Berlin/Braunschweig. Die AfD regelt auf dem Parteitag in Braunschweig die Nachfolge von Parteichef Gauland. Welches sind die aussichtsreichsten Kandidaten?
Eines lässt sich über den AfD-Parteitag mit Sicherheit sagen: Sicher ist hier gar nichts. Zwar will Alexander Gauland seinen Posten räumen und nicht mehr für die Parteispitze kandidieren. Doch völlig ausgeschlossen ist auch das nicht.
Wahrscheinlicher ist aber, dass Tino Chrupalla in die erste Reihe rücken wird – das hoffen zumindest einige in der AfD, nicht zuletzt Gauland selbst. Auch der Co-Vorsitzende Jörg Meuthen, dessen Wiederwahl als wahrscheinlich gilt, wäre mit dieser Lösung nicht unglücklich.
Doch wer stellt sich noch zur Wahl? Wir geben einen Überblick über die fünf Kandidaten, denen die besten Chancen ausgerechnet werden.
AfD-Parteitag: Wer tritt die Gauland-Nachfolge an? Alles Wichtige in Kürze:
In Braunschweig steht der AfD-Parteitag an
Dort soll auch der Nachfolger von Alexander Gauland gewählt werden, der sein Amt als Parteichef abgeben will
Co-Chef Jörg Meuthen tritt wieder an, seine Wiederwahl gilt als wahrscheinlich
Der Auslöser? Eine Talkshow. Er sah die Günther-Jauch-Sendung zur Wahl. In den Zuschauerreihen sah er AfD-Gründer Bernd Lucke, der nicht bei den anderen Gästen saß. „Er wurde von Wolfgang Schäuble verspottet. Diese Arroganz der Macht hat mich zornig gemacht“. Ab November 2013 gestaltete der Wirtschafts-Professor dann die Partei mit, zunächst im Vorstand der AfD in Baden-Württemberg – und machte von dort aus steil Karriere in der Partei. Fraktionsvorsitzender im Stuttgstarter Landtag, AfD-Bundessprecher, Spitzenkandidat bei der Europawahl 2019.
Zum rechten Rand der Partei pflegt er ein gespaltenes Verhältnis: Mal flirtet er mit dem rechten Gedankengut, dann gibt er sich distanziert. Auf einem Landesparteitag in Heidenheim äußerte er sich deutlich: “Wer hier seine gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ausleben möchte, dem sage ich ganz klar: Sucht euch ein anderes Spielfeld für eure Neurosen!”. Auch zeigte er Verständnis für einen Brandbrief, in dem sich 100 AfD-Funktionäre von “Flügel”-Politiker Höcke distanzierten.
2. Tino Chrupalla, AfD-Politiker aus Sachsen
Er ist der Wunschkandidat von Alexander Gauland – und hat in der Partei viel Rückhalt. Der Bundestagsfraktionsvize Tino Chrupalla kann auf die Unterstützung des sächsischen Landesverbandes und des rechtsnationalen „Flügels“ bauen. Auch AfD-Fraktionschefin Alice Weidel hatte erklärt, sie könne sich Chrupalla in einer wichtigen Rolle vorstellen.
Doch schließlich gibt es hinter vor gehaltener Hand auch bei manchen in der Partei Zweifel, ob Chrupalla dem Amt des Bundessprechers „intellektuell gewachsen“ sei. Ehemalige Parteifreunde werden in ihrer Kritik zum Teil noch deutlicher. Frank Großmann zum Beispiel, ehemaliger Kreischef der AfD in Görlitz, der, wie er sagt, wegen Chrupalla die AfD verlassen hat.
Als der in die Partei kam, sei er ihm als „dynamischer junger Malermeister” beschrieben worden. „Aber das hat sich schnell erledigt.” Chrupalla sei schnell sehr bestimmend aufgetreten. „Sehr ehrgeizig, gut organisiert, hat über jeden ein Dossier“, sagt Großmann. „Er ist ein absoluter Strippenzieher.“ Wer ihm nach dem Mund rede, werde protegiert. Wer nicht mitmache, werde aus der Partei gedrängt.
Die Fraktion hat ihn im September als stellvertretenden Vorsitzenden im Amt bestätigt. Für den Familienvater aus Sachsen spricht, dass Meuthen sagt, er könne sich eine Zusammenarbeit mit ihm gut vorstellen.
3. AfD-Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst
Die Provokation ist ja eines der gängigen Mittel in der AfD. Darin übte sich kurz vor dem Parteitag auch Nicole Höchst. Schon Anfang des Jahres sagte sie in einem ZDF-Interview: „Meiner Meinung nach hat die Machtergreifung schon stattgefunden. Der Schnauzer trägt jetzt Raute.“
Zurücknehmen wollte sie das nicht. Im Gegenteil. In einem weiteren ZDF-Interview verteidigt Höchst das Zitat: „Wenn ich mir anschaue, wie damals, meinen Geschichtskenntnissen nach, Adolf Hitler an die Macht gekommen ist, was gleichgeschaltet wurde (...) und ich vergleiche das mit dem, wie wir heute eine Zivilgesellschaft pampern, die auf politische Gegner zugeht (...) Ich sehe da sehr viele Parallelen“, so Höchst.
Die Bundestagsabgeordnete betont zwar ihre Unabhängigkeit. Hinter den Kulissen heißt es jedoch, etliche „Flügel“-Anhänger könnten ihr die Stimme geben, um Meuthen einen Denkzettel zu verpassen. Zu den Themen, mit denen sich die frühere Lehrerin als Abgeordnete beschäftigt, gehören Sexualaufklärung in der Schule und Digitalisierung im Bildungswesen. Mit ihren Provokationen könnte sie viele im rechten Lager mobilisieren.
Das ist das Spitzen-Duo der AfD
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4. Wolfgang Gedeon, fraktionsloser Abgeordneter aus Baden-Württemberg
Kurz vor dem Bundesparteitag hat auch der parteiintern umstrittene baden-württembergische Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon seinen Hut in den Ring. Und zwar kampflustig. Er attackierte den Bundesvorstand: Es sei skandalös, wenn dieser versuche, durch Parteiausschlussverfahren den innerparteilichen Meinungskampf zu seinen Gunsten zu steuern, schrieb er.
Gedeon äußerte sich immer wieder offen antisemitisch. In dem Buch „Der grüne Kommunismus und die Diktatur der Minderheiten“ bezeichnet er den Massenmord an den Juden als „Zivilreligion des Westens“. Das Holocaust-Mahnmal in Berlin erinnere laut ihm an „gewisse Schandtaten“.
Konsequenzen hatte das bisher nicht. Ende Oktober war ein Parteiausschlussverfahren gegen den wegen Antisemitismusvorwürfen vorbelasteten Landtagsabgeordneten erneut gescheitert. Der baden-württembergische Landesvorstand hatte ebenfalls schon den Parteiausschluss gegen Gedeon angestrebt – das Landesschiedsgericht im Südwesten wies den Antrag aber unter Verweis auf formale Gründe zurück. Gedeon selbst weist die Antisemitismus-Vorwürfe zurück. Er sitzt derzeit als fraktionsloser Abgeordneter im Parlament und löst mit seinen Redebeiträgen immer wieder Empörung aus.
5. Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher AfD-Bundestagsfraktion
Auch seine Kandidatur wirbelte die Planungen für den Bundesparteitag durcheinander. Dem Vernehmen nach will der innenpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion Gottfried Curio nicht gegen Meuthen antreten, sondern gegen Chrupalla kandidieren. Im Gegensatz zu ihm verfügt Curio nicht über ein dichtes Netzwerk persönlicher Kontakte in der Partei. Als eines seiner Lieblingsthemen im Bundestag gilt das Reden über die Migration. Von Anhängern der AfD wird der Physiker und Komponist deshalb gefeiert.
So unterstellte Curio zum Beispiel dem UN-Migrationspakt die Intention einer „Umsiedlungs- und Ersetzungsmigration“. Dem Unterzeichner eines solchen Dokuments solle die Hand „verdorren“. Es gehe „Merkel und den Linksgrünen“ darum, sich „still und heimlich ihr neues Volk“ zu schaffen, wie „Netzpolitik.org“ berichtete.
Trotzdem: Zum Handicap könnte für den habilitierten Physiker werden, dass er als Einzelgänger gilt. Seine Unfähigkeit Allianzen zu schmieden könnte in ihn in einer Partei wie der AfD, die genau das braucht, den Erfolg kosten.