Berlin. Jens Spahns Sofortprogramm für Pflege stößt auf viel Kritik. Der Diakonie-Präsident fordert nachhaltige Reformen statt „Symbolstellen“.

Es soll der Anfang für eine Kehrtwende in der Pflege sein: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will 13.000 neue Stellen in der Altenpflege schaffen, die Krankenpflege entlasten und so die Arbeitsbedingungen in der Branche verbessern. Gesamtkosten: eine Milliarde Euro pro Jahr. „Es ist eine erste, wichtige Maßnahme, um die Vertrauenskrise in der Pflege zu überwinden“, erklärte Spahn am Mittwoch in Berlin. Etliche Pflegeexperten sehen das anders.

„Das Sofortprogramm ist eine Nebelkerze“, kritisiert Nicole Westig, pflegepolitische Sprecherin der FDP. „Bereits jetzt können offene Stellen nicht besetzt werden, der Markt ist leer gefegt.“ Diakonie-Präsident Ulrich Lilie wird noch deutlicher: „Dieser Aktionsplan ist leider ein Witz“, sagte Lilie unserer Redaktion. „Mit diesen 13.000 Symbolstellen gewinnen wir nichts in diesem Land.“

Diakonie-Präsident: Haben schon genug Dampfplauderer

Spahn stehe vor einer Bewährungsprobe. Der Minister müsse nachhaltige Reformen durchsetzen. „Wenn nicht, wird er als einer der vielen Dampfplauderer gelten, von denen wir aktuell schon viel zu viele in der Politik haben.“ In Deutschland sind laut Bundesregierung mehr als 35.000 Pflegestellen derzeit nicht besetzt.

Spahn hatte am Mittwoch Eckpunkte für sein neues Pflege-Gesetz vorgestellt. In der Altenpflege sollen gestaffelt nach Größe der Einrichtung zusätzliche Stellen geschaffen werden: Einrichtungen bis zu 40 Bewohnern erhalten eine halbe Pflegestelle, Einrichtungen von 41 bis 80 Menschen eine ganze, Heime mit 81 bis 120 Bewohnern eineinhalb und Einrichtungen mit mehr als 120 Bewohnern zwei Stellen zusätzlich. Die Kosten von rund einer Milliarde Euro pro Jahr trage fast ausschließlich die gesetzliche Krankenversicherung. Das Paket soll zum 1. Januar 2019 in Kraft treten.

Spahn hält wegen Milliardendefizit höhere Pflegebeiträge für möglich

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    Spahn setzt auf Pflegefachkräfte aus dem Ausland

    In einem zweiten Schritt will Spahn zusammen mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) eine Initiative zur Gewinnung von Fachkräften starten. Ideen dafür gibt es bereits, konkret aber ist noch nichts: Ehemalige Pflegekräfte sollen in den Beruf zurückkehren, Teilzeitkräfte sollen ihre Stundenzahl aufstocken, die Zahl der Pflege-Azubis soll größer werden.

    Spahn setzt zudem auf Pfleger aus anderen Ländern: „Fachkräfte aus dem Ausland – das ist ein Baustein.“ Die Hoffnung dahinter: Wenn die Arbeitsbedingungen durch mehr Personal besser werden, wenn der Beruf attraktiver wird, dann wollen auch in Deutschland wieder mehr Menschen Altenpfleger sein. Spahn räumt jedoch ein: „Das geht nicht mit einer Maßnahme, das geht auch nicht in zwei Wochen.“

    Verbände vermissen Gesamtkonzept

    Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, begrüßte Spahns Vorschläge: Die Eckpunkte seien ein erster Schritt. Doch der zweite müsse jetzt umgehend folgen: „Jetzt sofort müssen wir konkrete Vorschläge in Gesetze gießen, wie wir zügig nicht nur mehr Pflegekräfte finanzieren, sondern wie wir sie finden und im Beruf halten“, sagte Westerfellhaus unserer Redaktion.

    Auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, vermisst ein Gesamtkonzept zur Lösung des Pflegenotstands: Sollten dem Sofortprogramm keine weiteren verbindlichen Schritte folgen, sei das Sofortprogramm allenfalls ein „Trostpflaster“, das die Dauerkrise in der Pflege nicht heilen könne.

    Das ist das Bundeskabinett

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am 14. März 2018 zum vierten Mal zur Regierungschefin gewählt worden. Auch ihr Bundeskabinett aus SPD-, CDU- und CSU-Ministern wurde vereidigt. Wir stellen das Kabinett vor.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist am 14. März 2018 zum vierten Mal zur Regierungschefin gewählt worden. Auch ihr Bundeskabinett aus SPD-, CDU- und CSU-Ministern wurde vereidigt. Wir stellen das Kabinett vor. © dpa | Gregor Fischer
    Nach der Wahl im Bundestag wurde Merkel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Bundeskanzlerin ernannt.
    Nach der Wahl im Bundestag wurde Merkel von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zur Bundeskanzlerin ernannt. © Getty Images | Michele Tantussi
    Ursula von der Leyen (CDU) bleibt Bundesverteidigungsministerin. Sie ist eine von drei Frauen aus der sechsköpfigen CDU-Ministerriege.
    Ursula von der Leyen (CDU) bleibt Bundesverteidigungsministerin. Sie ist eine von drei Frauen aus der sechsköpfigen CDU-Ministerriege. © dpa | Wolfgang Kumm
    Peter Altmaier (CDU) ist Wirtschaftsminister. Zuvor war der Merkel-Vertraute Bundesminister für besondere Aufgaben – der offizielle Name für den Posten, der kurz Kanzleramtsminister genannt wird.
    Peter Altmaier (CDU) ist Wirtschaftsminister. Zuvor war der Merkel-Vertraute Bundesminister für besondere Aufgaben – der offizielle Name für den Posten, der kurz Kanzleramtsminister genannt wird. © imago/Metodi Popow | M. Popow
    Anja Karliczek (CDU) ist Ministerin für Bildung und Forschung. Vor ihrer Vereidigung war sie Bundestagsabgeordente aus NRW.
    Anja Karliczek (CDU) ist Ministerin für Bildung und Forschung. Vor ihrer Vereidigung war sie Bundestagsabgeordente aus NRW. © imago/photothek | Florian Gaertner/photothek.net
    Jens Spahn (CDU) ist Gesundheitsminister. Zuvor war er parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium.
    Jens Spahn (CDU) ist Gesundheitsminister. Zuvor war er parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium. © dpa | Kay Nietfeld
    Julia Klöckner ist Landwirtschaftsministerin und gleichzeitig CDU-Vize sowie Mitglied im CDU-Bundesvorstand.
    Julia Klöckner ist Landwirtschaftsministerin und gleichzeitig CDU-Vize sowie Mitglied im CDU-Bundesvorstand. © dpa | Andreas Arnold
    Der CDU-Politiker Helge Braun, Jahrgang 1972, ist neuer Kanzleramtsminister.
    Der CDU-Politiker Helge Braun, Jahrgang 1972, ist neuer Kanzleramtsminister. © imago/photothek | Inga Kjer/photothek.net
    CSU-Chef Horst Seehofer, als bayerischer Ministerpräsident von seiner Partei nicht mehr gewollt, ist Innenminister. Die CSU handelte indes aus, dass das Innenministerium um die Bereiche Heimat und Bauen erweitert wird.
    CSU-Chef Horst Seehofer, als bayerischer Ministerpräsident von seiner Partei nicht mehr gewollt, ist Innenminister. Die CSU handelte indes aus, dass das Innenministerium um die Bereiche Heimat und Bauen erweitert wird. © imago/IPON | Stefan Boness/Ipon
    Die CSU stellt insgesamt drei Minister, darunter auch Andreas Scheuer, zuvor Generalsekretär seiner Partei: Der Politiker Jahrgang 1974 ist Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur.
    Die CSU stellt insgesamt drei Minister, darunter auch Andreas Scheuer, zuvor Generalsekretär seiner Partei: Der Politiker Jahrgang 1974 ist Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. © dpa | Kay Nietfeld
    Gerd Müller (CSU) bekam seine Ernennungsurkunde als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ebenfalls von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Müller hatte das Amt auch schon im vorhergehenden Merkel-Kabinett inne.
    Gerd Müller (CSU) bekam seine Ernennungsurkunde als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ebenfalls von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Müller hatte das Amt auch schon im vorhergehenden Merkel-Kabinett inne. © REUTERS | FABRIZIO BENSCH
    Die SPD stellt insgesamt sechs Minister in der dritten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel. Olaf Scholz ist Finanzminister und der Vizekanzler. Der SPD-Politiker war zuvor Hamburgs Erster Bürgermeister und von 2002 bis 2004 SPD-Generalsekretär.
    Die SPD stellt insgesamt sechs Minister in der dritten großen Koalition unter Bundeskanzlerin Merkel. Olaf Scholz ist Finanzminister und der Vizekanzler. Der SPD-Politiker war zuvor Hamburgs Erster Bürgermeister und von 2002 bis 2004 SPD-Generalsekretär. © imago/IPON | Stefan Boness/Ipon
    Heiko Maas (SPD) ist in Merkel Kabinett Außenminister. Im Kabinett Merkel III hatte er zuvor das Amt des Justizministers inne.
    Heiko Maas (SPD) ist in Merkel Kabinett Außenminister. Im Kabinett Merkel III hatte er zuvor das Amt des Justizministers inne. © dpa | Michael Kappeler
    Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, ist Arbeits- und Sozialminister und bekam die entsprechende Urkunde vom Bundespräsidenten.
    Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, ist Arbeits- und Sozialminister und bekam die entsprechende Urkunde vom Bundespräsidenten. © Getty Images | Michele Tantussi
    Franziska Giffey (SPD), zuvor Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, ist die neue Familienministerin.
    Franziska Giffey (SPD), zuvor Bezirksbürgermeisterin in Berlin-Neukölln, ist die neue Familienministerin. © dpa | Karlheinz Schindler
    Svenja Schulze (SPD), bisher Generalsekretärin der NRW-SPD, hat nun den Posten als Umweltministerin inne.
    Svenja Schulze (SPD), bisher Generalsekretärin der NRW-SPD, hat nun den Posten als Umweltministerin inne. © dpa | Rolf Vennenbernd
    Und das sind die Staatsminister: SPD-Politiker Michael Roth ist Staatsminister für Europaangelegenheiten im Auswärtigen Amt.
    Und das sind die Staatsminister: SPD-Politiker Michael Roth ist Staatsminister für Europaangelegenheiten im Auswärtigen Amt. © Getty Images | Carsten Koall
    Die CSU-Politikerin Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitales und im Kanzleramt angesiedelt.
    Die CSU-Politikerin Dorothee Bär ist Staatsministerin für Digitales und im Kanzleramt angesiedelt. © dpa | Karlheinz Schindler
    SPD-Politikerin Katarina Barley übernahm zunächst das Justizministerium. Nach der Europawahl wechselt sie allerdings nach Brüssel.
    SPD-Politikerin Katarina Barley übernahm zunächst das Justizministerium. Nach der Europawahl wechselt sie allerdings nach Brüssel. © imago/Reiner Zensen | Reiner Zensen
    Neue Bundesjustizministerin wird Christine Lambrecht (SPD). Sie war zuvor parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion.
    Neue Bundesjustizministerin wird Christine Lambrecht (SPD). Sie war zuvor parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion. © imago/Metodi Popow | M. Popow
    Monika Grütters (CDU) bleibt Kulturstaatsministerin.
    Monika Grütters (CDU) bleibt Kulturstaatsministerin. © Getty Images | Pascal Le Segretain
    Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, ist Staatsministerin für internationale Kulturpolitik.
    Die SPD-Bundestagsabgeordnete Michelle Müntefering, Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering, ist Staatsministerin für internationale Kulturpolitik. © dpa | Kay Nietfeld
    Feierlicher Termin am 14. März 2018 im Schloss Bellevue in Berlin (v.l.n.r.): Helge Braun (CDU), Gerd Müller (CSU), Anja Karliczek (CDU), Jens Spahn (CDU), Katarina Barley (SPD, inzwischen nach Brüssel gewechselt), Julia Klöckner (CDU), Ursula von der Leyen (CDU), Heiko Maas (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz (SPD), Horst Seehofer (CSU), Peter Altmaier (CDU), Hubertus Heil (SPD), Franziska Giffey (SPD), Andreas Scheuer (CSU) und Svenja Schulze (SPD).
    Feierlicher Termin am 14. März 2018 im Schloss Bellevue in Berlin (v.l.n.r.): Helge Braun (CDU), Gerd Müller (CSU), Anja Karliczek (CDU), Jens Spahn (CDU), Katarina Barley (SPD, inzwischen nach Brüssel gewechselt), Julia Klöckner (CDU), Ursula von der Leyen (CDU), Heiko Maas (SPD), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Olaf Scholz (SPD), Horst Seehofer (CSU), Peter Altmaier (CDU), Hubertus Heil (SPD), Franziska Giffey (SPD), Andreas Scheuer (CSU) und Svenja Schulze (SPD). © dpa | Bernd von Jutrczenka
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    Bessere Bezahlung, mehr Regeneration

    Der Pflegebeauftragte hatte dazu bereits in der vergangenen Woche Vorschläge gemacht – etwa Prämien für Berufsrückkehrer und Teilzeitaufstocker. „Erfolg versprechend ist eine gute Bezahlung, Arbeitszeitreduzierung zur Regeneration bei vollem Lohnausgleich, mehr Verantwortung für die Pflegeprofis und neue Ausbildungskonzepte vom Pflegehelfer bis zum Uni-Abschluss.“

    Einrichtungen sollten zudem für innovative Arbeitsbedingungen einen Bonus bekommen. „Dann haben die Pflegebedürftigen eine gute Chance, auch zukünftig durch motivierte Pflegefachkräfte optimal versorgt zu werden.“