Berlin. Andreas Ritzenhoff ist erfolgreicher Unternehmer. Warum tut sich der Hesse eine aussichtslose Kandidatur auf den Vorsitz der CDU an?

Dieser Mann geht unter die Haut. Andreas Ritzenhoff hat in vielen Badezimmern jener 1001 Delegierten, die am Freitag beim Parteitag in Hamburg über den CDU-Vorsitz und damit wahrscheinlich auch über den nächsten Kanzler oder die nächste Kanzlerin abstimmen, mit seinen Produkten einen festen Platz.

Der Unternehmer aus dem hessischen Marburg, der sich als absoluter Außenseiter um die Merkel-Nachfolge bewirbt, ist Inhaber der Seidel GmbH. Die Firma ist ein Weltmarktführer, der Aluminiumhülsen für Lippenstifte, Aftershaves und Parfüm herstellt. Namhafte Hersteller vertrauen auf Ritzenhoffs Verpackungskünste, von Boss, Chanel, Diesel bis Lacoste.

Gut möglich also, dass sich die CDU-Promis Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn für den Showdown beim Parteitag unbewusst mit einem Stück Ritzenhoff aufhübschen werden. Kaufen kann sich der Manager und Politik-Neuling dafür nichts. Ihm droht in Hamburg das gleiche Schicksal wie zuvor bei den acht CDU-Regionalkonferenzen: Die große Bühne könnte dem Seiteneinsteiger von der Basis versperrt bleiben.

Die CDU-Führung zeigt Andreas Ritzenhoff die kalte Schulter

Um auf dem Parteitag eine Rede halten zu dürfen, braucht Ritzenhoff mindestens einen der 1001 Delegierten, der ihn als Kandidat vorschlägt. Das hört sich leichter an als es ist. Offensichtlich reicht der Arm der CDU-Führung weit.

Einige Delegierte, die inhaltlich mit den Positionen des studierten Mediziners sympathisieren, haben einen Rückzieher gemacht. „Manche befürchten persönliche Nachteile, wenn sie das tun“, sagt Ritzenhoff. Er muss bis zur letzten Minute hoffen, dass doch einer den Mut hat, ihn zu nominieren.

Bei den Regionalkonferenzen war der 1,96 Meter große Ritzenhoff nicht zu übersehen. Bei Wind und Wetter verteilte er vor den Hallen gemeinsam mit seiner Partnerin unermüdlich Flugblätter. Rund 14.000 Besucher strömten zu den Veranstaltungen, fast jeder Dritte bekam einen Waschzettel mit politischen Forderungen in die Hand gedrückt.

Ritzenhoff war nicht als Redner bei Regionalkonferenzen zugelassen

„Gerne würde ich heute zu Ihnen sprechen. Ich bin jedoch als Redner nicht zugelassen“, konnten die CDU-Anhänger da lesen. Auf den Regionalkonferenzen durfte nur auftreten, wer mindestens von einem Kreisverband nominiert worden war – so hatten „AKK“, Spahn und Merz die Bühne für sich. Offiziell begründete die CDU dies damit, dass eine Vielzahl von Bewerbern das Format gesprengt hätte. Außer Ritzenhoff zeigte sich aber niemand bei den Konferenzen. Der Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen zog seine Bewerbung zwischenzeitlich zurück.

Ritzenhoff will nicht jammern. Dennoch wurmt es ihn, wie die CDU ihm die kalte Schulter zeigt. Schließlich ist da kein Hanswurst unterwegs, sondern ein gestandener Unternehmer, der es mit 800 Beschäftigten auf 80 Millionen Euro Jahresumsatz bringt. CDU-Klientel pur. „Als einer, der von außen kommt, hätte ich mir gewünscht, meine Gedanken einbringen zu dürfen“, sagt er.

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Man kann das als verletzten Stolz eines Außenseiters abtun, der wie ein Don Quijote aus der hessischen Provinz gegen die Windräder des mächtigen CDU-Apparates kämpft. Oder man stellt Ritzenhoffs Erlebnisse neben die Erzählung der CDU, die die Regionalkonferenzen als Festspiele innerparteilicher Demokratie und Aufbruch für Deutschland feiert.

In der Praxis aber fällt es den angezählten Volksparteien CDU und SPD oft noch immer schwer, Seiteneinsteigern ohne Stallgeruch eine Chance zu geben. Merz und Spahn übrigens machten bei den Regionalkonferenzen stets einen Bogen um Ritzenhoff und dessen Flugblätter. Kramp-Karrenbauer kam einmal zum Smalltalk vorbei.

Chinesen machten sein Glühlampen-Geschäft kaputt

Warum tut ein Manager, der mit 99,9-prozentiger Sicherheit nicht der nächste CDU-Chef sein wird, sich das an? Wer sich länger mit Ritzenhoff unterhält, lernt keinen Ego-Shooter, sondern einen nachdenklichen Unternehmer kennen, der sich intensiv mit den großen Fragen beschäftigt.

Wie ist der Klimawandel noch zu stoppen? Was kann der Westen in Afrika besser machen, um Armutsmigration zu verringern? Wie kann Deutschland ein zerfallendes Europa zusammenhalten, das wirtschaftlich von der Großmacht China bedroht wird? „Wir leben so, als hätten wir drei Planeten“, sagt er.

Ritzenhoff, der erst Anfang 2018 in die CDU eintrat, vertritt teilweise grüne Positionen. Die Kastration unbetäubter Ferkel, das Schreddern von Küken hält er für unverantwortliche Auswüchse einer Wohlstandsgesellschaft. „Das muss sofort aufhören. Wir sind eine christliche Partei.“

Sein Lieblings- und Leidensthema ist China. Ritzenhoff glaubt, dass der staatlich gelenkte Rote Drache das alte Europa ökonomisch auffressen wird. Die Politiker in Berlin und Brüssel schauten naiv auf Pekings Expansion. Ritzenhoff ist ein gebranntes Kind. Vor ein paar Jahren steckte er in Marburg viele Millionen in ein neues Geschäftsfeld. Er produzierte im großen Stil LED-Glühlampen, die wenig Strom verbrauchen, besonders leicht und ökologisch vorbildlich sind. Als Großkunden gewann er den Möbelriesen Ikea.

Doch es dauerte nicht lange, bis die Schweden die Preise drücken wollten. Gegen chinesische Wettbewerber, die laut Ritzenhoff LED-Lampen zu Dumpingpreisen anboten, die nicht einmal die Materialkosten deckten, hatte er keine Chance. Ikea suchte sich günstigere Partner, die Fertigungsstraße in Marburg steht seitdem still. Und was ist mit ihm? Verstummt Ritzenhoff, wenn „AKK“ oder Merz gewonnen hat? „Ich werde ein Stachel im Fleisch der CDU bleiben.“