Berlin. Urteil: Drei Bio-Bauernfamilien hatten gegen die Bundesregierung geklagt, weil sie ihre landwirtschaftliche Existenz bedroht sehen.

Bio-Bauern gegen Bundesregierung: Das Berliner Verwaltungsgericht hat an diesem Donnerstag eine Klage dreier Familien verhandelt, die die Große Koalition dazu bringen wollen, mehr für den Klimaschutz zu tun. Die Landwirte kommen aus Regionen, in denen der Klimawandel bereits jetzt deutlich spürbar ist – von der Nordsee-Insel Pellworm, aus dem Alten Land bei Hamburg und aus der Lausitz in Brandenburg.

Unterstützt wurde die Klage von der Umweltschutzorganisation Greenpeace. „Damit steht zum ersten Mal in Deutschland eine Bundesregierung wegen unterlassenem Klimaschutz vor Gericht“, sagte Anike Peters, Greenpeace-Klimaexpertin vor dem Prozess.

Bio-Bauern fühlen sich in ihren Grundrechten verletzt

Konkret warfen die Kläger der Großen Koalition vor, zu wenig für die Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes zu tun. Die drei Bauernfamilien sahen sich deswegen in ihren Grundrechten verletzt. Tatsächlich verfehlt Deutschland das 2007 vereinbarte Ziel, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, deutlich. Allerdings gab es bisher kein Gesetz, das dieses Ziel festschrieb. Nur einen „Klimaschutzplan“. Die Bundesregierung hielt die Klage deswegen für unzulässig.

Greenpeace dagegen argumentierte anders: Die Regierung habe ihr Klimaziel 2020 zu einem verbindlichen Rechtsakt gemacht, indem sie es wiederholt selbst anerkannt habe, zum Beispiel in Kabinettsbeschlüssen. Folglich hätte das Gericht die Bundesregierung dazu verurteilen können, wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, um das Ziel doch noch zu erreichen.

Die Berliner Verwaltungsrichter mussten am Donnerstag also klären, welchen rechtlichen Status die Klimaschutzziele der Bundesregierung haben. Die Kläger hofften, dass das Gericht die Union und die SPD dazu verpflichtet, alles zu tun, um das Klimaziel für 2020 noch zu erreichen.

Doch die Richter urteilten anders: Sie wiesen die Klage der Öko-Landwirte zurück. Diese sei mangels Klagebefugnissen unzulässig, erklärte der Vorsitzende Richter Hans-Ulrich Marticke in seiner Begründung. Eine Berufung sei jedoch möglich.

Landwirte beklagen Ernteausfälle durch Extremwetter

„Es geht um ganz viel für diese drei Familien“, hatte Rechtsanwältin Roda Verheyen, die Greenpeace und die Familien vertrat, noch vor dem Richterspruch gesagt. Temperaturerhöhung, Hagelstürme, extreme Niederschläge und Hochwasser machten ihnen zu schaffen.

Es gebe bereits jetzt Ernteausfälle und eine Zunahme von Schädlingen, die durch den Klimawandel bessere Lebensbedingungen vorfinden. Eine der Familien habe Kirschbäume fällen müssen, die von einem Schädling befallen waren, den es in der Region früher nicht gegeben habe.

Für Anwältin Verheyen war es nicht der erste Prozess dieser Art: Sie führt gemeinsam mit anderen Juristen derzeit eine ähnliche Klage vor dem Europäischen Gerichtshof. Dort haben mit der Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen zehn Familien aus Europa, Kenia und Fidschi die Europäische Union verklagt. Sie wollen vor Gericht eine Verschärfung der EU-Klimaziele durchsetzen.

Auch auf Bundesebene bleibt der Klimaschutz eines der bestimmenden Themen. Derzeit ist das Klimaschutzprogramm 2030 in Arbeit, mit dem die Koalition sicherstellen will, dass Deutschland wenigstens sein Klimaziel für 2030 schafft – nämlich eine Treibhausgas-Reduktion von 55 Prozent im Vergleich zu 1990. In diesem Fall soll ein Klimaschutzgesetz verbindlich regeln, wie viele Treibhausgase einzelne Bereiche wie Verkehr oder Landwirtschaft in welchem Jahr noch ausstoßen dürfen.

(jule/yah)