Berlin. Die Entscheidung, schnell aus der Atomkraft auszusteigen, war richtig. Doch nun scheut die Regierung einen klaren Kurs bei der Energie.

Ist ein Endlager für Atommüll, der Tausende von Jahren radioaktiv verseucht sein wird, ein Standortvorteil? Auch wenn der Präsident des Bundesamts für kerntechnische Entsorgungssicherheit, Wolfram König, das so sieht, ist es nicht überraschend, dass die Bundesländer den strahlenden Müll nicht in ihrer Erde wissen wollen.

Und auch den wenigsten Arbeitnehmern dürfte die Aussicht, in der Nähe eines Endlagers zu wohnen, als großer Pluspunkt bei der Wohnortwahl erscheinen. Sonst gäbe es in Gorleben, das seit 42 Jahren ein Symbol der deutschen Endlagersuche und wo bis vor drei Jahren in einem eigenen „Erkundungsbergwerk“ geforscht wurde, sicher mehr als 600 Einwohner.

Der Standort für ein Endlager ist der Schwarze Peter, den am Ende kein Ministerpräsident seiner Wählerschaft zuschieben möchte.

Der Ausstieg aus der Atomenergie war richtig

Die Nervosität der Bundesländer verdeutlicht vor allem eines: Der Ausstieg aus der Atomenergie war richtig. Als 2011 das Atomkraftwerk in Fukushima explodierte und Angela Merkel eine 180-Grad-Wende in ihrer Atompolitik vollzog, traf sie einen Nerv.

Auf eine Stromquelle, die ein permanentes Sicherheitsrisiko darstellt, sei es durch einen Unfall oder durch einen Anschlag, hatten immer weniger Menschen Lust. Es reicht vollkommen aus, durch sanierungswürdige AKWs im Ausland gefährdet zu sein – Stichwort Aachen, wo die Stadt vor zwei Jahren aus Sorge vor dem belgischen Schrottmeiler Thiange Jodtabletten verteilte.

Zum großen Wurf fehlt der Mut

Als die Stimmung gegen Atomstrom war, stieg die Bundesregierung aus der Kernkraft aus. In drei Jahren gehen die letzten deutschen Meiler vom Netz. Bis spätestens 2038 sollen auch die umweltverpestenden Kohlekraftwerke stillgelegt werden.

Die Regierung will weg von Risiko und Stickoxiden, hin zu sauberem Strom. Schön und gut. Nur fehlt der Mut zum großen Wurf. Klar ist: Die Energiewende gibt es nicht zum Nulltarif.

Wirtschaftsredakteur Tobias Kisling fordert mehr Mut bei der Energiewende.
Wirtschaftsredakteur Tobias Kisling fordert mehr Mut bei der Energiewende. © Anja Bleyl | Anja Bleyl

Vorteil bei der Solarbranche leichtfertig verspielt

Deutschland könnte bei erneuerbaren Energien längst weiter sein. Als 2011 die Laufzeitverlängerung der Atommeiler rückgängig gemacht wurde, bot die Anfang des Jahrtausends stark geförderte Solarbranche hierzulande über 110.000 Menschen Arbeit und setzte 13,3 Milliarden Euro um.

Im vergangenen Jahr waren davon noch rund 25.000 Mitarbeiter und ein Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro übrig. China förderte mit massiven Investitionen seine Billiganbieter ausdauernder und gewann die Marktmacht.

Bei der Windkraft geht es nicht voran

Jetzt ist die Bundesregierung auf dem besten Weg, bei der Windkraft den Anschluss zu verlieren. Der Ausbau von Windrädern stockt erheblich – auch weil Bürokratie die Genehmigungsprozesse verlangsamt.

Hinzu kommt: Wieder will die Regierung nicht den Wähler vergraulen, weshalb Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) vehement für seine Abstandsregelungen warb. Auch auf dem Meer geht es nicht voran, obwohl Pläne zur Erschließung weiterer Flächen in der Schublade liegen und Offshore immer wichtiger wird.

Entweder investieren – oder ehrlich sein

Was es braucht, wäre eine Signalwirkung vom Bund. Entweder, indem er sich auf eine Branche fokussiert und noch stärke finanzielle Bemühungen als bisher in Forschung und Infrastruktur investiert.

Oder aber, indem er sagt, dass Strom in Zukunft noch teurer wird, weil die eigene Versorgung nicht ausreicht und mehr importiert werden muss. Das wäre zumindest ehrlich und letztlich der Preis für den Atom- und Kohleausstieg.

Wasserstoff als Sinnbild für den Schlingerkurs der Regierung

Stattdessen kommt so etwas wie beim Wasserstoff heraus: Lautstark kündigte die Regierung das gesamte Jahr über an, vor Weihnachten eine Strategie zu verkünden, die Deutschland zum Marktführer mache.

Eine Woche vor Weihnachten wurde die Ankündigung verschoben. Die Wasserstoffstrategie soll nächstes Jahr kommen. Abwarten.