Washington. Amerika will den INF-Vertrag über Mittelstreckenwaffen kündigen. Löst US-Präsident Trump damit ein neues Wettrüsten in Europa aus?

Es war die erfolgreichste Abrüstungsvereinbarung aller Zeiten. Am 8. Dezember 1987 unterzeichneten Ronald Reagan und der sowjetische Parteichef Michail Gorbatschow in Washington den INF-Vertrag (Intermediate Range Nuclear Forces).

Er verbot die Entwicklung, Tests und Produktion landgestützter Raketen mit einer Reichweite zwischen 500 und 5500 Kilometern. Bis 1991 wurden, wie verabredet, sämtliche 2700 Raketen dieser Kategorie verschrottet.

Europa damals in Angst vor Konfrontation

In Europa war das Aufatmen besonders groß. SS-20 auf Seiten der Sowjetunion und Cruise Missiles- sowie Pershing II-Raketen bei den Amerikanern hatten in den 1980er-Jahren den Kontinent in Angst vor einer Konfrontation der Supermächte versetzt.

In Deutschland hatte der Streit um die Nachrüstung (Nato-Doppelbeschluss) schwerste innenpolitische Verwerfungen ausgelöst. Bundeskanzler Helmut Schmidt verlor indirekt dadurch sein Amt. Im Bonner Hofgarten kam es unter dem Motto „Frieden schaffen ohne Waffen“ und „Schwerter zu Pflugscharen“ zu einer der größten Kundgebungen in der Geschichte der Bundesrepublik.

Trump will Verstoß Russlands erkannt haben

Das ist die Folie, vor der US-Präsident Donald Trump am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Nevada am Wochenende hemdsärmelig eine Entscheidung ankündigte, die das Verhältnis zwischen Moskau und Washington weiter abkühlen lässt und in Europa die Sorge vor einer neuen Ost-West-Konfrontation auf die Spitze treiben wird: Amerika kündigt den INF-Vertrag auf.

Begründung: Russland verstoße gegen die Kern-Substanz des Abkommens, indem es bodengestützte Marschflugkörper namens SSC-8 installiert habe, die leicht auch zentral-europäische Ziel erreichen könnten.

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Das sagt Russland zu Trumps Vorwurf

Moskau bestreitet die Vorwürfe, für die es bereits vor zehn Jahren unter Trumps Vorgänger Obama Hinweise gegeben hat, und gibt den Schwarzen Peter zurück. Zum einen hätten China, Indien und Pakistan in eben jener Waffengattung große Fortschritte gemacht, die nach 1987 auf russischer Seite verschrottet wurden.

Zum anderen seien Raketenabwehr-Installationen der Nato in Polen und Rumänien Ausdruck aggressiver Weltmacht-Fantasien Amerikas gegenüber Russland.

Bisher ist es nur eine Eskalation der Worte

Weil beide Seiten nur Vorwürfe austauschen anstatt eine Schlichtungs-Instanz einzuberufen (Special Verifications Committee), tut sich für Europa perspektivisch ein Szenario auf, das die von Trumps angetretenen Streitigkeiten über das Zwei-Prozent-Ziel bei den Nato-Kosten als nebensächlich erscheinen lassen: neues Wettrüsten, neue Debatten über nukleare Mittelstreckensysteme, viel böses Blut in der ohnehin angespannten Weltpolitik.

Für diese und jede kommende Bundesregierung muss Trumps Absichtserklärung, die maßgeblich auf seinen Sicherheitsberater-Falken John Bolton zurückgeht, Alarm auslösen. Eine Mehrheit der Deutschen will keine neuen amerikanischen Atomwaffen in Europa. Stattdessen sollen die letzten bei Büchel gelagerten amerikanischen Atombomben endlich abgezogen werden.

Grund genug, um schleunigst einen Fuß in die Tür zu bekommen, bevor der Eskalation der Worte zwischen Moskau und Russland Taten folgen. Ein Grundpfeiler der europäischen Sicherheit ist ins Wanken geraten. Der Rückfall in die Logik des Kalten Krieges muss mit allen Mitteln verhindert werden.