewirken?

Kuban: Als Junge Union ermutigen wir seit vielen Jahren unsere Generation zu mehr gesellschaftlichem Engagement. Wir sollten allerdings nicht über den Kopf der Jungen entscheiden, sondern erst einmal mit ihnen einen Dialogprozess einleiten. Die Debatten zu Uploadfilter, Klima- oder Coronapolitik haben gezeigt, dass eine Entscheidung über die Köpfe der Jugend nicht funktioniert. Die Quittung gab es bei der Wahl im letzten Jahr. Es ist bezeichnend, dass die Forderung nach einem Gesellschaftsjahr häufig von älteren Politikern aufgemacht wird. Auf dem Parteitag sitzt doch keiner, den das betreffen würde.

Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.