Berlin. Der Angriff auf den AfD-Politiker Frank Magnitz in Bremen ist keine Ausnahme. Die Zahl der Übergriffe ist zuletzt rapide angestiegen.
Der war extrem brutal, aber kein Einzelfall. Politiker sind oft Ziel gewalttätiger Übergriffe. Die Täter werfen Steine in Fensterscheiben von Wahlkreisbüros, pöbeln oder spucken, immer wieder verletzen sie ihre Opfer aber auch schwer.
Im Wahljahr 2017 zählte das Bundesinnenministerium bundesweit 1527 Delikte gegen „Amts- und Mandatsträger“, wie es in der Statistik heißt. Darunter fallen allerdings auch die gegen Richter, Gerichtsvollzieher und sonstige Behördenangehörige. 2016 waren es 1841 Fälle.
Meistens geht es um Propaganda- und Beleidigungsfälle, Volksverhetzungen sowie Sachbeschädigungen. Für 2018 fehlen noch Zahlen, Meldeschluss ist der 31. Januar.
Die Polizei hat 2016 überhaupt erst damit begonnen, Straftaten gegen Politiker gesondert zu erfassen – damals alarmiert, weil die Einzelmeldungen rapide angestiegen waren.
Vorher waren solche Straftaten, jedenfalls statistisch, ein blinder Fleck. Es war wohl der Streit um die Asyl- und Flüchtlingspolitik ab 2015, der das politische Klima in Deutschland aufgeheizt hat. Damals ist die Hemmschwelle gesunken.
Attentate auf deutsche Politiker
Städtebund forderte Straftatbestand „Politiker-Stalking“
Nach jedem besonders aufsehenerregenden Vorfall hat der Städtebund 2016 und 2017 schärfere Gesetze gefordert, konkret: einen Straftatbestand „Politiker-Stalking“. Nach einer kurzen erregten Debatte kehrten alle zum Alltag zurück. Konsequenzen – Fehlanzeige.
Das allgemeine Gesetz gegen Stalking wurde verschärft, aber prinzipiell differenziert das Strafrecht nicht nach Opfergruppen. Es gibt allerdings Ausnahmen zum Beispiel zum Schutz von Polizeibeamten und Rettungskräften, nachdem auch sie in den vergangenen Jahren häufiger Ziel von Attacken wurden.
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• Kommentar: Die Attacke auf Frank Magnitz macht die Gräben breiter
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Von Beleidigungen, Beschimpfungen und Hassattacken sind Politiker aus allen Parteien betroffen. Zu den gravierendsten Vorfällen gehören die Messerangriffe auf die Oberbürgermeisterin von Köln, Henriette Reker (parteilos), im Oktober 2015 und im November 2017 auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein (CDU). Die meisten Attacken werden Rechtsextremisten zugeschrieben.
Politiker auf allen Ebenen werden angegriffen
Noch 2017 warnte das Bundeskriminalamt, es sei „kein Ende der Agitation der rechten Szene abzusehen“. Doch auch die AfD wurde in den vergangenen Jahren zunehmend zur Zielscheibe. Betroffen sind Politiker auf allen Ebenen, Bundestagsabgeordnete wie Michelle Müntefering (SPD) – zwei Fahrzeuge von ihr wurden 2017 in Brand gesteckt – ebenso wie Landes- und Kommunalpolitiker wie die Zwickauer Bürgermeisterin Pia Findeiß (SPD).
Der sächsische Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) beklagte, dass Neonazis seinen Sohn attackiert hätten. Als die Drohungen nicht nur gegen ihn, sondern auch gegen seine Familie gerichtet wurden, war auch für den Bocholter SPD-Politiker Thomas Purwin 2017 eine rote Linie überschritten – er trat zurück.
Die Übergriffe auf Mandatsträger sind ein Teilstück eines Mosaikbildes, nämlich der politisch motivierten Straftaten: 39.505 im Jahr 2017, 41.549 im Vorjahr. Etwa die Hälfte wurde dem Rechtsextremismus zugeordnet, in 9752 Fällen Linksextremisten. Die übrigen Fälle waren entweder religiös (gegen Christen, Juden, Muslime) und fremdenfeindlich motiviert oder nicht zuzuordnen. Dazu kommen innertürkische Konflikte, die hierzulande ausgetragen werden.
Die Aufklärungsquote ist niedrig
Insgesamt verzeichnet die Statistik 3754 Gewalttaten im Jahr 2017, zumeist Körperverletzungen, darunter zehn Tötungsdelikte. Drastisch um 68,6 Prozent gesunken ist die Zahl der Straftaten gegen Asylunterkünfte. 2017 waren es 312 Vorfälle, ein Jahr zuvor etwa 1000. Mit der Zahl der Asylbewerber gingen auch die Übergriffe zurück.
Die Aufklärungsquote ist niedrig und 2017 von 42,7 auf 39,7 Prozent gesunken. Bei Gewalttaten wie in Bremen liegt sie höher: bei 52,6 Prozent. Bei derartigen Vorfällen greifen die Behörden hart durch. In der Hansestadt wurde eine Sonderkommission von Staatsschutz und Polizei mit dem Bundeskriminalamt gebildet. Das heißt: hoher Fahndungsdruck. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass bei politisch motivierten Delikten die Hälfte der Täter unentdeckt bleibt.