Kiew. Die proeuropäische Präsidentenpartei von Wolodymyr Selenskyj hat bei der Wahl in der Ukraine abgeräumt. Sie kann allein regieren.

In der krisengeschüttelten Ukraine stehen die Zeichen auf Wechsel. Wenige Monate nach seinem Erdrutschsieg bei der Präsidentschaftswahl im April gelang Wolodymyr Selenskyj auch bei der Parlamentswahl am Sonntag ein beachtlicher Erfolg.

Der 41-Jährige gewann nicht nur über die Liste seiner in die EU und Nato strebenden Partei Diener des Volkes eine Mehrheit, sondern auch überraschend viele Direktmandate. Selenskyj kann demnach mit mehr als 240 der 424 Abgeordneten ohne Koalitionspartner regieren, wie seine Partei mitteilte. Die offizielle Auszählung der Stimmen dauerte am Montag an.

Wahlbeteiligung geringer als vor fünf Jahren

Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50 Prozent geringer als vor fünf Jahren. Auf dem zweiten Platz landete die russlandfreundliche Oppositionsplattform mit mehr als elf Prozent. Dahinter folgten die Partei Europäische Solidarität von Ex-Präsident Petro Poroschenko, die bisher im Parlament die Mehrheit gestellt hatte.

Auf Platz vier steht die Partei Vaterland von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und auf Platz fünf die Partei Die Stimme des Rocksängers Swiatoslaw Wakartschuk. Mit ihr will Selenskyj Koalitionsgespräche führen, wie er am Sonntag mitteilte. Ein Vertreter von Wakartschuks Partei sagte, Die Stimme sei zu einem Bündnis mit neuen Kräften bereit - wenn sie nicht von Oligarchen unterstützt würden.

Selenskyj mit Erdrutschsieg: Beachtlicher Erfolg bei der Parlamentswahl

Parlamentswahl in der Ukraine: Präsident  Wolodymyr Selenskyj (r.) und seine Ehefrau bei der Stimmabgabe in Kiew.
Parlamentswahl in der Ukraine: Präsident Wolodymyr Selenskyj (r.) und seine Ehefrau bei der Stimmabgabe in Kiew. © dpa | Evgeniy Maloletka

Der 41-Jährige, der sein Land in EU und Nato führen möchte, traf damit offenbar den Ton bei der Bevölkerung. Sie hat genug von der Vetternwirtschaft im Staat und dem niedrigen Lebensstandard in einem der ärmsten Länder Europas. Wie Selenskyj hat auch Rockstar Wakartschuk signalisiert, am Hilfsprogramm des Internationalen Währungsfonds festhalten zu wollen. Das heißt, beide akzeptieren dessen Auflagen wie Arbeitsmarktreformen und Einsparungen.

Den Posten des Regierungschefs will Selenskyj mit einem Wirtschaftsexperten besetzen. „Ich finde, das sollte ein absolut professioneller Ökonom, ein absolut unabhängiger Mensch sein, der niemals Regierungschef, Parlamentssprecher oder irgendein Fraktionschef war“, sagte der Präsident. Er habe bereits Vorgespräche mit potenziellen Kandidaten geführt.

Nicht abgestimmt wurde in den umkämpften Gebieten in der Ostukraine. Die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk hatten in der Vergangenheit eigene und international nicht anerkannte Wahlen abgehalten. Es handelt sich um Regionen, die von prorussischen Separatisten kontrolliert werden. In der Kriegsregion galt seit kurz nach Mitternacht am Sonntag eine neue Waffenruhe. Sie wurde nach offiziellen Angaben eingehalten.

Selenskyj will Krieg mit Ostukraine beenden – schon 13.000 Tote

Selenskyjs Ziel ist es, den Krieg in der Ostukraine so schnell wie möglich zu beenden. In den vergangenen Tagen hatte er Kompromiss-Signale Richtung Moskau ausgesandt. So setzte er sich für eine Truppenentflechtung im Kampfgebiet in der Ostukraine ein. Zudem strebt er einen Gefangenenaustausch zwischen der Ukraine und Russland an.

Rund 13.000 Menschen starben in dem blutigen Konflikt seit dem Beginn der Kämpfe vor fünf Jahren. Das unter Vermittlung von Deutschland, Frankreich und

mit Beteiligung Russlands in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ausgehandelte Abkommen liegt weitgehend auf Eis.

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