Berlin. Nach fast zehn Jahren Spitzenpolitik-Exil will Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz CDU-Chef werden. Seine Konkurrenz ist stark.

Bevor es losgeht, stellt er sich noch einmal vor. Nur für den Fall, dass jemand vergessen hat, wer er ist. „Mein Name ist Friedrich Merz. Mit e“, sagt Friedrich Merz und verweist auf einen Tippfehler in der Einladung. Dann fängt er an, darüber zu sprechen, worum es eigentlich geht an diesem Tag: seine Bewerbung als CDU-Chef.

Er hätte das nicht sagen müssen. Die Journalisten, die am Mittwoch in die Bundespressekonferenz gekommen sind, wissen genau, wer da vor ihnen sitzt. Es sind viele, der Saal ist fast voll besetzt. Mehrere Minuten dauert es, bis das Klicken der Kameras verstummt und Merz sprechen kann. Er sieht nicht aus, als ob es ihn stört, deswegen warten zu müssen.

Friedrich Merz war lange weg aus dem politischen Betrieb

Lange war der ehemalige Unionsfraktionschef weg aus dem politischen Betrieb. Wer ihn an diesem Tag sieht, merkt: Er hat das Handwerk nicht verlernt. Das fängt schon an bei der Ankündigung seiner Kandidatur. Das politische Berlin ist am Montagmorgen noch nicht ansatzweise damit fertig, die Nachricht zu verarbeiten, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Parteitag im Dezember nicht mehr antreten wird, da kommt die nächste Überraschung: Merz will sie beerben.

Zunächst ist es nur eine Meldung in der „Bild“, die Zeitung beruft sich auf das „Umfeld“ des Sauerländers. Am nächsten Tag eine kurze Pressemitteilung: Ja, die Berichte stimmten, Merz will sich Anfang Dezember in Hamburg tatsächlich um den Vorsitz der Partei bewerben. Und dann, am Mittwoch, schließlich die Meldung: Merz erklärt sich, live und persönlich.

Merz: CDU braucht Klarheit über ihren „Markenkern“

Die CDU müsse sich wieder Klarheit verschaffen über ihren Markenkern, sagt Merz. Man dürfe nicht zulassen, dass sich Wähler „aus Frust über die etablierten Parteien populistischen Bewegungen anschließen“. Er muss Angela Merkels Namen nicht explizit nennen, um klarzumachen, dass er in ihr einen Hauptgrund für diesen Frust sieht. Die CDU brauche deshalb „Aufbruch und Erneuerung“, erklärt der 62-Jährige.

Dass ihn vor allem junge Wähler kaum kennen? Kein Problem, sagt Merz. Dass heute 20-Jährige nichts mit ihm verbinden, das wisse er. Aber schon die 30-Jährigen, die wüssten „sich gut zu erinnern. Und die anderen werden mich auch noch kennenlernen.“

Merz sammelte Posten in Unternehmen

Neun Jahre ist es her, dass Merz die Spitzenpolitik hinter sich ließ – „aus freien Stücken“, wie er am Mittwoch betont. Er wurde Chef der Atlantik-Brücke, einer Organisation, die sich für ein enges Verhältnis der Bundesrepublik zu den USA einsetzt. Nebenbei sammelte Merz Posten in Unternehmen, unter anderem im Aufsichtsrat des deutschen Ablegers von Blackrock, einer US-Vermögensverwaltung.

Es ist dieser Teil seiner Zeit im Politik-Exil, der für Merz am ehesten zum Problem werden könnte auf dem Weg zum CDU-Vorsitz: Kritiker halten die Marktmacht des Unternehmens, das an mindestens 67 deutschen Aktiengesellschaften beteiligt ist, für gefährlich. Die Firma sei „keine Heuschrecke“, will Merz den Kritikern Wind aus den Segeln nehmen, man verwalte nur Vermögen. Allerdings keine kleinen Vermögen: Mit 6,4 Billionen Dollar (etwa 5,7 Billionen Euro) von Anlegern operiert Blackrock. Sollte Merz nicht CDU-Chef werden, würde man sich freuen, weiter mit ihm zu arbeiten, sagt Konzernchef Larry Fink.

Auch Kramp-Karrenbauer und Spahn wollen den Chef-Posten

Es ist kein unwahrscheinliches Szenario. Merz hat aussichtsreiche Gegner im Kampf um den CDU-Vorsitz. Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer hat sich um den Chefposten beworben. Auch Gesundheitsminister Jens Spahn hat Interesse bekundet. Ein möglicher weiterer Konkurrent hat sich unterdessen selbst aus dem Rennen genommen: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet erklärte am Mittwoch, er werde sich nicht um den Vorsitz bewerben. Er wolle die gut funktionierende schwarz-gelbe Koalition in NRW „nicht für ein Parteiamt gefährden“.

Merkels Rückzug: So wird jetzt um die Nachfolge gekämpft

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    Sollte Merz gewählt werden, müsste er mit der Frau zusammenarbeiten, mit der ihn einst eine bittere Rivalität verband: Merkel beanspruchte nach der für die Union verlorenen Bundestagswahl 2002 den Posten als Fraktionsführerin im Bundestag für sich. Merz, bis dahin Fraktionschef, musste weichen und wurde Vize. Nach zwei Jahren gab er das Amt auf, weitere fünf Jahre später kehrte er der Politik den Rücken. Wenn man nicht zusammenpasse, müsse man eben auseinandergehen, kommentiert Merz sein Ausscheiden aus der Politik.

    Seine Meinungen zu Themen verrät Merz noch nicht

    Und heute? Zu versöhnen gebe es zwischen ihm und Merkel nichts, sagt er. Er sei überzeugt, dass man unter diesen veränderten Bedingungen miteinander „auskommen und klarkommen“.

    Schließlich gibt es genug gemeinsam zu tun: Migration, Globalisierung, Klimawandel, Digitalisierung und der Zusammenhalt in der Eurozone, das seien die großen Herausforderungen der Zeit, sagt Merz, und fügt hinzu: „Ich habe dazu Meinungen.“ Wie die aussehen, verrät er noch nicht. Nur, dass er sich in den nächsten Wochen „sehr dezidiert“ dazu äußern werde.