Berlin. Europa blickt gespannt nach Berlin: Sonntag gibt die SPD bekannt, wie die Mitglieder sich in der Groko-Befragung entschieden haben.

Gut fünf Monate nach der Bundestagswahl entscheidet sich, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) endlich eine neue Regierung bilden kann. Die SPD verkündet am Sonntagvormittag (gegen 9 Uhr) das mit Spannung erwartete Ergebnis ihres Basisvotums über den Eintritt in eine große Koalition mit der Union.

Stimmberechtigt waren 463.723 SPD-Mitglieder. Sollte das Votum zugunsten einer Neuauflage des Bündnisses ausfallen, kann sich Merkel am 14. März im Bundestag wieder zur Kanzlerin wählen lassen. Ein Nein würde über kurz oder lang wohl zu Neuwahlen führen.

2013 stimmt 76 Prozent der SPD-Mitglieder für Groko

Im Jahr 2013 hatte es bei dem ersten Koalitionsvotum der SPD-Mitglieder eine Zustimmung von rund 76 Prozent gegeben, dieses Mal wird mit einem weitaus knapperen Ausgang gerechnet. Die SPD-Spitze, die eine neue GroKo befürwortet, gab sich dennoch zuversichtlich.

Das Öffnen der unter Polizeischutz eingetroffenen Wahlbriefe hatte am Samstagabend im Willy-Brandt-Haus begonnen, der SPD-Zentrale. Der nach dem Rücktritt von Martin Schulz kommisarische Parteichef Olaf Scholz sprach von einer sehr hohen Beteiligung an dem Entscheid.

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Rund 120 SPD-Mitglieder aus ganz Deutschland sollten die ganze Nacht die Wahlbriefe auszählen. Damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, mussten die Helfer ihre Telefone abgeben. Die Glasfront des Willy-Brandt-Hauses war flächendeckend mit Sichtschutzfolie abgeklebt. Die Kosten des Votums belaufen sich nach Parteiangaben auf rund 1,5 Millionen Euro. Parallel zur Auszählung der Stimmen war der 45-köpfige Vorstand zu einer Klausurtagung zusammengekommen, um einen Erneuerungsprozess den ältesten Partei Deutschlands zu beraten.

Viele Mitglieder sähen die SPD lieber in der Opposition

Da die SPD bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent abgestürzt war, sähen viele Mitglieder die SPD lieber in der Opposition. Zudem werden die Bündnisse mit Merkel als Grund für Profilverlust verantwortlich gemacht. In einer Emnid-Umfrage sackte die SPD nun auf ein Allzeit-Tief ab. Im Sonntagstrend, den das Institut wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt, verlor die Partei einen Punkt und kam nur noch auf 16 Prozent. Dies ist der Zeitung zufolge der schlechteste je von Emnid gemessene Wert für die SPD. Im am Donnerstag veröffentlichten ARD-„Deutschlandtrend“ hatte die Partei um zwei Punkte auf 18 Prozent zugelegt.

Im Falle einer Zustimmung für die GroKo will die Parteispitze beraten und bis spätestens 12. März bekanntgeben, wer die sechs SPD-Ministerien besetzen soll. Klar ist bislang nur, dass Hamburgs Regierungschef Scholz Bundesfinanzminister und Vizekanzler werden soll.

Der wegen seiner Alleingänge intern umstrittene Außenminister Sigmar Gabriel müsste hingegen mit seiner Ablösung rechnen. Als gesetzt gelten dagegen für das mögliche neue Kabinett neben Scholz der bisherige Justizminister Heiko Maas und die bisherige Familienministerin Katarina Barley.

Designierte SPD-Chefin Nahles warb vehement für Groko

Unklar ist, ob die designierte Parteichefin Andrea Nahles im Falle eines Neins zur GroKo noch beim Parteitag am 22. April in Wiesbaden für den Vorsitz kandidieren würde. Sie warb vehement für die Annahme des Vertrags, der neue Ausgaben von bis zu 46 Milliarden Euro und Entlastungen für viele Bürger etwa beim Solidaritätszuschlag („Soli“) vorsieht, sowie eine Stabilisierung der Renten bis 2025.

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sieht seine Partei für den Fall eines SPD-Neins gerüstet. „Wir haben uns bestens vorbereitet, in eine neue Koalition mit den Sozialdemokraten zu gehen, aber wir haben auch genügend Selbstbewusstsein für den anderen Fall entwickelt“, sagte er dem „Tagesspiegel“. Für diesen Fall sei der weitere Weg verfassungsrechtlich klar und eindeutig. „Dann ist erst einmal ein Kanzler zu wählen, unsere Kandidatin dafür war immer Angela Merkel“, sagte er. Die Partei stehe sehr geschlossen da.

CDU-Vize Thomas Strobl sagte unserer Redaktion, die CDU sei auch offen für die Bildung einer Minderheitsregierung. „Wenn es Deutschland dient, arbeiten wir auch in einer Minderheitsregierung.“ CDU und CSU würden in einer bislang nie da gewesenen Minderheitsregierung alle Minister stellen. Merkel könnte aber immer über ein konstruktives Misstrauensvotum gestürzt werden, da es eine Mehrheit gegen die Union gibt. Und international hätte die Kanzlerin kaum Prokura, etwa in der Europapolitik. (dpa)