Köln/Brüssel. Beim ARD-Duell gibt es einen überraschenden Gewinner: Die großen Parteien wollen mehr für Frauen tun – und das Fliegen teurer machen.

Gleicher Lohn für Männer und Frauen in ganz Europa, härteres Vorgehen bei Gewalt gegen Frauen, Gleichberechtigung an der Spitze der EU: Im bislang schleppenden Europawahlkampf rückt plötzlich der Einsatz für mehr Frauenrechte in den Mittelpunkt.

Im ARD-Wahlduell am Dienstagabend überschlugen sich der Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber, und sein Kontrahent von den Sozialdemokraten, Frans Timmermans, mit Zusagen für mehr Gleichberechtigung.

20 Prozent Gehaltsunterschied zwischen Frauen und Männern

„Die Bezahlfrage ist zentral für die Gleichberechtigung in Europa“, sagte CSU-Vize Weber. Frauen, die den gleichen Job wie Männer machten, müssen auch gleich bezahlt werden.

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Timmermans: „In Deutschland gibt es noch immer 20 Prozent Unterschied in der Bezahlung von Männern und Frauen im selben Job. Das müssen wird in den nächsten fünf Jahre bis null abbauen.“ Und: Es gebe in der EU noch viel zu viel Gewalt gegen Frauen. „Dagegen müssen wir härter auftreten“.

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Werden Frauen die großen Gewinner der Europawahl?

Der fließend Deutsch sprechende Niederländer, der sich schon mal als „Feminist“ bezeichnet, klagte: „Mehr als die Hälfte der Frauen in Europa hat Erfahrung mit sexueller oder anderer Gewalt am Arbeitsplatz. Das ist unerträglich. Wir Männer erziehen noch immer falsch, wie wir mit Frauen umgehen“. Die nächste EU-Kommission müsse die Mitgliedstaaten zum Handeln zwingen, unter anderem müssten mehr Klagemöglichkeiten geschaffen werden.

CSU-Mann Weber plädierte für eine Einigung der EU-Staaten, Gewalt gegen Frauen künftig einheitlich zu bestrafen. Und die EU müsse mehr Fördergelder bereitstellen, etwa für Frauenhäuser. Einig waren sich beiden schließlich auch in der Forderung, die nächste EU-Kommission müsse paritätisch mit Männern und Frauen besetzt werden. „Warum nicht mal eine EU-Kommissarin aus Deutschland?“, meinte Timmermans. Werden Frauen die großen Gewinner der Europawahl?

Zoff um CO2-Steuer und Flüchtlingspolitik

Bei dem Thema waren sich der deutsche CSU-Mann, der derzeit die Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) im EU-Parlament anführt, und der niederländische Sozialdemokrat, der Vizepräsident der EU-Kommission ist, ungewöhnlich nah. Ansonsten ging es überraschend kontrovers zu in der aus Köln übertragenen TV-Debatte, in der ein gutes Dutzend von 130 Zuschauern die Fragen stellte.

Es gab Zoff um die C02-Steuer, Streit um die Arbeitslosenversicherung, Differenzen in der Flüchtlingspolitik. Von großer Koalition auf EU-Ebene keine Spur. Vor allem Timmermans war bemüht, Unterschiede herauszuarbeiten, Weber war dagegen stärker auf Ausgleich bedacht.

Timmermans will Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen

Kein Wunder, Webers Position ist komfortabler: In Umfragen liegen die Christdemokraten deutlich vor den Sozialdemokraten. Als Spitzenkandidat der EVP hat Weber die besseren Aussichten, am 26. Mai den Wahlsieg einzufahren – und dann womöglich nächster EU-Kommissionspräsident zu werden, also zum mächtigsten Mann der EU-Institutionen aufzusteigen. Das sind die wichtigsten Informationen zur Europawahl 2019.

Aber auch Timmermans hätte eine Chance, wenn er nach der Wahl eine Mehrheit im EU-Parlament unter anderem mit Liberalen und Grünen zustande bringen sollte. Der eloquente Niederländer gab sich kämpferisch: Gleich zu Beginn preschte er mit der Forderung nach der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre vor. Dann bekamen sich die Kandidaten in der Klimapolitik in die Wolle.

Einigkeit bei Kerosin-Steuer für Flugverkehr

Timmermans plädierte für die schnelle und unbedingte Einführung einer CO2-Steuer, forderte ein schnelles Umsteuern der Wirtschaft und versprach, als Präsident Klimaschutz zur Chefsache zu machen. Weber lehnte eine solche Steuer auf Kohlendioxid ab, warnte vor hohen Benzin- und Heizölpreisen zulasten der Verbraucher. Deshalb sollten besser neue Technologien gefördert werden. „Sie fordern im Grunde, nichts zu tun“, meinte Timmermans.

Allerdings: Die Spitzenkandidaten forderten beide, eine Kerosin-Steuer für Flugtreibstoff einzuführen, damit der Flugverkehr nicht weiterhin gegenüber der Bahn bevorzugt wird. Wenn es anders nicht gehe, müsse es eine EU-weite Kerosin-Steuer geben. Die Folge: Das Fliegen würde deutlich teurer.

Timmermans fordert massiven Marshallplan für Afrika

In der Flüchtlingspolitik herrschte wenig Einigkeit: Weber forderte, Afrika als Herkunftsland der Flüchtlinge eine neue Perspektive vor allem durch Handelspolitik zu geben, zugleich die EU-Außengrenzen durch einen schnellen Ausbau der Grenzschutztruppe Frontex zu verbessern.

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    Timmermans meinte, Handelspolitik reiche für Afrika nicht – „wir brauchen Versöhnung zwischen Europa und Afrika“ mit einem massiven Marshallplan, also einem umfassenden Förderprogramm. Der Sozialdemokrat plädierte zudem für ein neues, solidarisches Asylsystem in der EU.

    Weber und Timmermans: Internetkonzerne stärker besteuern

    Weit auseinander lagen beide auch beim Thema Europäische Arbeitslosenversicherung: „Das ist europäische Solidarität“, sagte Timmermans. Weber lehnte diesen SPD-Vorschlag ab, es müsse bei der Verantwortung der nationalen Regierungen bleiben.

    Doch fanden die beiden Kandidaten auch Gemeinsamkeiten: Etwa bei der Forderung, die großen Internetkonzerne wie Google oder Facebook in Europa stärker zu besteuern als bisher. Und auch beim Plädoyer, sich an der Europawahl zu beteiligen, waren sich beide einig.

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    Weber: Europa gegen Nationalisten verteidigen

    „Es ist eine Schicksalswahl“, meinte Timmermans, „wer nicht zur Wahl geht, kann hinterher eine Überraschung erleben wie die Briten beim Brexit-Referendum oder die Amerikaner beim Wahlsieg von Donald Trump.“ Weber mahnte: „Es geht darum, die großen Errungenschaften, die wir in Europa errungen haben, gegen die Nationalisten zu verteidigen.“

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    • Wer noch nicht sicher ist, für wen er abstimmen soll, dem kann ein Online-Tool auf die Sprünge helfen: Wahl-O-Mat zur Europawahl: Welche Partei würden Sie wählen?

    (Christian Kerl)