Berlin. Manuela Schwesig und Franziska Giffey führten die SPD in ihren Bundesländern zum Sieg. Welche Rolle spielen sie künftig in der Partei?

Nach der Bundestagswahl richten sich in der SPD die Blicke zwar vor allem auf den erfolgreichen Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Doch neben ihm spielen bei den Sozialdemokraten bald zwei starke Frauen eine größere Rolle: Manuela Schwesig und Franziska Giffey haben in ihren Bundesländern die SPD zum Sieg geführt – Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern sehr souverän, Giffey in der Hauptstadt Berlin nach einer Zitterpartie – und werden nun auch in der Bundes-SPD mit größerem Gewicht auftreten. „Demokratie ist weiblich“, jubelte die bestätigte Ministerpräsidentin Schwesig schon am Wahlabend. Und Giffey feierte stolz ihre „Aufholjagd“.

Bundestagswahl: Sieger-Duo an Seite von Scholz

Ein ungewöhnliches Sieger-Duo: Beide waren schon Bundesfamilienministerin, beide kommen aus Ostdeutschland, beide vertreten in der SPD einen pragmatischen, ideologiefreien, bodenständigen Mitte-Kurs. Als Angehörige der Altersgruppe „U50“ geben sie der SPD zugleich ein jüngeres Gesicht.

Wären die Sozialdemokraten so abgestürzt, wie es noch vor drei Monaten alle Umfragen voraussagten, stünde die SPD nun wohl vor einer Führungsdiskussion, in der die beiden Frauen eine zentrale Rolle spielten.

Vor allem Schwesig wäre dann als Vorsitzende in Frage gekommen, was den Blick schnell auch auf die nächste Kanzlerkandidatur gerichtet hätte. Angesichts des wundersamen Wiederaufstiegs der Partei ist diese Debatte vertagt. Aber Schwesig und Giffey haben noch Zeit.

Und wenn ein SPD-Bundesparteitag in einigen Monaten einen neuen Vorstand wählt, dürften eine oder beide Frauen mindestens als Vize-Vorsitzende bereitstehen. Schon dann könnten sie auch sichtbar zu Konkurrentinnen werden.

Schwesig, die 2019 vorübergehend eine der kommissarischen Parteivorsitzenden war, hat sich dabei einen deutlichen Vorsprung erarbeitet. In Mecklenburg-Vorpommern holte sie 39,6 Prozent der Stimmen, ein Zuwachs um 9 Prozentpunkte: Auf den Wahlplakaten hatte sich die gelernte Diplom-Finanzwirtin selbstbewusst als „die Frau für MV“ empfohlen - ohne Parteilogo. Wie selbstverständlich nennt sie sich „Landesmutter“. Kein Zweifel, Schwesig sitzt nach vier Jahren als Ministerpräsidentin bombenfest im Sattel.

Schwesig betreibt knallharte Machtpolitik

Als sie 2017 den an Krebs erkrankten Erwin Sellering im Regierungsamt beerbte, wurde sie hier und da noch als „Küstenbarbie“ verulkt. Davon ist keine Rede mehr. Die 47-Jährige regiert mit fester Hand. Ihre Lehrjahre erst in Schwerin, wo sie fünf Jahre Sozialministerin war, und dann von 2013 bis 2017 als Bundesministerin haben sich ausgezahlt. Sie betreibt knallharte, mitunter ruchlose Machtpolitik, setzt Vertraute aus Berlin gegen Widerstände in wichtige Regierungsämter und verbindet alle Leistungen der Landesregierung geschickt mit ihrer Person.

In der Corona-Krise fuhr Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern einen eigenen, erfolgreichen Kurs gegen die Pandemie – und legte sich dafür öffentlichkeitswirksam auch mit der Kanzlerin an. 2019 erkrankte sie an Brustkrebs, zog sich deshalb nach zehn Jahren vom Amt der SPD-Vizechefin zurück. Der Krebs ist inzwischen geheilt, Schwesig hielt sich aber weiter vom Berliner Politikbetrieb fern und konzentrierte sich voll auf ihre Landtagswahl.

Bei gemeinsamen Wahlkampfterminen in Mecklenburg-Vorpommern demonstrierte sie jetzt aber schon den engen Schulterschluss mit Scholz: „Wir haben zusammen viel vor“, erklärte sie. Am Wahlabend versicherte Schwesig, ein Wechsel nach Berlin stehe nicht an, sie wolle die volle Wahlperiode in Mecklenburg-Vorpommern bleiben. Aber: Einfluss auf Entscheidungen in Berlin nehmen könne sie gut auch von Schwerin aus, hatte sie schon vorher versichert.

Die Berliner Wahlsiegerin Franziska Giffey ist immerhin räumlich näher dran. Ihr Erfolg in der Hauptstadt kam unter ganz anderen Umständen zustande als Schwesigs Sieg in Mecklenburg-Vorpommern: Giffey war zwar die bekannteste Kandidatin für die Nachfolge des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD), aber sie trat in der Hauptstadt ohne Amtsbonus an.

Erst nach einer langen Zitterpartie war am Sonntagabend klar, dass die SPD mit 21,4 Prozent die Nase vorn hat, vor den Grünen. Giffey kann sich wie Schwesig nun Koalitionspartner aussuchen, doch dürfte das Regieren in Berlin deutlich herausfordernder sein als in Mecklenburg-Vorpommern.

Scholz nennt Giffey "durchsetzungsstarke Politikerin mit Herz"

Die 43-Jährige kann allerdings auf einige Erfahrung zurückgreifen: Sie war ja bis 2017 zwei Jahre lang Bürgermeisterin im Berliner Problembezirk Neukölln und brachte es dort mit Durchsetzungsstärke und Bürgernähe zu einiger Popularität, was sie in der personell ausgezehrten SPD rasch für höhere Aufgaben empfahl.

Niemand war überrascht, als sie nach der Bundestagswahl 2017 in Schwesigs Nachfolge Familienministerin wurde und bald zu einem der beliebtesten Kabinettsmitglieder aufstieg – wo Schwesig eher kühl daherkam, war Giffey herzlich und eloquent. Sie gibt sich volksnah und zupackend, mit einem Händchen für das richtige (Selbst-) Marketing, wie etwa das schon legendäre „Gute-Kita-Gesetz“ zeigte. Scholz nannte sie eine „durchsetzungsstarke Politikerin mit Herz“.

Doch eine über zwei Jahre schwelende Plagiatsaffäre wurde zum schweren Dämpfer für Giffey: Nach längerem Zögern und einer vorangegangenen Rüge erkannte ihr die Freie Universität Berlin im Juni wegen Plagiaten den Doktortitel ab. Giffey war kurz zuvor schon als Bundesfamilienministerin zurückgetreten, ein Manöver zum Druckablassen, das ihre Kandidatur in Berlin rettete. In der Hauptstadt hat Giffey trotz der Affäre gesiegt. Wie sehr die Affäre mögliche bundespolitische Ambitionen belastet, muss sich noch zeigen.