Brüssel/Luxemburg. Das britische Unterhaus hätte am Dienstag über den Brexit-Deal abstimmen sollen. Doch May kommt einer krachenden Niederlage zuvor.

Die britische Regierung hat die Abstimmung zum Brexit-Abkommen im Parlament verschoben. Das teilte Premierministerin Theresa May am Montag vor dem Parlament mit. Der Termin war ursprünglich für Dienstagabend angesetzt, doch eine Niederlage für die Regierung zeichnete sich immer deutlicher ab. Einen neuen Termin gab May nicht bekannt.

Sie sagte, sie sehe breite Zustimmung zum Austrittsabkommen. Allerdings gebe es in der Nordirland-Frage so große Kritik, dass die Regierung befürchte, dass der Deal im Unterhaus abgelehnt werde. Das entscheidende Problem, sagte sie, sei der sogenannte Backstop.

Dabei handelt es sich um die Auffanglösung für Nordirland, mit der eine harte Grenze zur Republik Irland vermieden werden soll. Viele Abgeordnete lehnen den Backstop ab, weil er Großbritannien auf unbestimmte Zeit zur Mitgliedschaft der Zollunion verpflichtet.

May will in Brüssel Nachbesserungen erreichen

May will nun vor dem EU-Gipfel Ende der Woche mit ihren Amtskollegen aus der EU und den Spitzen von EU-Kommission und Europäischem Rat die „klaren Bedenken“ des Parlaments diskutieren.

Für Dienstag sind Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem niederländischen Regierungschef Mark Rutte vorgesehen. Von EU-Seite hatte es jedoch schon am Montag die klare Ansage gegeben, dass es keine Nachverhandlungen des Abkommens geben wird.

Die Opposition kritisierte, dass der Deal der britischen Wirtschaft schaden werde. May solle weitere Zugeständnisse erkämpfen. Gelinge ihr das nicht, müsse sie ihren Platz als Premierministerin frei machen. Labour-Chef Jeremy Corbyn warf May vor, die Kontrolle verloren zu haben. Die Regierung befinde sich in „komplettem Chaos“.

EuGH: Briten dürfen Brexit wieder zurückziehen

Während die Premierministerin weiterhin an ihrem Brexit-Kurs festhalten will, hatte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg noch versucht, ihr goldene Brücken zu bauen. Der EuGH urteilte am Montagmorgen, dass Großbritannien seine Absicht, aus der Europäischen Union auszutreten, auch wieder einseitig zurückziehen kann – selbst nach einer möglichen Verlängerung des zweijährigen Austrittsverfahren nach Artikel 50 der EU-Verträge.

Und besser noch: Großbritannien bliebe EU-Mitglied mit all den Privilegien – wie EU-Rabatt oder Nichtteilnahme bei Schengen oder bei der Währungsunion – , die es jetzt schon hat. Es mag ein verführerisches Angebot sein, aber die britische Regierung lehnte dankend ab.

Britische Regierung: Exit vom Brexit keine Option

Die Entscheidung des EuGH sei „irrelevant“, erklärte Außenminister Jeremy Hunt, die Briten wären „schockiert und sehr wütend“, wenn der Brexit verhindert würde und das „ist sicherlich nicht unsere Absicht.“ Auch Umweltminister Michael Gove unterstrich, dass das Urteil „nicht das Referendums-Ergebnis ändern wird“. Es sei „die klare Absicht der Regierung sicherzustellen, dass wir am 29. März austreten werden.

Die Intervention des EuGH mag die Europafreunde im Land entzückt haben, die auf ein zweites Referendum hoffen, in dem die Austrittsentscheidung zurückgenommen werden könnte. Andererseits könnte genau dieses Szenario Premierministerin Theresa May helfen, ihren umstrittenen Brexit-Deal, wenn er denn demnächst zur Abstimmung stehen sollte, doch noch durch das Unterhaus zu bekommen.

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Denn sie kann argumentieren: Es ist entweder mein Deal oder gar kein Brexit. So manche der Brexit-Hardliner, die den Austrittsvertrag und die politische Erklärung zum künftigen Verhältnis deshalb ablehnen, weil ihnen das Paket nicht rigoros genug ausfällt, mögen dann lieber den Spatz in der Hand, vulgo: die weichere May-Option wählen. Doch es ist völlig offen, ob die Brexit-Ultras für eine von der Vernunft geleitete Lösung noch zu haben sind.