Brüssel. Die EU-Kommissarin Stella Kyriakides stellt die gesamte Erzeugung von Nahrungsmitteln auf den Prüfstand – auch wegen des Klimawandels.

Nach dem Startschuss für eine Klimaschutz-Wende in Europa nimmt die EU-Kommission die ersten großen Baustellen ins Visier. Massive Veränderungen stehen rund um unser Essen bevor: Weniger Chemie auf dem Acker, weniger weggeworfene Lebensmittel, bessere Verbraucherinformationen, gesunde Ernährung – so skizziert die zuständige EU-Kommisssarin Stella Kyriakides die Herausforderungen.

„Geschätzt elf Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU stammen aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung – da ist „Business as usual“ keine Option mehr“, sagt Kyriakides, die in ihrem neuen Amt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verantwortlich ist, im Gespräch mit unserer Redaktion.

Klimawandel: EU zum Handeln gezwungen

Vor einem Besuch der Grünen Woche in Berlin fordert sie: Damit Europa 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werde, „müssen wir einen neuen, gesünderen, gerechteren und nachhaltigeren Ansatz für Produktion und Konsum einführen.“

Eisbären leiden unter dem Klimawandel

Große dunkle Knopfaugen, helles flauschiges Fell: Eisbären gehören neben den Kodiak-Bären zu den größten fleischfressenden Landsäugetieren. Und sie stehen vor einem existenziellen Problem: Ihr Lebensraum schwindet. Am 27. Februar ist Welt-Eisbärentag.
Große dunkle Knopfaugen, helles flauschiges Fell: Eisbären gehören neben den Kodiak-Bären zu den größten fleischfressenden Landsäugetieren. Und sie stehen vor einem existenziellen Problem: Ihr Lebensraum schwindet. Am 27. Februar ist Welt-Eisbärentag. © imago/Nature Picture Library | imago stock&people
Der Eisbär ist das Symbol für die Arktis. Doch der Klimawandel und die Jagd gefährden sein Überleben. Die Organisation „Polar Bears International“, eine der größten Initiativen zur Rettung der „weißen Riesen“, schätzt einen Rückgang der Population um zwei Drittel bis zum Jahr 2050 – sollte sich bei gleichbleibenden Bedingungen nichts ändern.
Der Eisbär ist das Symbol für die Arktis. Doch der Klimawandel und die Jagd gefährden sein Überleben. Die Organisation „Polar Bears International“, eine der größten Initiativen zur Rettung der „weißen Riesen“, schätzt einen Rückgang der Population um zwei Drittel bis zum Jahr 2050 – sollte sich bei gleichbleibenden Bedingungen nichts ändern. © imago/Nature Picture Library | imago stock&people
In der Arktis gibt es laut Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN nur noch rund 26.000 Eisbären. Der durch den Klimawandel begründete Verlust des Packeises zählt zur größten Bedrohung für das Überleben der Tiere.  Auch in der Antarktis wird es immer wärmer.
In der Arktis gibt es laut Angaben der Weltnaturschutzunion IUCN nur noch rund 26.000 Eisbären. Der durch den Klimawandel begründete Verlust des Packeises zählt zur größten Bedrohung für das Überleben der Tiere. Auch in der Antarktis wird es immer wärmer. © iStock | Lanaufoto
Das Eis ist erschreckend weit zurückgegangen. Der Lebensraum der Eisbären schmilzt.
Das Eis ist erschreckend weit zurückgegangen. Der Lebensraum der Eisbären schmilzt. © imago stock&people | United Archives
Für die Jagdstrategie von Eisbären ist Eis wesentlich. Wenn flinke Ringelrobben aus Löchern auftauchen, um Luft zu schnappen, schlagen sie normalerweise zu. Doch ohne Eis gibt es keine Luftlöcher.
Für die Jagdstrategie von Eisbären ist Eis wesentlich. Wenn flinke Ringelrobben aus Löchern auftauchen, um Luft zu schnappen, schlagen sie normalerweise zu. Doch ohne Eis gibt es keine Luftlöcher. © imago stock&people | imagebroker
Für die Eisbären wird es immer schwieriger, Nahrung zu finden.
Für die Eisbären wird es immer schwieriger, Nahrung zu finden. © www.arctic-dreams.com | Kerstin Langenberger
Seit der Industrialisierung produziert der Mensch mehr Kohlendioxid und andere Treibhausgase, als die Natur wieder aufnehmen kann. Dieser menschengemachte Treibhauseffekt hat die Luft bereits erwärmt und führt so dazu, dass sich das Klima auf der Erde ändert.
Seit der Industrialisierung produziert der Mensch mehr Kohlendioxid und andere Treibhausgase, als die Natur wieder aufnehmen kann. Dieser menschengemachte Treibhauseffekt hat die Luft bereits erwärmt und führt so dazu, dass sich das Klima auf der Erde ändert. © imago/Nature Picture Library | imago stock&people
Eisbären verbringen die ersten beiden Lebensjahre bei der Mutter.
Eisbären verbringen die ersten beiden Lebensjahre bei der Mutter. © imago stock&people | imagebroker
Ihr dichtes, öliges Fell ...
Ihr dichtes, öliges Fell ... © imago/All Canada Photos | imago stock&people
... schützt den Eisbären vor Kälte und Nässe.
... schützt den Eisbären vor Kälte und Nässe. © imago | Nature Picture Library
Das potenzielle Höchstalter von Eisbären wird in freier Wildbahn auf etwa 25 bis 30 Jahre geschätzt.
Das potenzielle Höchstalter von Eisbären wird in freier Wildbahn auf etwa 25 bis 30 Jahre geschätzt. © imago | Nature Picture Library
Doch die globale Erwärmung ...
Doch die globale Erwärmung ... © imago | Nature Picture Library
... bedroht die Eisbärenpopulation.
... bedroht die Eisbärenpopulation. © imago/Nature Picture Library | imago stock&people
Dieses kleine Eisbär-Baby braucht sich keine Sorgen über seinen Lebensraum zu machen. Das Jungtier wurde im November in der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen geboren. Seit Ende Februar steht fest: Es ist ein Mädchen.
Dieses kleine Eisbär-Baby braucht sich keine Sorgen über seinen Lebensraum zu machen. Das Jungtier wurde im November in der Zoom Erlebniswelt in Gelsenkirchen geboren. Seit Ende Februar steht fest: Es ist ein Mädchen. © dpa | ---
Plüschiges Bündel mit schwarzen Knopfaugen – und ganz schön berühmt: Knut war das erste Eisbärenjunge im Zoologischen Garten Berlin seit 30 Jahren. Er wurde am 5. Dezember 2006 geboren.
Plüschiges Bündel mit schwarzen Knopfaugen – und ganz schön berühmt: Knut war das erste Eisbärenjunge im Zoologischen Garten Berlin seit 30 Jahren. Er wurde am 5. Dezember 2006 geboren. © imago | Metodi Popow
Knut wurde von Tierpfleger Thomas Dörflein von Hand aufgezogen. Die beiden erfuhren ein enormes nationales und internationales Medienecho.
Knut wurde von Tierpfleger Thomas Dörflein von Hand aufgezogen. Die beiden erfuhren ein enormes nationales und internationales Medienecho. © imago | Olaf Wagner
Im März 2011 starb Knut mit nur vier Jahren vor den Augen der Zoobesucher.
Im März 2011 starb Knut mit nur vier Jahren vor den Augen der Zoobesucher. © imago stock&people | IPON
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Green Deal: So wird der Kampf gegen den Klimawandel unser Essen verändern

Die Kommission will dazu im Frühjahr ein ehrgeiziges Konzept vorlegen, das sich „Farm-to-Fork-Strategie“ (von der Farm bis zur Gabel) nennt. Dies sei „einer der Schlüsselbausteine des Europäischen Green Deal“, sagt die 63-Jährige Zypriotin, für die Umsetzung ist sie zuständig.

Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Verbraucher. ]
Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Verbraucher. ] © Foto: dpa PA

Praktisch alles kommt auf den Prüfstand: „Ziel ist es, jeden Schritt der Lebensmittelkette von der Herstellung, Lagerung, Verarbeitung und Verpackung bis zur Verteilung, Vermarktung, Verzehr und Entsorgung zu berücksichtigen.“

Auch um mehr Verbraucherinformationen wird es dann gehen. So will die Kommissarin untersuchen lassen, welche der von EU-Staaten eingeführten freiwilligen Nährwertkennzeichnungen auf Verpackungen sich bewährt haben; ob es eine EU-weite Regelung geben wird, ist noch offen.

Und auch dem Wunsch der Verbraucher nach mehr Transparenz und klareren Informationen über die Herkunft von Lebensmitteln will sie Rechnung tragen, die Prüfung läuft. „Es geht nicht nur ums Klima“, stellt Kyriakides fest. „Unsere kollektive Gesundheit hängt von der Gesundheit unseres Planeten ab.“

Aber heißt das für die Konsumenten am Ende auch höhere Lebensmittelpreise, kein Fleisch mehr und nur noch regionale Produkte? „Es ist klar, dass wir die Art und Weise, wie wir produzieren und konsumieren, ändern müssen, daran führt kein Weg vorbei“, antwortet Kyriakides. „Unser Ziel ist es, die Sicherheit, Qualität und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln nicht zu beeinträchtigen.“ Auch interessant: So isst man gesund – ohne dem Klima zu schaden.

Kyriakides hat ehrgeizige Ziele, um Pestizid-zu verringern

Schon jetzt sei klar, „dass die Unterstützung von Landwirten und kleinen Lebensmittelproduzenten in der EU ein wichtiger Bestandteil der Strategie sein wird.“ Der Übergang müsse für alle „gerecht und fair“ sein.

Der Green Deal und die Farm-to-Fork-Strategie als integraler Bestandteil „werden niemanden zurücklassen“, verspricht sie. Neben finanzieller Unterstützung setzt die Kommissarin auch auf Innovation und Forschung.

Und sie ist bemüht, alle Akteure einzubeziehen. Beispiel Chemie auf dem Acker: „Ich möchte ehrgeizige Ziele für Pestizide vorschlagen“, sagt die Kommissarin, die sich als Gesundheitspolitikerin einen Namen gemacht hat. „In Anbetracht ihrer Rolle möchte ich, dass die Landwirte ein großes Mitspracherecht darüber haben, wie sie am besten vorgehen sollten.“

Ab 2023 müssen die EU-Staaten die Abfallmengen überwachen

Pläne der Kommission sahen vor, den Pestizid-Einsatz bis 2030 um 50 Prozent zu verringern; ob dies tatsächlich auch die Zielmarke der neuen Strategie wird, dazu äußert sich Kyriakides nicht. Sie betont, die Entwicklung und Verwendung alternativer Pflanzenschutzmittel solle gefördert, neue Technologien in den Blick genommen werden.

Klare Vorstellungen hat die Kommissarin für den Kampf gegen Lebensmittelverschwendung: „Es ist inakzeptabel, dass wir etwa 20 Prozent der produzierten Lebensmittel wegwerfen, während sich Millionen von Bürgern eine anständige Mahlzeit nicht leisten können. Aber das passiert jeden Tag“, klagt sie. „Unser Ziel ist klar: Die Lebensmittelverschwendung soll bis 2030 halbiert werden.“

Die Farm-to-Fork-Strategie werde Teil der europäischen Antwort sein.

  • Ab 2023 müssen die Mitgliedstaaten die Lebensmittelabfallmengen überwachen und darüber Berichte vorlegen.
  • Die könnten Grundlage für neue Auflagen sein.
  • Kyriakides zeigt sich entschlossen: Wenn es möglich sei, werde sie sich nicht scheuen, „realistische Ziele für Lebensmittelabfälle EU-weit festzulegen.“

Klimawandel – Mehr zum Thema:

Der Klimawandel zeigt sich inzwischen deutlich. Weltweit nehmen die Umweltkatastrophen im Zuge der Erderwärmung zu. So wird etwa in Australien der Klimawandel für die verheerenden Buschbrände verantwortlich gemacht. Forscher scheinen sich sicher zu sein: Die Erde sendet ihre letzten Alarmsignale.