Berlin. CSU-Chef Horst Seehofer weiß, dass er sein Parteiamt abgeben muss. Nun setzt er alles daran, länger zu bleiben als die Bundeskanzlerin.
Die Tage von Horst Seehofer als CSU-Chef sind gezählt. Er weiß es auch, zögert seinen Abschied aber hinaus. Am Sonntag zählte Seehofer wichtige Termine der nächsten Tage auf und versprach: Nach der Vereidigung des neuen bayerischen Kabinetts, die für den 12. November geplant sei, werde man von ihm hören.
Dann werde er eine Erklärung abgeben, deren Inhalt „weitestgehend“ feststehe. Schon werden Termine für CSU-Sonderparteitage gehandelt, etwa der 8. oder 15. Dezember.
Seehofer tut es gut, dass Angela Merkel als CDU-Chefin auf einem Parteitag der Christdemokraten am 7. Dezember ausscheidet. Vor ihm. Schon immer wollte er sie überleben und nicht an der Trophäenwand der „Jägermeisterin“ hängen. Sein langer Abschied ist auch die Geschichte einer Obsession.
Am Dienstag soll Söder bestätigt werden
Für die bayerische Partei beginnt eine Woche der Wahrheit. Im Freistaat sind die Verhandlungen mit den Freien Wählern beendet: Spezi-Koalition unter Dach und Fach. Am Sonntag beugten sich CSU-Spitze und Landtagsfraktion über den Vertrag, an diesem Montag konstituiert sich der Landtag, am Dienstag soll Markus Söder als Ministerpräsident im Amt bestätigt werden.
Zur Mitte der Woche schauen die Christsozialen nach Helsinki. Dort hat einer von ihnen, Manfred Weber, die Chance, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei zu werden. Am Wochenende danach entscheidet sich Seehofers Zukunft. Dann trifft er die CSU-Bezirkschefs.
Ort und Uhrzeit stehen noch nicht fest
Anlass ist die Europawahl. Die CSU hat zehn Bezirke, aber Aussicht auf ungefähr fünf Mandate. Bevor es auf offener Bühne zum Hauen und Stechen über die Kandidatenliste kommt, regelt man die Sache lieber vorab intern. Zusätzlich will Seehofer auf der Sitzung die Bayern-Wahl analysieren lassen.
Die Einladungen sind noch nicht raus; um den genauen Tag, Uhrzeit, Ort und Tagesordnung wird ein großes Geheimnis gemacht. Aber klar ist, dass der Generalsekretär und die Vizechefs, also auch Weber, der Ministerpräsident und der Vorsitzende der Berliner Landesgruppe, Alexander Dobrindt, dabei sein werden.
Ein Franke als CSU-Chef und Ministerpräsident?
Wird Weber EVP-Vorsitzender, steigen seine Chancen, ; der CSU-Vorsitz hätte sich erledigt. Dobrindt hält sich zurück, er hat nur Außenseiter-Chancen. Selbst für Berliner Abgeordnete wie Peter Ramsauer ist Söders Zugriff „ein Muss“. Ministerpräsident und Parteivorsitz müssten „wieder in eine Hand“.
Dass ein Franke beide Positionen einnimmt, war vor kurzem noch undenkbar. Die meisten CSU-Wähler leben in Nieder- und Oberbayern. Hier, im Süden des Freistaates, hat die Partei bei der Landtagswahl am meisten verloren – was Rückschlüsse auf Söders Zugkraft erlaubt. Dass Söder nicht aus Nieder- oder Oberbayern kommt, sei bei der Vorsitzendensuche freilich „kein K.o.-Kriterium“ mehr, heißt es in der CSU.
Rücktrittsforderungen nach der Bayern-Wahl
Seehofer hat die Wahlanalyse bewusst hinausgezögert. Nach der Bayern-Wahl, bei der die CSU die absolute Mehrheit einbüßte, überwogen noch die Rücktrittsforderungen. Inzwischen hat sich die Stimmung gedreht. Alois Glück, geachteter langjähriger Landtagspräsident, hat sich über das Erscheinungsbild der CSU mokiert – „eine Partei der inneren Konflikte“ – und zu bedenken gegeben, dass am Wahlergebnis „nicht eine Person schuld sei“.
Nun wird ein würdiger Übergang angepeilt, ohne Verletzungen. Es kommt auf den Verlauf der Sitzung an, auf die Tonalität. Seehofer soll leise Servus sagen können.
Diese Sehnsucht nach Harmonie reizt der Parteichef aus. Er will retten, was noch zu retten ist. Er ist als Vorsitzender bis November 2019 gewählt, aber so viel Zeit dürfte ihm die CSU kaum geben. Gern würde er als Innenminister in Berlin weiter machen.
Die Karriere von Horst Seehofer
Darf Seehofer Innenminister bleiben?
Die Postenverteilung im Münchner Kabinett war ein Fingerzeig. Das Innenministerium fiel der CSU zu. Gut möglich, dass der bisherige Amtschef Joachim Herrmann im Kabinett bleibt und Seehofer in Berlin keine Konkurrenz macht.
Dass Politiker aus der CDU Seehofer öffentlich den Rückzug nahegelegt haben, hat dem CSU-Chef eher genützt als geschadet. Sofort hat die bayerische Schwesterpartei klargemacht, dass sie ihren „eigenen Fahrplan“ habe und von einem Zugzwang „keine Rede“ sein könne.
Merkels Rückzugspläne haben vieles leichter gemacht. Seehofer muss nicht mal seine Argumentation variieren. Bisher hieß es, er müsse Parteichef sein, um auf Augenhöhe mit Merkel zu sein. Künftig wären beide nicht mehr Vorsitzende. Auch eine Art Augenhöhe.
„Jägermeisterin eitler Männer“
Nicht die CSU sei in die Knie gegangen, sondern Merkel, heißt es in Seehofers Umfeld. Er liege nicht auf ihrem Friedhof, in der CDU bekämen mit . Für die CSU wäre es ein Triumph, wenn ein Konservativer das Rennen um den CDU-Vorsitz gewinnen würde.
In der CSU halten sie es für möglich, dass Merkel als Kanzlerin vor 2021 aufhört, wenn Merz CDU-Chef wird. Geht Merkel, fiele es Seehofer leichter, den Abschied zu nehmen und seine ministerielle Restlaufzeit an die der Kanzlerin zu koppeln.
Seit Jahren arbeitet er sich an ihr ab. 2004 stritt er mit ihr als Fraktionsvize um die Gesundheitspolitik und trat zurück. Merkel war Oppositionschefin und gerade 50 geworden. Der starke Mann der CSU in Berlin, Michael Glos, schenkte ihr eine Flasche „Jägermeister“ und rief auf ihrer Party aus, sie sei „die Jägermeisterin eitler Männer“.
Zur Sammlung der Geweihe geltungssüchtiger Männer wird das Exemplar Seehofer nicht zählen. Für ihn eine Genugtuung.