Washington. Keine klaren Sieger oder Verlierer – trotzdem lassen sich aus den US-Wahlen wichtige Schlüsse ziehen – nicht nur für Präsident Trump.

Amerika hat gewählt – und die Reaktionen schwanken entlang der ideologischen Gräben zwischen Erleichterung und Enttäuschung.

Im Mittelpunkt steht: Präsident Donald Trump kann in den verbleibenden zwei Jahren seiner Amtszeit nicht mehr mit doppelten Mehrheiten im Kongress durchregieren. Die Republikaner haben im Senat zwar ihre Macht ausgeweitet. Im Repräsentantenhaus geben aber künftig die Demokraten den Ton an.

Was bedeutet das Ende der konservativen Alleinherrschaft? Die wichtigsten Fakten auf einen Blick.

• Der Präsident

Donald Trump ist geschwächt und gestärkt zugleich. Geschwächt, weil er bei allen Gesetzen künftig im Repräsentantenhaus auf einen Gegner Rücksicht nehmen muss, den er zuletzt pauschal als „verrückt“ oder „nicht regierungsfähig“ bezeichnet hatte. Gestärkt, weil er seine erzkonservative Personalpolitik etwa an den Bundesgerichten ungehemmt fortsetzen kann, denn hier hat er eine noch solidere Mehrheit im Senat hinter sich.

US-Präsident Donald Trump.
US-Präsident Donald Trump. © REUTERS | Carlos Barria

Allerdings muss sich Trump generell auf unbequeme Zeiten einstellen. Im Abgeordnetenhaus werden die Demokraten ihre neu gewonnene Aufsichtsbefugnis über die Regierung nutzen, indem sie in Ausschüssen und Anhörungen die komplette Amtsführung Trumps in die Öffentlichkeit zerren.

Untersuchungen über mögliche Konflikte zwischen den Geschäftsinteressen Trumps (und seiner Familie) und dem politischen Amt sind programmiert. Ebenso die Offenlegung der bisher hartnäckig unter Verschluss gehaltenen Steuererklärung des Immobilienmoguls. Bislang hat Trump diesbezüglich alle Versuche mit Hilfe der Republikaner abgeschmettert. Ab sofort wartet ein Gegner auf ihn, der nicht nur folgenlos bellt – sondern auch beißt.

• Die Republikaner

Die Konservativen haben ihre Macht im Senat ausgebaut. Begünstigt von der Tatsache, dass die Demokraten 26 von 35 Mandaten verteidigen mussten, hat die Partei strategisch wichtige Bundesstaaten wie Indiana, North Dakota, Missouri und Florida zurückerobert.

Dort ist Präsident Trump, der intensiv im Wahlkampf Schützenhilfe leistete, unverändert populär; mit Blick auf die Wahl 2020 keine schlechte Ausgangsposition. Dagegen steht die herbe Niederlage im Repräsentantenhaus.

• Die Demokraten

Nancy Pelosi, künftige Chefin im US-Repräsentantenhaus.
Nancy Pelosi, künftige Chefin im US-Repräsentantenhaus. © dpa | Jacquelyn Martin

Nacht acht Jahren sind sie im „House“ wieder an den Hebeln der Macht und könnten dem Präsidenten das Leben jeden Tag zur Hölle machen. Die designierte Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi (78), wird aber versuchen, das Image der Demokraten als „Totalverhinderer“ gar nicht erst aufkommen zu lassen. Es könnte die Wahlchancen 2020 erheblich schmälern.

Bewusst äußerte sich Pelosi am Wahlabend nicht zum Thema Amtsenthebungsverfahren, wie es von demokratischen Geldgebern wie dem Milliardär Tom Steyer vehement gefordert wird. Pelosi, die von 2007 bis 2011 unter Obama bereits den Top-Posten im Repräsentantenhaus innehatte, weiß um die Kollateralschäden.

Denn: Trumps Anhänger würden öffentliche Wut zelebrieren. Und tatsächliche Chancen, den ungeliebten Präsidenten aus dem Amt zu drängen, gibt es nicht. Trump könnte nur mit einer Zweidrittelmehrheit im Senat abgesetzt werden. Derzeit illusorisch.

• Die Wähler

Weiße, ältere Männer ohne College-Abschluss gaben mehrheitlich den Republikanern die Stimme. Frauen, vor allem besser gebildete, bevorzugten die Demokraten. Afro-Amerikaner und Latinos tendierten noch stärker zu den Demokraten. Wie auch Erst- und Jungwähler (bis 39 Jahre). Hier kamen die Republikaner bestenfalls auf Werte zwischen 30 und 40 Prozent.

Die Republikaner bleiben im ländlichen Raum stark. In den Metropolen wird meist demokratisch gewählt. In den immer öfter wahlentscheidenden „suburbs“, den prosperierenden Vorstädten, halten sich beide Parteien noch die Waage.

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• Die Mobilisierung

„Midterms“ gehören in Amerika zu den Ladenhütern der Demokratie. Dass sich mehr als 35 Prozent an die Wahlurnen begeben, kommt kaum vor. 2014 waren es 37 Prozent. Diesmal lag schon die Zahl der Frühwähler (rund 39 Millionen) um 40 Prozent über dem Wert von vor vier Jahren.

Präsident Trump hat mit seiner aggressiven Politik und Wähleransprache „in beiden Lagern viele Leute aus dem Sessel getrieben“, sagen Wahlforscher. Zuletzt war die Wahlbeteiligung (voraussichtlich knapp unter 50 Prozent) in den 70er-Jahren so hoch. Ein Erfolg für die Demokratie.

• Die Frauen

Über den Einfluss des weiblichen Geschlechts auf diese Wahl wird noch über viele Wochen zu lesen sein. Zum einen, weil - wie in Umfragen erwartet - weiße, besser gebildete Frauen in urbanen Ballungsräumen überproportional häufig gegen Republikaner und für Demokraten gestimmt haben; vor zwei Jahren bei Trumps Wahl war das anders.

Zum anderen, weil so viele Frauen wie nie zuvor selbst politisch aktiv wurden und für ein öffentliches Amt kandidierten.

Zentraler Auslöser laut Befragungen: Trumps Rhetorik und Stil - gerade gegenüber Frauen. Das führt nun dazu, dass der Kongress so weiblich wie nie zuvor sein wird. Nach noch vorläufigen Berechnungen ziehen allein 99 Frauen in das Repräsentantenhaus ein, 31 davon zum ersten Mal. Der alte Rekord (2015 bis 2017) lag bei 85.

Die Demokraten haben klar die Nase vorn und können auf viele symbolstarke Erfolge verweisen. In Virginia setzte sich die Ex-CIA-Agentin Abigail Spanberger im Abgeordnetenhaus gegen den Trump ergebenen Republikaner Dave Brat durch; hier hatten die Demokraten vorher ein halbes Jahrhundert nichts zu lachen.

Noch wirkmächtiger ist der Erfolg von Gouverneurin Laura Kelly im konservativen Kansas. Sie warf den früheren Innenminister des Bundesstaates, Kris Kobach, aus dem Rennen.

• Die Talente-Reserve

Andrew Gillum von den Demokraten.
Andrew Gillum von den Demokraten. © REUTERS | COLIN HACKLEY

Trotz ihrer Niederlagen haben sich mehrere Spitzenkandidaten der Demokraten perspektivisch für höhere Aufgaben empfohlen. Der ehemalige Bürgermeister von Tallahassee, Andrew Gillum, lieferte sich im Rennen um das Gouverneursamt in Florida ein Wimpernschlag-Finale mit dem von Trump geförderten Ron DeSantis. Gillum hat in Teilen der Wählerschaft Vergleiche zum jungen Barack Obama ausgelöst.

Noch größere Hoffnungen verbinden sich langfristig mit Beto O’Rourke. Seine rund 3,7 Millionen Stimmen im traditionell konservativen Texas im Duell mit dem ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Ted Cruz um einen Sitz im Senat wirken nach. O’Rourke, 46 Jahre jung und ein rhetorisches Ausnahmetalent, steht seit Dienstag im inoffiziellen Kader der Demokraten für mögliche Herausforderer Trumps bei den Präsidentschaftswahlen in zwei Jahren.

• Die Gouverneure

In 36 Bundesstaaten stand die Wahl des (mit Deutschland vergleichbaren) Ministerpräsidenten an. Hier hatten die Republikaner bisher die Nase weit vorn und mussten diesmal heftig bluten.

In Illinois, Maine, New Mexico, Michigan, Kansas und Nevada geben künftig demokratische „governor“ den Takt vor. Besonders schmerzlich für die „Grand Old Party“ ist in Wisconsin die Niederlage von Scott Walker, der 2016 Präsidentschaftskandidat war.

Sein von dem Demokraten Tony Evers erzwungener Abgang überlagerte die für die „Reps“ positiven Schlagzeilen aus Georgia, Florida und Ohio.

Dort hatten sich nach beinhartem Kampf Brian Kemp und Ron DeSantis knapp gegen die Afro-Amerikaner Stacey Abrams und Andrew Gillum durchgesetzt.

• Die Demokratie

Der Hauptgewinner des Abends war das in der US-Verfassung angelegte Prinzip der „checks and balances“, dem die Wähler in Rekordzahl neue Geltung verschafft haben. Indem eine Mehrheit den Republikanern den Schlüssel für das Abgeordnetenhaus wegnahm, haben sie sich für mehr Kontrolle und Einhegung der Regierung ausgesprochen.

Die Frage ist nun, ob die vom Souverän beglaubigte Teilung der Macht zwischen Republikanern und Demokraten zu mehr Konsens führen wird. Oder zu Stillstand, weil sich beide Seiten nur noch wechselseitig lähmen.