Berlin. Die Koalition hat ein Klimapaket beschlossen – höhere Preise beim Tanken und Heizen, aber im Gegenzug Entlastungen und Anreize.

Am Ende waren es 19 Stunden, in denen die Politiker von Union und SPD sich auf ein 54-Milliarden-Paket für den Klimaschutz einigten. Um kurz nach zwölf am Freitag stieg weißer Rauch auf. Zwei Stunden später traten die Spitzen der Koalition vor die Presse.

Im Berliner Futurium machte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) keinen Hehl aus der Notwendigkeit, schnell zu handeln: „Wir leben nicht nachhaltig“, sagte sie mit Blick auf die Verfehlung der deutschen Klimaziele für 2020. Für 2030 müsse man mit Blick auf den Klimawandel umsteuern.

„Es ist nicht so, dass wir hier irgendetwas Ideologisches machen, sondern wir machen etwas, wofür es so massive Evidenzen gibt, dass wir dagegen handeln müssen“, sagte die Regierungschefin. Die Verhandlungen seien „intensiv, aber konstruktiv“ gewesen.

SPD-Vizekanzler Olaf Scholz sagte, die „Fridays for Future“-Demonstrationen hätten alle „aufgerüttelt“. Für die SPD sei die soziale Ausgewogenheit des Pakets wichtig, das sowohl Arbeitsplätze schaffe als auch soziale Härten vermeide.

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Klimapaket der GroKo – das sind die vier Elemente

Die Verhandlungen waren schwierig. Um sechs Uhr am Morgen wurde sogar kurz unterbrochen: Es hakte an mehreren Punkten. Strittig waren Windkraftregeln und bis zuletzt die Finanzen.

Die Einigung hat im Kern vier Elemente: Erstens soll es Förderprogramme und Anreize geben, um CO2 einzusparen. Zweitens wird der Ausstoß von CO2 mit einem Preis belegt, der sich stetig erhöhen wird. Die Einnahmen daraus sollen für den Klimaschutz verwendet werden. Drittens sollen die Bürger bei Ausgaben im Alltag entlastet werden. Und viertens soll es auch Verbote und zusätzliche Regeln geben, damit weniger CO2 entsteht.

CO2-Preis:

Übersetzt heißt das, dass überall dort, wo fossile Kraftstoffe verbrannt werden – also beim Verbrauch von Heizöl, Gas, Kohle, Benzin oder Diesel –, das Entstehen von CO2 zusätzlich Geld kosten wird. Konkret funktioniert das so, dass die Produzenten oder Lieferanten der Kraftstoffe beim Staat Zertifikate kaufen müssen, also quasi die Erlaubnis, CO2 zu produzieren. Zuerst steigt der Preis dieser Zertifikate über die Jahre an: von zehn Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2021 auf 35 Euro pro Tonne im Jahr 2025.

Zehn Euro - das entspricht nach Berechnung von Experten etwa drei Cent mehr für einen Liter Benzin oder Diesel. 35 Euro wären demnach rund zehn Cent mehr an der Zapfsäule.

Ab 2026 wird die Zahl der Zertifikate immer weniger. Die Höchstmenge an CO2, die produziert werden kann, sinkt also. Es wird immer teurer, CO2 zu produzieren. Die Zertifikate sind handelbar, aber mehr als 60 Euro pro Tonne CO2 soll kein Unternehmen dafür zahlen.

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    Die Einnahmen aus dem CO2-Preis, die der Staat erzielt, sollen entweder für die milliardenschweren Förderprogramme verwendet werden, die die Regierung auflegen will. Oder sie sollen den Bürgern beispielsweise über niedrigere Strompreise und den Ausbau des Nahverkehrs zurückgegeben werden.

    Experten hatten höhere Preise für die Tonne CO 2 gefordert. Kanzlerin Merkel rechtfertigte die Entscheidung damit, dass man die Bürger mitnehmen müsse und nicht überfordern dürfe: „Das ist der klassische Unterschied zwischen Wissenschaft und Politik.“ Zuerst sollten die Förderprogramme wirken. Wichtig sei, dass CO2 überhaupt teurer werde.

    Energie:

    Damit das Klimaschutzprogramm die Bürger und Unternehmen nicht zu stark belastet, soll es in zwei Bereichen eine Entlastung geben: Erstens sollen die Stromkosten sinken. Konkret soll die Umlage für erneuerbare Energien, die jeder Stromkunde zahlen muss, sinken – und zwar um zunächst 0,25 Cent pro Kilowattstunde im Jahr 2021, ab 2023 dann um 0,625 Cent.

    „Dadurch werden besonders Familien und kleine mittelständische Unternehmen entlastet“, heißt es in den Eckpunkten der Regierung. Bezahlt wird das aus den Einnahmen des CO2-Preises. Das Gleiche gilt für die Anhebung der Pendlerpauschale. Sie steigt nur für Menschen, die es besonders weit zur Arbeit haben. Und auch nur fünf Jahre lang: Ab dem 21. Kilometer gibt es statt 30 Cent künftig 35 Cent pro Kilometer vom Finanzamt zurück. Das soll von 2021 bis Ende 2026 gelten.

    Damit höhere Heizkosten nicht die Bürger belasten, die besonders wenig Geld haben, soll das Wohngeld um zehn Prozent steigen. Geprüft wird, ob Vermieter daran gehindert werden können, die wegen des CO2-Preises steigenden Heizkosten voll an die Mieter weiterzugeben. Das soll einen Anreiz zur Modernisierung von Heizungen geben.

    Bauen:

    Weil sich mit der Sanierung von Gebäuden und Heizungsanlagen besonders viel CO2 sparen lässt, plant die Bundesregierung in diesem Bereich die größten Förderprogramme. Funktionieren soll dies über steuerliche Förderung. Man kann die Kosten also bei der Steuererklärung absetzen.

    „Wer zum Beispiel alte Fenster durch moderne Wärmeschutzfenster ersetzt, kann seine Steuerschuld – verteilt über drei Jahre – um 20 Prozent der Kosten mindern“, heißt es im Eckpunktepapier der Koalition. Damit alte Ölheizungen schneller verschwinden, will die Regierung 40 Prozent der Kosten für eine neue Heizungsanlage übernehmen.

    Der Einbau einer neuen Ölheizung soll ab 2026 verboten sein. Um den Bürgern bei der Umstellung zu helfen, sollen sie eine Energieberatung bekommen. Beim Verkauf eines Hauses soll diese sogar Pflicht werden.

    Verkehr:

    Die Bundesregierung setzt dabei voll auf Elektroautos: Bis zum Jahr 2030 sollen sieben bis zehn Millionen Elektroautos zugelassen sein. Damit das passiert, soll die Steuer auf Dienstwagen von 0,5 auf 0,25 Prozent sinken, wenn das Auto weniger als 40.000 Euro kostet. Außerdem soll die Kaufprämie für Elektroautos (4000 Euro) und Hybridautos (3000 Euro) steigen. Auch hier gilt die 40.000-Euro-Grenze, sie gilt auch für Wasserstoffautos. Die neue Höhe der Prämie ist aber noch unklar.

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      Außerdem soll es bis 2030 in ganz Deutschland eine Million Ladepunkte für Elektroautos geben, derzeit sind es nur rund 20.000. Die Regierung will den Aufbau finanziell fördern. Sie will Mineralölkonzerne aber auch zwingen, an allen Tankstellen E-Ladesäulen anzubieten. Wer privat Ladesäulen einrichten will, soll dabei etwa im Mietrecht auf weniger rechtliche Hürden stoßen.

      Die Kfz-Steuer wird ab 2021 noch stärker als bisher am CO2-Ausstoß des Autos ausgerichtet. Besonders klimaschädliche Motoren mit mehr als 95 Gramm CO2 pro Kilometer müssen deutlich mehr zahlen. Auch bei der Lkw-Maut sollen klimaschonende Antriebe begünstigt werden.

      Superbillige Flugtickets wird es nicht mehr geben. Der Preis eines Tickets soll mindestens so hoch sein wie die Summe aus Steuern, Zuschlägen, Entgelten und Gebühren. Die Luftverkehrsabgabe soll so stark steigen, dass die Regierung aus den zusätzlichen Einnahmen die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Bahntickets finanzieren kann.

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      Konkret soll der Steuersatz von 19 Prozent auf sieben Prozent sinken. Das senkt die Preise für die Fahrkarten um zehn Prozent. Außerdem erhöht der Bund das Eigenkapital der Deutschen Bahn bis 2030 um zehn Milliarden Euro. Beim Ausbau des Personennahverkehrs hilft der Bund Ländern und Kommunen zunächst mit einer Milliarde Euro und ab 2025 mit zwei Milliarden.

      Der Prozess soll jährlich durch ein Expertengremium überprüft werden. Bei Abweichungen werde nachgesteuert, betonten Merkel und Scholz. Das sei man den jungen Menschen schuldig.