Berlin. Die große Koalition arbeitet gut. Doch die Parteien beschäftigen sich zu viel mit sich selbst. Im Herbst steht der Lackmustest an.

Alles könnte so schön sein im GroKo-Heim: Die Bewohner sind sich mittlerweile leidlich sympathisch, schwere Umzüge hat man gemeinsam überstanden, Haus und Garten sind ordentlich bestellt. Nur: Man bekommt es den Wählern nicht vermittelt. Die haben den Eindruck, dass reines Chaos herrscht. Und wenden sich ab.

Eine namhafte Studie kommt gerade zu dem Ergebnis, dass die große Koalition bereits deutlich vor Ablauf ihrer Halbzeit mehr als die Hälfte ihrer Koalitionsversprechen umgesetzt hat oder angegangen ist. Diese positive Bilanz werde allerdings kaum registriert, schreiben die Politikforscher der Bertelsmann-Stiftung. Stimmt.

Bei der SPD stehen interne Probleme im Mittelpunkt

Daran ist die Koalition zum größten Teil selbst schuld. Während sich die Union im ersten Jahr der schwarz-roten Regierung durch einen irren Streit über die Migrationspolitik selbst zerriss, schaffte es die SPD dann 2019, durch interne Querelen und Revolutionen eine schier unendliche Suche nach einem neuen Vorsitz zu starten. Und lenkte die Schlagzeilen damit von Inhalten hin zu Personen.

Bei den 23 Regionalkonferenzen, die nun folgen, wird das Spektakel der internen Abrechnung dann auch noch auf großer Bühne vorgeführt. Warum eigentlich?

Denn besonders die SPD hat gemeinsam mit der Union gerade ein Versprechen eingelöst – in der Politik nicht immer üblich: Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags für über 90 Prozent der Zahler ist eine spürbare Entlastung. Das Mieten-, Bauen- und Wohnenpaket – wenn es denn zügig umgesetzt wird – ist ebenfalls eine willkommene Erleichterung.

Das Gute-Kita-Gesetz ist der richtige Weg, um Familien den Alltag leichter zu machen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen wieder paritätisch in die Krankenversicherung ein – auch das bringt vielen ein Plus im Geldbeutel.

AKK polarisiert mit ihrer Aussage zu Hans-Georg Maaßen

Doch statt die Erfolge selbstbewusst zu verkaufen, beschäftigt sich die Repu­blik mit der Doktorarbeit einer Ministerin, einem entlassenen Verfassungsschutzchef ohne politisches Mandat und der Partner-Suche von Vizekanzler Olaf Scholz. Genauer: mit der Frage, ob Familienministerin Franziska Giffey mit einer „amerikanischen Zitierweise“ noch die Voraussetzungen für ein Ministeramt oder den SPD-Vorsitz erfüllt.

Ob der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen mit rechtskonservativen Einlassungen noch einen Platz in der CDU hat. Und ob die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer das anzweifeln darf. Ob man als SPD-Chef unbedingt als Tandem auftreten muss. Die Protagonisten dieser Diskussionen sitzen mitnichten nur in Redaktionen, sondern finden sich vor allem in den drei Parteien. Traurig.

Noch geht es Deutschland spätsommerlich gut. Das Land diskutiert mit Verve aufgeregt die Frage, ob beim E-Scooter-Fahren die Null-Promille-Grenze gelten soll, man im Regionalverkehr die erste Klasse abschafft und ob Bundeswehrsoldaten künftig gratis Bahn fahren dürfen.

Die Regierung darf sich nicht mehr mit sich selbst beschäftigen

Doch die Anzeichen mehren sich, dass es nicht so bleibt. Die Bundesbank schließt eine Rezession in Deutschland nicht aus. Der ungeregelte Brexit rückt immer näher, der Handelskonflikt zwischen den USA und China droht zu eskalieren. Der Schutz des Klimas eilt nicht nur, sondern sollte bereits eingeleitet sein. Gepaart mit Investitionen für die schwächelnde Konjunktur. Die Situation im Nahen Osten ist selbst von Optimisten im Auswärtigen Amt nur noch schwerlich als stabil zu bezeichnen.

Der Herbst wird der Lackmustest für die Regierung und für die Frage, ob das Spitzenpersonal das Land wirklich führen kann. Selbstbeschäftigung ist dann verboten.