Berlin . Am 24. August feiert die Ukraine ihre Unabhängigkeit. Ein zwiespältiges Datum, der Krieg ist dann auf den Tag genau sechs Monate alt.

Zwei Mal hat die Ukraine ihre Unabhängigkeit proklamiert, 1919 nach dem ersten Weltkrieg – von der Sowjetunion durchkreuzt – und erneut 1991, um sich von ihr los zu lösen. Am 24. August 1991 erklärte das Parlament in Kiew die Ukraine zu einem unabhängigen Staat. Jahrelang wurde der Feiertag mit einer Militärparade begangen.

Nun rückt der Jahrestag näher, in Kriegszeiten ein zwiespältiges Datum. Denn an einem 24sten startete auch Russlands Präsident Wladimir Putin den Ukraine-Krieg, auf den Tag genau vor sechs Monaten.

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Einerseits ist die Freude über die anhaltende Selbstbehauptung groß: Hurra, wir leben noch. Nicht minder groß ist andererseits Sorge, dass der Aggressor zum Jahrestag eine Offensive startet. Präsidentenberater Olexij Arestowytsch erklärte nach Berichten aus Kiew, die Ukraine stelle sich an dem Tag auf russische Raketenangriffe auf die Hauptstadt ein.

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Ukraine: Für Putin ist das Land zu europäisch

Völlig unbeschwert haben viele Ukrainer hingegen den 24. August 1991 in Erinnerung. Vitali Klitschko, heute Bürgermeister von Kiew, damals noch Boxer, träumte nach eigenen Aussagen davon, "ein modernes, ein europäisches Land aufzubauen". Zu europäisch, zu modern, zu westlich für Putins Geschmack, wie man heute weiß.

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2004 dann: die "Orangene Revolution". Hunderttausende gehen auf die Straße, genauer gesagt: auf dem Maidan, Kiews zentralem Platz. Sie protestieren gegen eine manipulierte Wahl von Viktor Janukowitsch zum Präsidenten. Die vom höchsten Gericht der Ukraine angeordnete Neuwahl gewinnt Viktor Juschtschenko, der während des Wahlkampfs mit Dioxin vergiftet worden war.

Indes wird auch er viele Hoffnungen enttäuschen, die Folgewahl fünf Jahre später gewinnt sein Widersacher Janukowitsch. Ein Abkommen mit der EU scheitert an immer unverhohlenen Drohungen aus Moskau.

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2014 greift Russland die Ukraine an und annektiert die Krim. In der Ostukraine kommt es zu kriegerischen Auseinandersetzungen, Separatisten streben die Loslösung von der Ukraine an – hin zu Russland. Aus heutiger Sicht: Das Vorspiel zur Invasion, die am 24. Februar 2022 ihren Lauf nahm.

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Präsident Wolodymyr Selenskyj hat inzwischen einen weiteren Feiertag erfunden, den Tag der Staatlichkeit am 28. Juli. Er erinnert an Großfürst Wolodymyr, der das Christentum am 28. Juli 988 zur Staatsform erklärte.

Am 28. Juli erklärte Selenskyj, "wir sind Bürger des stärksten Landes der Welt", des Staates, der am 155. Tag des Kriegs Russlands die Kraft habe, diesen Feiertag zu begehen.

Am 24. August wird er sich nicht minder siegessicher geben. Allerdings fragen sich viele Beobachter, wie Putins Konter aussehen wird: die vollständige Eroberung und Annexion des Donbass? Und ein Referendum zugunsten Russlands?

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