Berlin. Das Bundesinstitut für Kinderernährung gibt Müttern Tipps für das richtige Essen. Wo fängt Bevormundung an und wo endet Kompetenz?

Das Bundesinstitut für Kinderernährung (ja, sowas gibt es) rät Eltern, die Fastenzeit zu nutzen, um dem Nachwuchs Gesundheit schmackhaft zu machen. Jenes Max-Rubner-Institut (MRI) berät unsere Bundesernährungsministerin seit Kurzem, schrieb meine Kollegin Julia Emmrich am Sonntag. Ministerin Julia Klöckner hatte das Institut jüngst erst eröffnet.

Von diesem sind jetzt für mich als Mutter wertvolle Tipps zu lesen. Zum Beispiel dieser hier: „Schwangere und stillende Frauen sollten versuchen, bei ihrer Ernährung auf mehr Vielfalt zu achten.“ Oder der da: „Junge Eltern sollten versuchen, auf die beliebten Quetschis zu verzichten. Füttern Sie Ihr Kind so oft es geht mit dem Löffel.“ Und bevor die Augen müde werden: „Eltern sollten ihr Kleinkind öfter mal teilhaben lassen, wenn Sie das Essen für die Familie zubereiten.“

So. Wo fange ich denn jetzt an, und wo höre ich auf? Vielleicht beginne ich mal mit einer profanen Frage: Mit einem Kleinkind kochen. Ah, ja. Vertrauen Sie mir, liebe Institutsverantwortliche, ich hatte durchaus Ambitionen, meinen damals zweijährigen Sohn – weit genug weg von den Herdplatten – auf ein Höckerchen zu stellen und mit einem Kindermesser Möhren und Schnittlauch schnippeln zu lassen.

Wer zahlt für solche Binsenweisheiten Geld?

Und wie erstaunlich: Trotz des auf der Packung beworbenen „supersicheren“ Kleinkind-Schneidemesser schnitt er sich nach 30 Sekunden der „Teilhabe“ in den Finger. Glücklicherweise nicht tief genug, als dass ich mit ihm und seiner neun Monate alten Schwester, die vom Laufstall aus zusah und heulte, weil ihr Bruder weinte, noch um 19.41 Uhr in die Rettungsstelle hätte fahren müssen.

Sowieso sind „junge Eltern“ heutzutage froh, wenn sie bis 18 Uhr ÜBERHAUPT gekocht haben, bevor die Stimmung aus Hunger und Müdigkeit bei den lieben Kleinen kippt; und sie bis 19.30 Uhr die Spülmaschine wieder befüllt haben.

Kurzum und mit dem angemessenen Respekt, den ich aber auch für mich und andere Eltern fordere: WER (außer offenbar unsere Regierung) zahlt für solche Binsenweisheiten Geld? Und dass Kinder mit dem Löffel essen sollen, ist bereits mindestens seit dem Jahr 2013 von der internationalen Empfehlung des „Baby-Led-Weaning“ abgelöst – was in etwa bedeutet, dass Babys selbstständig lernen, Stückchen zu greifen und zu essen.

Ein paar echte Fragen

Aber lassen wir die Debatte über solche in die Tiefe gehenden Details – Mütter sind ja Bevormundung gewohnt. Sei es die Empfehlung von Frauenärzten zu Screenings und Bluttests von Schwangeren. Oder auch jene der Weltgesundheitsorganisation, mindestens sechs Monate zu stillen, während große Nahrungsmittelkonzerne Frauen in aggressiver Werbung ihre Pulvermilch feilbieten dürfen.

Aber lassen wir es meinetwegen auch an dieser Stelle gut sein. Ich hätte da nämlich noch echte Fragen: Wie kommt es eigentlich, dass ich als Zielgruppe der „jungen Eltern“ komplett im Regen stehen gelassen werde, wenn es darum geht, im Supermarkt zu identifizieren, welche Produkte genmanipulierte Zutaten enthalten? Warum ist es unmöglich, herauszufinden, welches Obst und welches Gemüse mit Pestiziden und mit welchen Mengen davon behandelt wurde?

Warum gibt es dafür keine verpflichtende Kennzeichnung? Wieso ist es trotz der freiwilligen Selbstverpflichtung der Firmen so, dass nirgendwo eine Lebensmittelampel auf Produkten zu sehen ist? Und wo bleiben die Beschränkungen von an Kinder gerichteter Werbung, wie es große Nahrungsmittel-Aktivisten wie Foodwatch seit Jahren fordern? Denn, so sollte auch das Familienministerium einsehen: Würde es weniger schlechte Kinderprodukte geben, müssten auch keine Empfehlungen von einem staatlich finanzierten Institut ausgesprochen werden. Bevor wir uns also mit Verlaub empfehlen lassen, wie wir unsere Kinder zu füttern haben, wäre es erbaulich, mehr darüber zu wissen, was wir denn einkaufen sollen.