Berlin/Düsseldorf. Martin Schulz wirbt in NRW weiter für die Neuauflage der großen Koalition. Nach einem Besuch in Düsseldorf gibt er sich zuversichtlich.

SPD-Parteichef Martin Schulz hat sich nach dreieinhalbstündiger Diskussion mit Parteitagsdelegierten in Düsseldorf hoffnungsvoll für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union geäußert. Die Debatte sei intensiv, emotional und auch kontrovers verlaufen, sagte Schulz am Dienstagabend. „Ermutigend“ sei gewesen, „dass wir durch den Austausch der Argumente mehr zusammenkommen als auseinandergehen“.

Er habe ähnlich wie in Dortmund am Vortag viel Nachdenklichkeit am Ende der Diskussion gespürt. „Das lässt mich hoffen, dass wir in großer Geschlossenheit auf dem Parteitag mit einem Mandat ausgestattet werden, in diese Koalitionsverhandlungen einzutreten.“

Jusos protestierten gegen GroKo

Schulz traf in Düsseldorf mehr als 65 Parteitagsdelegierten vom Mittel- und Niederrhein. Dort sagte er, es sei klar, dass es in der SPD lebhafte Debatten gebe, und das sei auch normal in einer demokratischen Partei. Doch enthalte das Sondierungsergebnis genug Substanz, um Koalitionsverhandlungen zu führen, sagte Schulz. Das Treffen wurde begleitet von lautstarken Protesten der Jusos.

Die SPD-Spitze kämpft seit dem Ende der Sondierungsgespräche an der skeptischen Parteibasis um Zustimmung zu einer Neuauflage der Koalition mit CDU und CSU. Schulz appellierte eindringlich an seine Partei, beim Sonderparteitag am Sonntag den Weg für förmliche Koalitionsverhandlungen frei zu machen. „Es lohnt sich“, sagte Schulz am Dienstag in einem Live-Chat mit Facebook-Nutzern. Es gehe um das Leben der Menschen und darum, dass es gerechter zugehe. Ohne die SPD sei Deutschland „nicht regierbar“, mahnte er.

Union und SPD hatten am Freitag die Ergebnisse ihrer Sondierungsgespräche vorgestellt. Am Sonntag soll ein SPD-Bundesparteitag in Bonn entscheiden, ob die SPD in Koalitionsverhandlungen mit CDU und CSU einsteigt oder nicht.

Treffen von Protesten begleitet

In den Reihen der SPD ist die Skepsis gegenüber einer weiteren großen Koalition groß. In mehreren, allerdings kleineren Landesverbänden war Koalitionsverhandlungen eine Absage erteilt worden – entweder vom Parteivorstand wie in der Berliner SPD oder auf Parteitagen wie in Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Zustimmung der SPD in NRW ist besonders wichtig: Knapp ein Viertel der Parteitagsdelegierten kommt aus diesem Bundesland.

Die SPD hatte nach ihrem Wahldebakel angekündigt, in die Opposition zu gehen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen zwischen Union, FDP und Grünen und Mahnungen des Bundespräsidenten hatte sich die SPD aber doch dazu entschlossen, mit der Union über eine mögliche neue große Koalition zu sondieren.

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    Auch Heiko Maas wirbt für Koalitionsverhandlungen

    Schulz sagte im Facebook-Chat, Beispiele für Erfolge seien etwa Investitionen in Bildung, Verbesserungen bei der Kinderbetreuung oder die Entlastung von Familien. Seine Partei habe auch die Grundrente durchgesetzt. „Wenn wir die Regierung bilden können, wird das kommen.“ Schulz betonte: „Das wird es nur mit uns geben.“ Die SPD habe auch bestimmte Forderungen nicht durchsetzen können, räumte er ein. Das gelte etwa für Steuererhöhungen für große Einkommen. Dafür seien aber deutliche Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen vereinbart.

    Der geschäftsführende Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warb ebenfalls für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. „Wir sind es unseren Wählern schuldig, jetzt in Koalitionsverhandlungen auszuloten, inwiefern wir unser Land ein Stück gerechter machen können“, sagte Maas der Deutschen Presse-Agentur. „Wir dürfen es uns nicht so einfach machen wie die FDP bei ihrem Jamaika-Theater.“ Die FDP hatte die Sondierungen über ein Jamaika-Bündnis mit Union und Grünen platzen lassen.

    Noch viel Unsicherheit vor Abstimmung

    Maas mahnte: „Unser Augenmerk sollten wir darauf richten, was wir erreicht haben.“ Das sei eine ganze Menge - etwa bei Rente, Bildung oder der Entlastung von Geringverdienern. „Allen sollte klar sein: Die Verbesserungen bei der Rente oder den Aufbruch für Europa gibt es nur, wenn die SPD in einer Regierung beteiligt ist.“

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      Vor der Abstimmung am Sonntag gibt es aber nach Einschätzung von NRW-Landeschef Michael Groschek noch viel Unsicherheit. „Wir haben Mitglieder, die sagen Ja, und welche, die sagen Nein, und dazwischen ist ein großer Teil von nachdenklichen Unentschlossenen“, sagte der SPD-Politiker dem Radiosender WDR2. „Natürlich werben wir für ein Ja, aber wir werben überzeugend und nicht überredend“, sagte Groschek.

      Dobrindt fordert klares Bekenntnis

      Unterdessen lehnten weitere CDU-Spitzenpolitiker Forderungen aus der SPD nach Nachbesserungen am Sondierungspapier ab. Diese betreffen zum Beispiel die Einführung der Bürgerversicherung und ein Verbot der Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund.

      CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt forderte von der SPD ein klares Bekenntnis zu den Sondierungsergebnissen. Er könne der SPD nur raten mehr: „Mehr Mut und weniger Wackelpudding.“ Dobrindt sagte, er habe bereits seit der Bundestagswahl für eine GroKo geworben, man können aber die SPD nicht „in der Sänfte in die Koalition tragen“.

      Laut einer Umfrage von Infratest dimap für das ARD-Politmagazin „Report München“, glaubt etwas mehr als die Hälfte (55 Prozent), dass CDU oder CSU bei den Sondierungen am meisten durchgesetzt haben - 38 Prozent sehen die CDU als Siegerin, 17 Prozent die CSU. 15 Prozent sind der Meinung, dass die SPD am meisten durchsetzen konnte. (dpa)