Berlin. In Deutschland wird heftig um den UN-Migrationspakt gestritten. Das sind die Antworten auf die wichtigsten Fragen rund um das Papier.

Kaum ein Thema bewegt derzeit die politische Debatte in Deutschland so wie der UN-Migrationspakt. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) fordert eine breite Debatte über das Papier – die es bisher nicht gegeben hat.

Der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt lehnt die Vereinbarung ebenso ab wie die AfD. Die Kanzlerin und Noch-CDU-Chefin Angela Merkel ist dafür. Worum geht der Streit? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

• Was ist der UN-Migrationspakt?

Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ wurde im Juli von allen 193 UN-Mitgliedsstaaten außer den USA gebilligt. Es geht darin in erster Linie um Migranten, die wegen besserer wirtschaftlichen Perspektiven ihr Land verlassen.

Das Ziel des Pakts: Migrationsströme sollen durch internationale Zusammenarbeit gesteuert werden. Von Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern ist hier nicht die Rede. Ihnen widmet sich ein „Globaler Pakt für Flüchtlinge“, der am 13. November von einem UN-Ausschuss gebilligt wurde.

Die Debatte dreht sich aber derzeit um den UN-Migrationspakt. Er soll am 10. und 11. Dezember in Marrakesch beschlossen werden. Außer den USA wollen Österreich, Ungarn, Polen, Tschechien, Israel, die Schweiz und Australien nicht mitmachen.

Eine deutsche Übersetzung der UN-Vereinbarung finden Sie hier.

Proteste gegen Migranten in Mexiko

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    • Ist das Papier rechtsverbindlich?

    Der UN-Migrationspakt ist kein Vertrag. Die Vereinbarung wird nicht unterzeichnet, sondern durch Zustimmung der Teilnehmerstaaten gebilligt. Sie ist „ein rechtlich nicht bindender Kooperationsrahmen“, wie es im Text heißt. Es wird ausdrücklich betont, dass die „Souveränität der Staaten“, ihre „Hoheitsrechte“ und ihre „völkerrechtlichen Pflichten“ nicht berührt werden.

    Die Völkerrechtlerin Anuscheh Farahat von der Goethe-Universität Frankfurt am Main spricht von einem politischen Dokument. „Staaten einigen sich auf solche Erklärungen, weil sie sich gemeinsam zu einem Ziel bekennen möchten“, sagt Farahat unserer Redaktion.

    Pakt hat einen hohen symbolischen Wert

    Daraus könne bindendes Recht werden. Allerdings nur, wenn der Gesetzgeber in den beteiligten Staaten freiwillig beschließe, Teile des Pakts als Gesetz zu beschließen. Auch mit einem entsprechenden internationalen Vertrag oder auf EU-Ebene könnten die Vorhaben des Pakts in geltendes Recht gegossen werden.

    „Aber das passiert nicht von allein.“ Wirkungslos sei die Erklärung jedoch nicht. „Politisch und moralisch müssen sich beteiligte Staaten in Zukunft daran messen lassen“, sagt die Juristin. Der Pakt habe deshalb einen „hohen symbolischen Wert“.

    • Was sind die Kernpunkte des UN-Migrationspakts?

    Das übergeordnete Ziel der Vereinbarung ist eine engere internationale Zusammenarbeit bei der Steuerung von Migrationsströmen. Weltweit sind nach UN-Angaben rund 260 Millionen Menschen ausgewandert.

    Besserer Grenzschutz: „Wir verpflichten uns, das Management unserer nationalen Grenzen zu koordinieren, die bilaterale und regionale Zusammenarbeit zu fördern, die Sicherheit der Staaten, Gemeinschaften und Migranten zu gewährleisten, sichere und reguläre Grenzübertritte zu ermöglichen und gleichzeitig irreguläre Migration zu verhindern“, lautet ein Schlüsselsatz im Migrationspakt.

    Im Klartext heißt dies: Ein qualifizierter IT-Spezialist aus Kanada, Indien oder Südafrika kann sich etwa bei einer der Anerkennungsstellen in Deutschland bewerben. Er muss dabei in der Regel nachweisen, dass er über eigene finanzielle Mittel verfügt. Trifft beides nicht zu, kann der Bewerber zurückgewiesen werden.

    Bekämpfung von Schleusern: Der Pakt fordert mehr internationale Kooperation bei der Bekämpfung von Schleusernetzwerken. Menschenhändler müssten verstärkt verfolgt und bestraft werden. Dabei geht es auch darum, dass Staaten Informationen über Schleuserrouten austauschen.

    Erfassung von Daten: Um Migrationsströme besser zu steuern, verlangt der Pakt mehr Daten. Lokale, regionale, nationale und globale Behörden sollten Informationen austauschen.

    Bessere Lebensverhältnisse: „Wir verpflichten uns, förderliche politische, wirtschaftliche und soziale Bedingungen sowie Umweltbedingungen zu schaffen, unter denen die Menschen in ihren eigenen Ländern ein friedliches, produktives und nachhaltiges Leben führen“, lautet ein Kernsatz des Pakts.

    Das Papier fordert von allen Ländern die Beseitigung der Armut, die Schaffung von Arbeitsplätzen sowie Mindest-Standards bei Ernährung oder Bildung. Kurz: Durch eine globale Anhebung der Lebensstandards soll der Anreiz zur Migration vermindert werden.

    Diskussion um UN-Migrationspakt

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      Menschenwürdige Unterkünfte: Darüber hinaus sollen legal eingereiste Migranten menschenwürdig untergebracht und in die Gesellschaft integriert werden. So verdingen sich in Golfstaaten wie Katar Bauarbeiter aus Pakistan oder Bangladesch für 150 Dollar pro Monat.

      Menschenrechtler kritisierten, dass oft bis zu zehn Arbeiter in einem engen Raum mit nur einer Toilette leben. Obwohl der UN-Pakt keine konkreten Beispiele nennt, hat er derartige Lebensbedingungen im Visier.

      • Wo lässt der Pakt Fragen offen?

      Der UN-Pakt verlangt auch die internationale Zusammenarbeit bei Migranten, die „aufgrund von schleichenden Naturkatastrophen, den nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels und Umweltzerstörung“ ihr Land verlassen. Wo Menschen nicht in ihr Heimatland zurückkehren könnten, müssten „Optionen für eine geplante Neuansiedlung und Visumserteilung“ konzipiert werden.

      Wird hier eine neue Kategorie von Klima-Flüchtlingen geschaffen, die bislang in keinem Gesetzeswerk verankert ist? In diese Richtung denkt wohl Friedrich Merz, einer der drei Bewerber um den CDU-Vorsitz. Der UN-Migrationspakt dürfe keine neuen Asylgründe schaffen, warnt er. Es müsse ausgeschlossen werden, dass der Klimawandel als politische Verfolgung und damit als Asylgrund gelte.

      • Was sagen die Kritiker, was die Befürworter des Pakts?

      Der CDU-Politiker Jens Spahn fordert eine öffentliche Debatte über den Pakt beim Parteitag Anfang Dezember. Bei einer Diskussion in der Unionsfraktion hatte er sich aber kürzlich weder für noch gegen den Pakt positioniert.

      Der CDU-Landesverband Sachsen-Anhalt lehnt die Vereinbarung ebenso ab wie die AfD. Nach Ansicht von Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) droht mit dem Pakt eine „Vermischung der Suche nach Schutz mit Arbeitsmigration“.

      Dagegen verteidigt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Vereinbarung. Sie sei „der richtige Antwortversuch, globale Probleme auch international und miteinander zu lösen“.

      Folgende Länder haben angekündigt, den Migrationspakt abzulehnen:

      • USA
      • Australien
      • Israel
      • Polen
      • Österreich
      • Ungarn
      • Tschechien
      • Bulgarien
      • Estland

      • Was bringt der Pakt?

      Migration ist unbestritten ein weltweites Phänomen. Mehr internationale Zusammenarbeit und der Austausch von Daten sind ebenso wünschenswert wie die globale Bekämpfung des Schlepperwesens. Und natürlich wird jeder die Forderung unterschreiben, dass sich die Lebensverhältnisse zwischen Mali, Kambodscha und Haiti verbessern müssen.

      Ob ein UN-Papier mit einer Absichtserklärung dies leisten kann, ist allerdings zweifelhaft. Hierzu bedürfte es einer Weltregierung oder zumindest eines halbwegs funktionierenden Systems der Vereinten Nationen. Davon ist die internationale Gemeinschaft jedoch so weit entfernt wie lange nicht.